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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Zwölftes Kap. Beschreibung der Stadt und des Schlosses Jedo.
täglich studirten, das Geheimnis zu entdecken, wie der Mensch seine Gesundheit bis zu ei-
nem hohen Alter erhalten möchte. Man fragte weiter: welches denn fürs beste dazu gehalten
würde? Antwort: das lezte sey allezeit das beste, bis die Erfahrung ein anderes lehre.
Frage: welches denn das leztere? Antwort: ein gewisser Spiritus, der bei mäßigem Ge-
brauche die Feuchtigkeiten flüssig erhalte, und die Lebensgeister aufmuntere und stärke.
Frage: wie selbiger genant werde? Antwort: sal volatile oleosum Sylvii. Da ich
wuste, daß alles, was bei den Japanern Achtung erwerben sol, einen langen Namen und
Titel haben mus, so erwählte ich diese Benennung um so eher, die ich auch etliche mal nach
einander wiederholen muste, indem man sie hinter der Matte nachschrieb. Frage: wo er
denn zu bekommen, und wer ihn erfunden? Antwort: in Holland der Professor Sylvius.
Frage: ob ich ihn auch zu machen wüste? Hier befahl mir unser Herr Capitain mit einem
Winke, Nein zu sagen; ich antwortete aber: o ja, aber nicht hier. Frage: ob er auf
Batavia zu bekommen? Antwort: ja! womit denn der Kaiser verlangte, daß mit den
nächsten Schiffen eine Probe überschikt werden solte, die auch unter dem Namen im folgen-
den Jahre würklich überkommen ist, in der That aber nichts anders war, als ein unliebli-
cher Spiritus Salis Ammoniaci mit Gewürznelken abgezogen *). Gleichwie nun der Kai-
ser anfänglich gegen uns über bei dem Frauenzimmer weiter von uns gesessen, so veränderte
er jezt seinen Plaz, und sezte sich zur Seite hinter der Hangematten näher zu uns, und
hies uns unsere Mäntel oder Ehrenkleider ablegen und ausrecht sitzen, damit er uns besser
ins Gesicht sehen könne. Dieses war es aber nicht allein, was der Kaiser verlangte, son-
dern wir musten uns gefallen lassen, ordentliche Affenpossen auszuüben, die mir nicht ein-
mal alle mehr erinnerlich sind; bald musten wir nämlich ausstehen und hin und her spatzieren,
bald uns unter einander komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Man
vorstellen, Japanisch stammeln, malen, Holländisch und Deutsch lesen, singen, die
Mäntel bald um- und wieder wegthun, u. d. gl., ich an meinem Theile stimte hiebei eine
Deutsche Liebesarie an **). Unser Capitain blieb jedoch von diesen Sprüngen verschont,

weil
2.
*) [Spaltenumbruch] Jst bei Scheuchzern und in der Handschrift
des Oheims ausgelassen.
**) Um meinen Handschriften auch hier tren
zu bleiben, so setze ich das Lied, das Kämpfer
abgesungen und in seinen beiden Muspten mit-
getheilt, Scheuchzer aber weggelassen hat, so,
wie ich es finde, hieher:[Spaltenumbruch]
1.
Jch gedenke meiner Pflicht,
An dem Aeußersten der Erden,
Schönste, die mir nicht kan werden,
Liebste, die mein Herze bricht,
Der ich einen Eid geschworen
Sonder Arg und ohne Scheu
Bei dem Licht, da ich geboren,
Zu verbleiben ewig treu.
N n 3

Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo.
taͤglich ſtudirten, das Geheimnis zu entdecken, wie der Menſch ſeine Geſundheit bis zu ei-
nem hohen Alter erhalten moͤchte. Man fragte weiter: welches denn fuͤrs beſte dazu gehalten
wuͤrde? Antwort: das lezte ſey allezeit das beſte, bis die Erfahrung ein anderes lehre.
Frage: welches denn das leztere? Antwort: ein gewiſſer Spiritus, der bei maͤßigem Ge-
brauche die Feuchtigkeiten fluͤſſig erhalte, und die Lebensgeiſter aufmuntere und ſtaͤrke.
Frage: wie ſelbiger genant werde? Antwort: ſal volatile oleoſum Sylvii. Da ich
wuſte, daß alles, was bei den Japanern Achtung erwerben ſol, einen langen Namen und
Titel haben mus, ſo erwaͤhlte ich dieſe Benennung um ſo eher, die ich auch etliche mal nach
einander wiederholen muſte, indem man ſie hinter der Matte nachſchrieb. Frage: wo er
denn zu bekommen, und wer ihn erfunden? Antwort: in Holland der Profeſſor Sylvius.
Frage: ob ich ihn auch zu machen wuͤſte? Hier befahl mir unſer Herr Capitain mit einem
Winke, Nein zu ſagen; ich antwortete aber: o ja, aber nicht hier. Frage: ob er auf
Batavia zu bekommen? Antwort: ja! womit denn der Kaiſer verlangte, daß mit den
naͤchſten Schiffen eine Probe uͤberſchikt werden ſolte, die auch unter dem Namen im folgen-
den Jahre wuͤrklich uͤberkommen iſt, in der That aber nichts anders war, als ein unliebli-
cher Spiritus Salis Ammoniaci mit Gewuͤrznelken abgezogen *). Gleichwie nun der Kai-
ſer anfaͤnglich gegen uns uͤber bei dem Frauenzimmer weiter von uns geſeſſen, ſo veraͤnderte
er jezt ſeinen Plaz, und ſezte ſich zur Seite hinter der Hangematten naͤher zu uns, und
hies uns unſere Maͤntel oder Ehrenkleider ablegen und auſrecht ſitzen, damit er uns beſſer
ins Geſicht ſehen koͤnne. Dieſes war es aber nicht allein, was der Kaiſer verlangte, ſon-
dern wir muſten uns gefallen laſſen, ordentliche Affenpoſſen auszuuͤben, die mir nicht ein-
mal alle mehr erinnerlich ſind; bald muſten wir naͤmlich auſſtehen und hin und her ſpatzieren,
bald uns unter einander komplimentiren, dann tanzen, ſpringen, einen betrunkenen Man
vorſtellen, Japaniſch ſtammeln, malen, Hollaͤndiſch und Deutſch leſen, ſingen, die
Maͤntel bald um- und wieder wegthun, u. d. gl., ich an meinem Theile ſtimte hiebei eine
Deutſche Liebesarie an **). Unſer Capitain blieb jedoch von dieſen Spruͤngen verſchont,

weil
2.
*) [Spaltenumbruch] Jſt bei Scheuchzern und in der Handſchrift
des Oheims ausgelaſſen.
**) Um meinen Handſchriften auch hier tren
zu bleiben, ſo ſetze ich das Lied, das Kaͤmpfer
abgeſungen und in ſeinen beiden Muſpten mit-
getheilt, Scheuchzer aber weggelaſſen hat, ſo,
wie ich es finde, hieher:[Spaltenumbruch]
1.
Jch gedenke meiner Pflicht,
An dem Aeußerſten der Erden,
Schoͤnſte, die mir nicht kan werden,
Liebſte, die mein Herze bricht,
Der ich einen Eid geſchworen
Sonder Arg und ohne Scheu
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[285/0325] Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. taͤglich ſtudirten, das Geheimnis zu entdecken, wie der Menſch ſeine Geſundheit bis zu ei- nem hohen Alter erhalten moͤchte. Man fragte weiter: welches denn fuͤrs beſte dazu gehalten wuͤrde? Antwort: das lezte ſey allezeit das beſte, bis die Erfahrung ein anderes lehre. Frage: welches denn das leztere? Antwort: ein gewiſſer Spiritus, der bei maͤßigem Ge- brauche die Feuchtigkeiten fluͤſſig erhalte, und die Lebensgeiſter aufmuntere und ſtaͤrke. Frage: wie ſelbiger genant werde? Antwort: ſal volatile oleoſum Sylvii. Da ich wuſte, daß alles, was bei den Japanern Achtung erwerben ſol, einen langen Namen und Titel haben mus, ſo erwaͤhlte ich dieſe Benennung um ſo eher, die ich auch etliche mal nach einander wiederholen muſte, indem man ſie hinter der Matte nachſchrieb. Frage: wo er denn zu bekommen, und wer ihn erfunden? Antwort: in Holland der Profeſſor Sylvius. Frage: ob ich ihn auch zu machen wuͤſte? Hier befahl mir unſer Herr Capitain mit einem Winke, Nein zu ſagen; ich antwortete aber: o ja, aber nicht hier. Frage: ob er auf Batavia zu bekommen? Antwort: ja! womit denn der Kaiſer verlangte, daß mit den naͤchſten Schiffen eine Probe uͤberſchikt werden ſolte, die auch unter dem Namen im folgen- den Jahre wuͤrklich uͤberkommen iſt, in der That aber nichts anders war, als ein unliebli- cher Spiritus Salis Ammoniaci mit Gewuͤrznelken abgezogen *). Gleichwie nun der Kai- ſer anfaͤnglich gegen uns uͤber bei dem Frauenzimmer weiter von uns geſeſſen, ſo veraͤnderte er jezt ſeinen Plaz, und ſezte ſich zur Seite hinter der Hangematten naͤher zu uns, und hies uns unſere Maͤntel oder Ehrenkleider ablegen und auſrecht ſitzen, damit er uns beſſer ins Geſicht ſehen koͤnne. Dieſes war es aber nicht allein, was der Kaiſer verlangte, ſon- dern wir muſten uns gefallen laſſen, ordentliche Affenpoſſen auszuuͤben, die mir nicht ein- mal alle mehr erinnerlich ſind; bald muſten wir naͤmlich auſſtehen und hin und her ſpatzieren, bald uns unter einander komplimentiren, dann tanzen, ſpringen, einen betrunkenen Man vorſtellen, Japaniſch ſtammeln, malen, Hollaͤndiſch und Deutſch leſen, ſingen, die Maͤntel bald um- und wieder wegthun, u. d. gl., ich an meinem Theile ſtimte hiebei eine Deutſche Liebesarie an **). Unſer Capitain blieb jedoch von dieſen Spruͤngen verſchont, weil 2. *) Jſt bei Scheuchzern und in der Handſchrift des Oheims ausgelaſſen. **) Um meinen Handſchriften auch hier tren zu bleiben, ſo ſetze ich das Lied, das Kaͤmpfer abgeſungen und in ſeinen beiden Muſpten mit- getheilt, Scheuchzer aber weggelaſſen hat, ſo, wie ich es finde, hieher: 1. Jch gedenke meiner Pflicht, An dem Aeußerſten der Erden, Schoͤnſte, die mir nicht kan werden, Liebſte, die mein Herze bricht, Der ich einen Eid geſchworen Sonder Arg und ohne Scheu Bei dem Licht, da ich geboren, Zu verbleiben ewig treu. N n 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/325>, abgerufen am 24.11.2024.