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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Eilftes Kap. Reise von Famma matz bis zur Residenz Jedo.
eines zu Ende desselben passirten Mönchsklosters gedenken, worin unter andern müssigen
Reisfressern sich ein aus Nagasacki gebürtiger grauköpfiger Pfaffe von 80 Jahren befand,
welcher auf seiner andächtigen Bettelfahrt ganz Japan durchwandert, und keinen einzigen
Tempel unbesucht gelassen, sich auch durch seine Scheinheiligkeit bei dem gemeinen Volke
dermaßen in Ansehen gesezt hatte, daß man ihn schon bei seinem Leben in die Zahl der Hei-
ligen rechnete, und als einen solchen verehrte. Seine Gestalt hatte er, zu einem Götzen-
dienst nach seinem Tode, in einen Stein bilden und aushauen lassen. Die Japaner von
unserm Train thaten, während dem daß wir speiseten, einen Lauf in dies Kloster, und
statteten diesem Heiligen ihren andächtigen Respekt ab. Es hat es dieser Pfaffe viel weiter
gebracht, als der große Alexander, dem man bei seinem Leben keine göttliche Ehre
erweisen wolte.

Auf der Nachmittagsreise bis Canagawa trafen wir zwei Meilen von Fusi sawa
auf das Städtchen Totska, welches samt seinen Vorgassen aus beinahe 500 dies und jen-
feits des Flusses gelegenen Häusern bestand, und wo wir im Durchzuge der krummen Mit-
tolgasse eine halbe Stunde zubrachten; wiederum zwei Meilen von da auf das Städtchen
oder Flecken Fodogai, der in einer langen erst gegen O. darnach N. O. laufenden Gasse
etliche hundert Häuser enthielt, deren ein guter Theil von einer neulichen Feuersbrunst
in der Asche lag. Es wurde derselbe wiederum von der See mit einem engen Busen be-
rührt, in den sich ein durch den Flecken fließender großer Strohm ergos, und den Lustbar-
ken einen sichern Hasen machte, deren verschiedene daselbst am Munde des Flusses vor An-
ker lagen. Hier wurde es finster, wir erreichten also auf eine Meile längst dem Seeufer
um neun Uhr das Städtchen Canagawa, wo wir übernachteten, nachdem wir nach dem
Mittagsessen fünf Meilen zurük gelegt hatten. Die Gassen dieses aus ohngefähr 600 Häusern
bestehenden Orts erstrekten sich nach der Länge auf eine halbe Meile. Er ist ohne irgend ei-
nen Flus, ob er gleich den Namen davon sührt. Außerhalb an dem Fuße eines Berges
oder langen Hügels hatte man verschiedene Löcher gemacht, in welchen die Einwohner das
versamlete Wasser zum Trinken schöpften; es war zwar sehr helle, doch aber Brakwasser.
Bei der Ebbe und Fluth des nahe gelegenen Seebusens sahe man einen schlammigten und
sumpfigten Grund.

Auf unserm heutigen Wege fehlte es nicht an Menschen, Dörfern und Flüssen, so
wie die Gegend, außer verschiedenen kleinen Hügeln, meist eben und ziemlich fruchtbar war.
An vielen Orten hatte man die Aecker nicht ohne geringe Mühe zu Abschreckung der Vögel
mit strohernen an lauter Stäben fest gebundenen Stricken überzogen, welches eine artige
Verzierung vorstellete.

Den 13 März, Dienstags, war endlich der Tag, wo wir in der Kaiserlichen Re-
sidenzstadt Jedo, nach sechs Meilen von Canagawa, eintrafen. Wir brachen sehr früh

auf.
L l 2

Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo.
eines zu Ende deſſelben paſſirten Moͤnchskloſters gedenken, worin unter andern muͤſſigen
Reisfreſſern ſich ein aus Nagaſacki gebuͤrtiger graukoͤpfiger Pfaffe von 80 Jahren befand,
welcher auf ſeiner andaͤchtigen Bettelfahrt ganz Japan durchwandert, und keinen einzigen
Tempel unbeſucht gelaſſen, ſich auch durch ſeine Scheinheiligkeit bei dem gemeinen Volke
dermaßen in Anſehen geſezt hatte, daß man ihn ſchon bei ſeinem Leben in die Zahl der Hei-
ligen rechnete, und als einen ſolchen verehrte. Seine Geſtalt hatte er, zu einem Goͤtzen-
dienſt nach ſeinem Tode, in einen Stein bilden und aushauen laſſen. Die Japaner von
unſerm Train thaten, waͤhrend dem daß wir ſpeiſeten, einen Lauf in dies Kloſter, und
ſtatteten dieſem Heiligen ihren andaͤchtigen Reſpekt ab. Es hat es dieſer Pfaffe viel weiter
gebracht, als der große Alexander, dem man bei ſeinem Leben keine goͤttliche Ehre
erweiſen wolte.

Auf der Nachmittagsreiſe bis Canagawa trafen wir zwei Meilen von Fuſi ſawa
auf das Staͤdtchen Totska, welches ſamt ſeinen Vorgaſſen aus beinahe 500 dies und jen-
feits des Fluſſes gelegenen Haͤuſern beſtand, und wo wir im Durchzuge der krummen Mit-
tolgaſſe eine halbe Stunde zubrachten; wiederum zwei Meilen von da auf das Staͤdtchen
oder Flecken Fodogai, der in einer langen erſt gegen O. darnach N. O. laufenden Gaſſe
etliche hundert Haͤuſer enthielt, deren ein guter Theil von einer neulichen Feuersbrunſt
in der Aſche lag. Es wurde derſelbe wiederum von der See mit einem engen Buſen be-
ruͤhrt, in den ſich ein durch den Flecken fließender großer Strohm ergos, und den Luſtbar-
ken einen ſichern Haſen machte, deren verſchiedene daſelbſt am Munde des Fluſſes vor An-
ker lagen. Hier wurde es finſter, wir erreichten alſo auf eine Meile laͤngſt dem Seeufer
um neun Uhr das Staͤdtchen Canagawa, wo wir uͤbernachteten, nachdem wir nach dem
Mittagseſſen fuͤnf Meilen zuruͤk gelegt hatten. Die Gaſſen dieſes aus ohngefaͤhr 600 Haͤuſern
beſtehenden Orts erſtrekten ſich nach der Laͤnge auf eine halbe Meile. Er iſt ohne irgend ei-
nen Flus, ob er gleich den Namen davon ſuͤhrt. Außerhalb an dem Fuße eines Berges
oder langen Huͤgels hatte man verſchiedene Loͤcher gemacht, in welchen die Einwohner das
verſamlete Waſſer zum Trinken ſchoͤpften; es war zwar ſehr helle, doch aber Brakwaſſer.
Bei der Ebbe und Fluth des nahe gelegenen Seebuſens ſahe man einen ſchlammigten und
ſumpfigten Grund.

Auf unſerm heutigen Wege fehlte es nicht an Menſchen, Doͤrfern und Fluͤſſen, ſo
wie die Gegend, außer verſchiedenen kleinen Huͤgeln, meiſt eben und ziemlich fruchtbar war.
An vielen Orten hatte man die Aecker nicht ohne geringe Muͤhe zu Abſchreckung der Voͤgel
mit ſtrohernen an lauter Staͤben feſt gebundenen Stricken uͤberzogen, welches eine artige
Verzierung vorſtellete.

Den 13 Maͤrz, Dienſtags, war endlich der Tag, wo wir in der Kaiſerlichen Re-
ſidenzſtadt Jedo, nach ſechs Meilen von Canagawa, eintrafen. Wir brachen ſehr fruͤh

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[267/0301] Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. eines zu Ende deſſelben paſſirten Moͤnchskloſters gedenken, worin unter andern muͤſſigen Reisfreſſern ſich ein aus Nagaſacki gebuͤrtiger graukoͤpfiger Pfaffe von 80 Jahren befand, welcher auf ſeiner andaͤchtigen Bettelfahrt ganz Japan durchwandert, und keinen einzigen Tempel unbeſucht gelaſſen, ſich auch durch ſeine Scheinheiligkeit bei dem gemeinen Volke dermaßen in Anſehen geſezt hatte, daß man ihn ſchon bei ſeinem Leben in die Zahl der Hei- ligen rechnete, und als einen ſolchen verehrte. Seine Geſtalt hatte er, zu einem Goͤtzen- dienſt nach ſeinem Tode, in einen Stein bilden und aushauen laſſen. Die Japaner von unſerm Train thaten, waͤhrend dem daß wir ſpeiſeten, einen Lauf in dies Kloſter, und ſtatteten dieſem Heiligen ihren andaͤchtigen Reſpekt ab. Es hat es dieſer Pfaffe viel weiter gebracht, als der große Alexander, dem man bei ſeinem Leben keine goͤttliche Ehre erweiſen wolte. Auf der Nachmittagsreiſe bis Canagawa trafen wir zwei Meilen von Fuſi ſawa auf das Staͤdtchen Totska, welches ſamt ſeinen Vorgaſſen aus beinahe 500 dies und jen- feits des Fluſſes gelegenen Haͤuſern beſtand, und wo wir im Durchzuge der krummen Mit- tolgaſſe eine halbe Stunde zubrachten; wiederum zwei Meilen von da auf das Staͤdtchen oder Flecken Fodogai, der in einer langen erſt gegen O. darnach N. O. laufenden Gaſſe etliche hundert Haͤuſer enthielt, deren ein guter Theil von einer neulichen Feuersbrunſt in der Aſche lag. Es wurde derſelbe wiederum von der See mit einem engen Buſen be- ruͤhrt, in den ſich ein durch den Flecken fließender großer Strohm ergos, und den Luſtbar- ken einen ſichern Haſen machte, deren verſchiedene daſelbſt am Munde des Fluſſes vor An- ker lagen. Hier wurde es finſter, wir erreichten alſo auf eine Meile laͤngſt dem Seeufer um neun Uhr das Staͤdtchen Canagawa, wo wir uͤbernachteten, nachdem wir nach dem Mittagseſſen fuͤnf Meilen zuruͤk gelegt hatten. Die Gaſſen dieſes aus ohngefaͤhr 600 Haͤuſern beſtehenden Orts erſtrekten ſich nach der Laͤnge auf eine halbe Meile. Er iſt ohne irgend ei- nen Flus, ob er gleich den Namen davon ſuͤhrt. Außerhalb an dem Fuße eines Berges oder langen Huͤgels hatte man verſchiedene Loͤcher gemacht, in welchen die Einwohner das verſamlete Waſſer zum Trinken ſchoͤpften; es war zwar ſehr helle, doch aber Brakwaſſer. Bei der Ebbe und Fluth des nahe gelegenen Seebuſens ſahe man einen ſchlammigten und ſumpfigten Grund. Auf unſerm heutigen Wege fehlte es nicht an Menſchen, Doͤrfern und Fluͤſſen, ſo wie die Gegend, außer verſchiedenen kleinen Huͤgeln, meiſt eben und ziemlich fruchtbar war. An vielen Orten hatte man die Aecker nicht ohne geringe Muͤhe zu Abſchreckung der Voͤgel mit ſtrohernen an lauter Staͤben feſt gebundenen Stricken uͤberzogen, welches eine artige Verzierung vorſtellete. Den 13 Maͤrz, Dienſtags, war endlich der Tag, wo wir in der Kaiſerlichen Re- ſidenzſtadt Jedo, nach ſechs Meilen von Canagawa, eintrafen. Wir brachen ſehr fruͤh auf. L l 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/301>, abgerufen am 24.11.2024.