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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.
aus Neugierde einen Kama no mia, auch Sanno mia genanten Tempel, um des Jo-
ritomo oder dessen ältesten Bruders Josttsjne, ersten Feldherrn und weltlichen Kaisers, be-
rühmten großen Küchen-oder Jagdkessel, den man daselbst als eine sonderbare Rarität auf-
weiset, zu besehen: er ist, wie man sagt, über zwei Matten weit, und man sol die auf
den großen Jagden um Fusino Jamma gefangenen wilden Schweine darinnen gekocht
haben.

Jn Numitsju überfiel uns die Nacht, daher musten wir die noch übrigen andert-
halb Stunden bis Misjima im Finstern reisen; außer einigen an einander hängenden kleinen
Dörfern trafen wir auf eine 49 *) Kin oder Klaftern lange Brücke, deren Flus zwischen
den Bergen Astaga und Fakone entspringt, und durch Hügel und Felder bis hieher ab-
und nach dem Hafen zufliest. Einige nanten diesen Flus Ksingaua, andere aber Kama
ga futs.
Die leztere Benennung hat ihren Ursprung in folgender Geschichte: Jn dem
vorhin erwehnten Tempel Sanno wurde eine ungeheuer große Kama oder Jägersense auf-
bewahrt, deren man sich in der Fusino makigari (so heißet man die alten großen Jagden
um dieses Gebirge) bedient hatte. Einsmals des Nachts machen sich Diebe in den Tem-
pel, und stehlen die Kama weg, diese aber wird ihnen so schwer, daß sie selbige von sich
in den Flus werfen, wodurch denn der Flus eine solche Futz oder Tiefe gewonnen, daß er
den Namen Kama ga futz überkommen hat. Die Kama oder Sense selbst ist in eine
Seele verwandelt worden, die anjetzt den Flus regiert.

Misjimma, eine kleine Stadt, die nach meinem Ueberschlage ohne die Vor-
stadt **) aus 650 Häusern und einer viertel Meilen langen Mittelgasse bestand, wurde von
zwei Flüssen durchschnitten, und am Ende von einem dritten berührt. Sie waren alle we-
gen ihrer ziemlichen Tiefe mit Brücken belegt. Jm Jahr 1686 brante die ganze Stadt
ab, und mit ihr die verschiedenen alten vorzüglichsten, und wegen vieler Fabeln berühmten
Götzenhäuser und Kapellen. Sie ist seitdem weit schöner wieder aufgebauet. Einen von
den in die Asche gelegten berühmten Tempeln, Misjima Miasin genant, hat man gleich-
fals auf einen weiten mit Quadersteinen gepflasterten Plaz wiederum hingesezt, den ich bei
Gelegenheit unserer zweiten Hofreise beschreiben werde.

Unser heutiger Marsch bis Cambara begrif ein schlechtes und bergigtes Land, von
da aber bis Jostsjiwara, und sonderlich die Gegend dieses Fleckens, eine gute und mit
Reisfeldern bebauete Ebene, welche sich jedoch hernach bald sandigt und unfruchtbar, bald
wieder von mittelmäßiger Güte beweist.

Den 11 März, Sontags, nach Aufgang der Sonne, sezten wir uns in Cangos,
worin wir für heute bis in die Stadt Odowara, nemlich über das Gebirge Fackone und

durch
*) [Spaltenumbruch] Scheuchzer sezt 45.
**) [Spaltenumbruch] Scheuchzer thut von keiner Vorstadt Meldung.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
aus Neugierde einen Kama no mia, auch Sanno mia genanten Tempel, um des Jo-
ritomo oder deſſen aͤlteſten Bruders Joſttſjne, erſten Feldherrn und weltlichen Kaiſers, be-
ruͤhmten großen Kuͤchen-oder Jagdkeſſel, den man daſelbſt als eine ſonderbare Raritaͤt auf-
weiſet, zu beſehen: er iſt, wie man ſagt, uͤber zwei Matten weit, und man ſol die auf
den großen Jagden um Fuſino Jamma gefangenen wilden Schweine darinnen gekocht
haben.

Jn Numitſju uͤberfiel uns die Nacht, daher muſten wir die noch uͤbrigen andert-
halb Stunden bis Miſjima im Finſtern reiſen; außer einigen an einander haͤngenden kleinen
Doͤrfern trafen wir auf eine 49 *) Kin oder Klaftern lange Bruͤcke, deren Flus zwiſchen
den Bergen Aſtaga und Fakone entſpringt, und durch Huͤgel und Felder bis hieher ab-
und nach dem Hafen zuflieſt. Einige nanten dieſen Flus Kſingaua, andere aber Kama
ga futs.
Die leztere Benennung hat ihren Urſprung in folgender Geſchichte: Jn dem
vorhin erwehnten Tempel Sanno wurde eine ungeheuer große Kama oder Jaͤgerſenſe auf-
bewahrt, deren man ſich in der Fuſino makigari (ſo heißet man die alten großen Jagden
um dieſes Gebirge) bedient hatte. Einsmals des Nachts machen ſich Diebe in den Tem-
pel, und ſtehlen die Kama weg, dieſe aber wird ihnen ſo ſchwer, daß ſie ſelbige von ſich
in den Flus werfen, wodurch denn der Flus eine ſolche Futz oder Tiefe gewonnen, daß er
den Namen Kama ga futz uͤberkommen hat. Die Kama oder Senſe ſelbſt iſt in eine
Seele verwandelt worden, die anjetzt den Flus regiert.

Miſjimma, eine kleine Stadt, die nach meinem Ueberſchlage ohne die Vor-
ſtadt **) aus 650 Haͤuſern und einer viertel Meilen langen Mittelgaſſe beſtand, wurde von
zwei Fluͤſſen durchſchnitten, und am Ende von einem dritten beruͤhrt. Sie waren alle we-
gen ihrer ziemlichen Tiefe mit Bruͤcken belegt. Jm Jahr 1686 brante die ganze Stadt
ab, und mit ihr die verſchiedenen alten vorzuͤglichſten, und wegen vieler Fabeln beruͤhmten
Goͤtzenhaͤuſer und Kapellen. Sie iſt ſeitdem weit ſchoͤner wieder aufgebauet. Einen von
den in die Aſche gelegten beruͤhmten Tempeln, Miſjima Miaſin genant, hat man gleich-
fals auf einen weiten mit Quaderſteinen gepflaſterten Plaz wiederum hingeſezt, den ich bei
Gelegenheit unſerer zweiten Hofreiſe beſchreiben werde.

Unſer heutiger Marſch bis Cambara begrif ein ſchlechtes und bergigtes Land, von
da aber bis Joſtſjiwara, und ſonderlich die Gegend dieſes Fleckens, eine gute und mit
Reisfeldern bebauete Ebene, welche ſich jedoch hernach bald ſandigt und unfruchtbar, bald
wieder von mittelmaͤßiger Guͤte beweiſt.

Den 11 Maͤrz, Sontags, nach Aufgang der Sonne, ſezten wir uns in Cangos,
worin wir fuͤr heute bis in die Stadt Odowara, nemlich uͤber das Gebirge Fackone und

durch
*) [Spaltenumbruch] Scheuchzer ſezt 45.
**) [Spaltenumbruch] Scheuchzer thut von keiner Vorſtadt Meldung.
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[260/0294] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. aus Neugierde einen Kama no mia, auch Sanno mia genanten Tempel, um des Jo- ritomo oder deſſen aͤlteſten Bruders Joſttſjne, erſten Feldherrn und weltlichen Kaiſers, be- ruͤhmten großen Kuͤchen-oder Jagdkeſſel, den man daſelbſt als eine ſonderbare Raritaͤt auf- weiſet, zu beſehen: er iſt, wie man ſagt, uͤber zwei Matten weit, und man ſol die auf den großen Jagden um Fuſino Jamma gefangenen wilden Schweine darinnen gekocht haben. Jn Numitſju uͤberfiel uns die Nacht, daher muſten wir die noch uͤbrigen andert- halb Stunden bis Miſjima im Finſtern reiſen; außer einigen an einander haͤngenden kleinen Doͤrfern trafen wir auf eine 49 *) Kin oder Klaftern lange Bruͤcke, deren Flus zwiſchen den Bergen Aſtaga und Fakone entſpringt, und durch Huͤgel und Felder bis hieher ab- und nach dem Hafen zuflieſt. Einige nanten dieſen Flus Kſingaua, andere aber Kama ga futs. Die leztere Benennung hat ihren Urſprung in folgender Geſchichte: Jn dem vorhin erwehnten Tempel Sanno wurde eine ungeheuer große Kama oder Jaͤgerſenſe auf- bewahrt, deren man ſich in der Fuſino makigari (ſo heißet man die alten großen Jagden um dieſes Gebirge) bedient hatte. Einsmals des Nachts machen ſich Diebe in den Tem- pel, und ſtehlen die Kama weg, dieſe aber wird ihnen ſo ſchwer, daß ſie ſelbige von ſich in den Flus werfen, wodurch denn der Flus eine ſolche Futz oder Tiefe gewonnen, daß er den Namen Kama ga futz uͤberkommen hat. Die Kama oder Senſe ſelbſt iſt in eine Seele verwandelt worden, die anjetzt den Flus regiert. Miſjimma, eine kleine Stadt, die nach meinem Ueberſchlage ohne die Vor- ſtadt **) aus 650 Haͤuſern und einer viertel Meilen langen Mittelgaſſe beſtand, wurde von zwei Fluͤſſen durchſchnitten, und am Ende von einem dritten beruͤhrt. Sie waren alle we- gen ihrer ziemlichen Tiefe mit Bruͤcken belegt. Jm Jahr 1686 brante die ganze Stadt ab, und mit ihr die verſchiedenen alten vorzuͤglichſten, und wegen vieler Fabeln beruͤhmten Goͤtzenhaͤuſer und Kapellen. Sie iſt ſeitdem weit ſchoͤner wieder aufgebauet. Einen von den in die Aſche gelegten beruͤhmten Tempeln, Miſjima Miaſin genant, hat man gleich- fals auf einen weiten mit Quaderſteinen gepflaſterten Plaz wiederum hingeſezt, den ich bei Gelegenheit unſerer zweiten Hofreiſe beſchreiben werde. Unſer heutiger Marſch bis Cambara begrif ein ſchlechtes und bergigtes Land, von da aber bis Joſtſjiwara, und ſonderlich die Gegend dieſes Fleckens, eine gute und mit Reisfeldern bebauete Ebene, welche ſich jedoch hernach bald ſandigt und unfruchtbar, bald wieder von mittelmaͤßiger Guͤte beweiſt. Den 11 Maͤrz, Sontags, nach Aufgang der Sonne, ſezten wir uns in Cangos, worin wir fuͤr heute bis in die Stadt Odowara, nemlich uͤber das Gebirge Fackone und durch *) Scheuchzer ſezt 45. **) Scheuchzer thut von keiner Vorſtadt Meldung.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/294>, abgerufen am 28.11.2024.