Neuntes Kapitel. Reise von Osacka bis Miaco, und beider Städte Beschreibung.
Osacka ist eine Kaiserliche Reichs- und Hauptstadt der Provinz Setzu, ohne einigen Wal und Mauren, unter 34 Grad 50 Minuten Norder Breite in einem ebenen fruchtbaren Felde und am schifreichen Busen sehr wohl gelegen. Die Ostseite wird durch eine ansehnliche Vestung, die Westseite aber durch zwei sehr gute Wachthäuser, welche dieselbe von den angränzenden Vorstädten absondern, vertheidigt. Jhre Länge hält von Ost bis West, das ist von gedachter Vestung bis zu den Vorstädten, 3 bis 4000 gemeine Schritte, die Breite hingegen weniger. Den Norder Theil durchschneidet nach der ganzen Länge von Ost bis West der Wasserreiche große Flus Jedo gava, welcher diesem Orte einen gro- ßen Handel und Reichthum verschaft, und daher verdient, daß ich ihn mit weni- gem beschreibe.
Es entspringt dieser Flus aus einer mitten in der Provinz Oomi einer halben Ta- gesreise von hier nach N. O. gelegenen See, wovon man sagt, daß sie in einer Nacht durch ein Erdbeben, das den vesten Boden verschlungen, entstanden sey. Er hat seinen Aus- flus bei dem Dorfe Tsitanofas, alwo er mit einer ansehnlichen zwiefachen Brücke, die nämlich in der Mitte auf einer kleinen Jnsel zusammen stößet, belegt ist, fließet auf das Städtchen Udsi und Jodo zu, da er von dem lezteren seinen Namen annimt, und sodann ferner auf Osacka. Eine Meile vor der Stadt lässet er einen Arm gerade nach der See ablaufen, welchen Verlust aber zween andere Flüsse, Jamatto gava und Firano gava ersetzen, die sich eben auch vor der Stadt an der Nordseite der Burg mit ihm vereinigen, nachdem jeder eine ansehnliche Brücke hinter sich gelassen. So bald dieser vereinigte Strohm etwa den dritten Theil der Stadt durchgeflossen, wird aus demselben das Wasser durch ei- nen gemachten breiten Graben in den Süder- und großen Theil der Stadt, welcher eigent- lich die rechte Bürgerstadt ist, abgeführt und von da wiederum nach der Länge der Gassen in andere Graben oder Kanäle vertheilt, bis es zulezt durch verschiedene Tiefen, wodurch die ein- und ankommende Waaren mit kleinen Fahrzeugen gemächlich zur Stadt ein- und
aufge-
Neuntes Kapitel. Reiſe von Oſacka bis Miaco, und beider Staͤdte Beſchreibung.
Oſacka iſt eine Kaiſerliche Reichs- und Hauptſtadt der Provinz Setzu, ohne einigen Wal und Mauren, unter 34 Grad 50 Minuten Norder Breite in einem ebenen fruchtbaren Felde und am ſchifreichen Buſen ſehr wohl gelegen. Die Oſtſeite wird durch eine anſehnliche Veſtung, die Weſtſeite aber durch zwei ſehr gute Wachthaͤuſer, welche dieſelbe von den angraͤnzenden Vorſtaͤdten abſondern, vertheidigt. Jhre Laͤnge haͤlt von Oſt bis Weſt, das iſt von gedachter Veſtung bis zu den Vorſtaͤdten, 3 bis 4000 gemeine Schritte, die Breite hingegen weniger. Den Norder Theil durchſchneidet nach der ganzen Laͤnge von Oſt bis Weſt der Waſſerreiche große Flus Jedo gava, welcher dieſem Orte einen gro- ßen Handel und Reichthum verſchaft, und daher verdient, daß ich ihn mit weni- gem beſchreibe.
Es entſpringt dieſer Flus aus einer mitten in der Provinz Oomi einer halben Ta- gesreiſe von hier nach N. O. gelegenen See, wovon man ſagt, daß ſie in einer Nacht durch ein Erdbeben, das den veſten Boden verſchlungen, entſtanden ſey. Er hat ſeinen Aus- flus bei dem Dorfe Tſitanofas, alwo er mit einer anſehnlichen zwiefachen Bruͤcke, die naͤmlich in der Mitte auf einer kleinen Jnſel zuſammen ſtoͤßet, belegt iſt, fließet auf das Staͤdtchen Udſi und Jodo zu, da er von dem lezteren ſeinen Namen annimt, und ſodann ferner auf Oſacka. Eine Meile vor der Stadt laͤſſet er einen Arm gerade nach der See ablaufen, welchen Verluſt aber zween andere Fluͤſſe, Jamatto gava und Firano gava erſetzen, die ſich eben auch vor der Stadt an der Nordſeite der Burg mit ihm vereinigen, nachdem jeder eine anſehnliche Bruͤcke hinter ſich gelaſſen. So bald dieſer vereinigte Strohm etwa den dritten Theil der Stadt durchgefloſſen, wird aus demſelben das Waſſer durch ei- nen gemachten breiten Graben in den Suͤder- und großen Theil der Stadt, welcher eigent- lich die rechte Buͤrgerſtadt iſt, abgefuͤhrt und von da wiederum nach der Laͤnge der Gaſſen in andere Graben oder Kanaͤle vertheilt, bis es zulezt durch verſchiedene Tiefen, wodurch die ein- und ankommende Waaren mit kleinen Fahrzeugen gemaͤchlich zur Stadt ein- und
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Neuntes Kapitel.
Reiſe von Oſacka bis Miaco, und beider
Staͤdte Beſchreibung.
Oſacka iſt eine Kaiſerliche Reichs- und Hauptſtadt der Provinz Setzu, ohne einigen
Wal und Mauren, unter 34 Grad 50 Minuten Norder Breite in einem ebenen
fruchtbaren Felde und am ſchifreichen Buſen ſehr wohl gelegen. Die Oſtſeite wird
durch eine anſehnliche Veſtung, die Weſtſeite aber durch zwei ſehr gute Wachthaͤuſer, welche
dieſelbe von den angraͤnzenden Vorſtaͤdten abſondern, vertheidigt. Jhre Laͤnge haͤlt von Oſt
bis Weſt, das iſt von gedachter Veſtung bis zu den Vorſtaͤdten, 3 bis 4000 gemeine Schritte,
die Breite hingegen weniger. Den Norder Theil durchſchneidet nach der ganzen Laͤnge von
Oſt bis Weſt der Waſſerreiche große Flus Jedo gava, welcher dieſem Orte einen gro-
ßen Handel und Reichthum verſchaft, und daher verdient, daß ich ihn mit weni-
gem beſchreibe.
Es entſpringt dieſer Flus aus einer mitten in der Provinz Oomi einer halben Ta-
gesreiſe von hier nach N. O. gelegenen See, wovon man ſagt, daß ſie in einer Nacht durch
ein Erdbeben, das den veſten Boden verſchlungen, entſtanden ſey. Er hat ſeinen Aus-
flus bei dem Dorfe Tſitanofas, alwo er mit einer anſehnlichen zwiefachen Bruͤcke, die
naͤmlich in der Mitte auf einer kleinen Jnſel zuſammen ſtoͤßet, belegt iſt, fließet auf das
Staͤdtchen Udſi und Jodo zu, da er von dem lezteren ſeinen Namen annimt, und ſodann
ferner auf Oſacka. Eine Meile vor der Stadt laͤſſet er einen Arm gerade nach der See
ablaufen, welchen Verluſt aber zween andere Fluͤſſe, Jamatto gava und Firano gava
erſetzen, die ſich eben auch vor der Stadt an der Nordſeite der Burg mit ihm vereinigen,
nachdem jeder eine anſehnliche Bruͤcke hinter ſich gelaſſen. So bald dieſer vereinigte Strohm
etwa den dritten Theil der Stadt durchgefloſſen, wird aus demſelben das Waſſer durch ei-
nen gemachten breiten Graben in den Suͤder- und großen Theil der Stadt, welcher eigent-
lich die rechte Buͤrgerſtadt iſt, abgefuͤhrt und von da wiederum nach der Laͤnge der Gaſſen
in andere Graben oder Kanaͤle vertheilt, bis es zulezt durch verſchiedene Tiefen, wodurch
die ein- und ankommende Waaren mit kleinen Fahrzeugen gemaͤchlich zur Stadt ein- und
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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