gossen: der lärmende Pöbel, Arbeiter und müssige Zuschauer werden bei Seite gejagt, und die Leute in den an der Straße gelegenen Häusern sitzen nur im Hintertheile derselben von weitem, oder im Vorderhause hinter der Matte kniend, um uns in tiefer Stille vorbeizie- hen zu sehen.
So bald wir aus einem Gebiete oder Landschaft in die andere treten, komt uns ein von dessen Gouverneur abgeschikter Edelman entgegen, um uns ein Bewilkommungs- compliment von seinem Herrn zu machen, das er denn bei unserm obersten Führer und Dolmetscher ablegt, weil ihm nicht erlaubt ist, selbst mit einem Holländer zu sprechen. Er bietet zugleich die zum Durchzuge benöthigten Pferde und Lastträger in überflüssiger Zahl an, und lässet einem jeden Holländer vier Aufwärter und Trabanten zur Seite, den ganzen Train aber zwei ansehnliche in schwarzer Seide wohl gekleidete Marschälle mit Stäben vor- gehen, und ihn bis zur Gränze führen, wo denn noch unsere Japaner mit Sacki und Sokana bewirthet werden.
Zur Ueberfahrt des Omuraschen und Simabarischen Hafens leihen uns die Landesfürsten ihre eignen Lustschiffe und Leibmatrosen dar, lassen uns auch warme Schifs- kost zur Mahlzeit auftragen, und zwar alles unentgeldlich, wiewol uns desfals die diebischen Dolmetscher eine Rechnung machen.
Auf diesem sogenanten Saikokf oder Landwege über die Jnsel Kjusju von Na- gasacki nach Kokura, siehet man einen jeden, der uns begegnet, unserer Suite, wie schon erwähnt, Landesfürstlichen Respekt erweisen. Privatfusgänger oder Reuter müssen von dem öffentlichen Wege und ihren Pferden abtreten, und mit entblößetem Haupte und niedergebognem Leibe unsern Vorbeizug abwarten, wer dieses nicht gutwillig und ungehei- ßen thut, wird von den vorgehenden Marschällen empfindlich dazu angewiesen, wiewol es die Bauren und gemeinen Fusgänger der Orten dazu nicht kommen lassen, sondern aus ei- gener Höflichkeit aus dem Wege zur Seite ins Feld eilen, und mit entblößetem Haupte kniend ihre Ehrerbietung bezeigen. So wie das Königliche Frauenzimmer in Siam, auch überhaupt unter den indischen Nationen die Edeln von den Unedelen dadurch noch in einem höheren Grade geehrt werden müssen, daß ihnen in dergleichen Fällen beim Niederknien der Rücken mit Ausstreckung des Hintern, zu einem Beweise der Unwürdigkeit, sie von Angesicht zu sehen, zugekehrt wird; eben so machten es hier oft die Bauren, es sey nun aus Respekt gegen die Majestät des Kaisers, weil wir vor derselben zu erscheinen reiseten, oder, wie uns unsere Begleiter sagen wolten, wegen der Gegenwart des Buggio, auf dem das Ansehen der Nagasackischen Gouverneure beruhe. Jmmer bleibt es ein sehr schmei- chelndes Kennzeichen ihrer großen Höflichkeit. Auf dem Wege über die große Jnsel Ni- pon hingegen habe ich solche Ehrfurcht weniger bemerkt.
Die
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
goſſen: der laͤrmende Poͤbel, Arbeiter und muͤſſige Zuſchauer werden bei Seite gejagt, und die Leute in den an der Straße gelegenen Haͤuſern ſitzen nur im Hintertheile derſelben von weitem, oder im Vorderhauſe hinter der Matte kniend, um uns in tiefer Stille vorbeizie- hen zu ſehen.
So bald wir aus einem Gebiete oder Landſchaft in die andere treten, komt uns ein von deſſen Gouverneur abgeſchikter Edelman entgegen, um uns ein Bewilkommungs- compliment von ſeinem Herrn zu machen, das er denn bei unſerm oberſten Fuͤhrer und Dolmetſcher ablegt, weil ihm nicht erlaubt iſt, ſelbſt mit einem Hollaͤnder zu ſprechen. Er bietet zugleich die zum Durchzuge benoͤthigten Pferde und Laſttraͤger in uͤberfluͤſſiger Zahl an, und laͤſſet einem jeden Hollaͤnder vier Aufwaͤrter und Trabanten zur Seite, den ganzen Train aber zwei anſehnliche in ſchwarzer Seide wohl gekleidete Marſchaͤlle mit Staͤben vor- gehen, und ihn bis zur Graͤnze fuͤhren, wo denn noch unſere Japaner mit Sacki und Sokana bewirthet werden.
Zur Ueberfahrt des Omuraſchen und Simabariſchen Hafens leihen uns die Landesfuͤrſten ihre eignen Luſtſchiffe und Leibmatroſen dar, laſſen uns auch warme Schifs- koſt zur Mahlzeit auftragen, und zwar alles unentgeldlich, wiewol uns desfals die diebiſchen Dolmetſcher eine Rechnung machen.
Auf dieſem ſogenanten Saikokf oder Landwege uͤber die Jnſel Kjuſju von Na- gaſacki nach Kokura, ſiehet man einen jeden, der uns begegnet, unſerer Suite, wie ſchon erwaͤhnt, Landesfuͤrſtlichen Reſpekt erweiſen. Privatfusgaͤnger oder Reuter muͤſſen von dem oͤffentlichen Wege und ihren Pferden abtreten, und mit entbloͤßetem Haupte und niedergebognem Leibe unſern Vorbeizug abwarten, wer dieſes nicht gutwillig und ungehei- ßen thut, wird von den vorgehenden Marſchaͤllen empfindlich dazu angewieſen, wiewol es die Bauren und gemeinen Fusgaͤnger der Orten dazu nicht kommen laſſen, ſondern aus ei- gener Hoͤflichkeit aus dem Wege zur Seite ins Feld eilen, und mit entbloͤßetem Haupte kniend ihre Ehrerbietung bezeigen. So wie das Koͤnigliche Frauenzimmer in Siam, auch uͤberhaupt unter den indiſchen Nationen die Edeln von den Unedelen dadurch noch in einem hoͤheren Grade geehrt werden muͤſſen, daß ihnen in dergleichen Faͤllen beim Niederknien der Ruͤcken mit Ausſtreckung des Hintern, zu einem Beweiſe der Unwuͤrdigkeit, ſie von Angeſicht zu ſehen, zugekehrt wird; eben ſo machten es hier oft die Bauren, es ſey nun aus Reſpekt gegen die Majeſtaͤt des Kaiſers, weil wir vor derſelben zu erſcheinen reiſeten, oder, wie uns unſere Begleiter ſagen wolten, wegen der Gegenwart des Buggio, auf dem das Anſehen der Nagaſackiſchen Gouverneure beruhe. Jmmer bleibt es ein ſehr ſchmei- chelndes Kennzeichen ihrer großen Hoͤflichkeit. Auf dem Wege uͤber die große Jnſel Ni- pon hingegen habe ich ſolche Ehrfurcht weniger bemerkt.
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
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die Leute in den an der Straße gelegenen Haͤuſern ſitzen nur im Hintertheile derſelben von
weitem, oder im Vorderhauſe hinter der Matte kniend, um uns in tiefer Stille vorbeizie-
hen zu ſehen.
So bald wir aus einem Gebiete oder Landſchaft in die andere treten, komt uns
ein von deſſen Gouverneur abgeſchikter Edelman entgegen, um uns ein Bewilkommungs-
compliment von ſeinem Herrn zu machen, das er denn bei unſerm oberſten Fuͤhrer und
Dolmetſcher ablegt, weil ihm nicht erlaubt iſt, ſelbſt mit einem Hollaͤnder zu ſprechen. Er
bietet zugleich die zum Durchzuge benoͤthigten Pferde und Laſttraͤger in uͤberfluͤſſiger Zahl
an, und laͤſſet einem jeden Hollaͤnder vier Aufwaͤrter und Trabanten zur Seite, den ganzen
Train aber zwei anſehnliche in ſchwarzer Seide wohl gekleidete Marſchaͤlle mit Staͤben vor-
gehen, und ihn bis zur Graͤnze fuͤhren, wo denn noch unſere Japaner mit Sacki und
Sokana bewirthet werden.
Zur Ueberfahrt des Omuraſchen und Simabariſchen Hafens leihen uns die
Landesfuͤrſten ihre eignen Luſtſchiffe und Leibmatroſen dar, laſſen uns auch warme Schifs-
koſt zur Mahlzeit auftragen, und zwar alles unentgeldlich, wiewol uns desfals die diebiſchen
Dolmetſcher eine Rechnung machen.
Auf dieſem ſogenanten Saikokf oder Landwege uͤber die Jnſel Kjuſju von Na-
gaſacki nach Kokura, ſiehet man einen jeden, der uns begegnet, unſerer Suite, wie
ſchon erwaͤhnt, Landesfuͤrſtlichen Reſpekt erweiſen. Privatfusgaͤnger oder Reuter muͤſſen
von dem oͤffentlichen Wege und ihren Pferden abtreten, und mit entbloͤßetem Haupte und
niedergebognem Leibe unſern Vorbeizug abwarten, wer dieſes nicht gutwillig und ungehei-
ßen thut, wird von den vorgehenden Marſchaͤllen empfindlich dazu angewieſen, wiewol es
die Bauren und gemeinen Fusgaͤnger der Orten dazu nicht kommen laſſen, ſondern aus ei-
gener Hoͤflichkeit aus dem Wege zur Seite ins Feld eilen, und mit entbloͤßetem Haupte
kniend ihre Ehrerbietung bezeigen. So wie das Koͤnigliche Frauenzimmer in Siam, auch
uͤberhaupt unter den indiſchen Nationen die Edeln von den Unedelen dadurch noch in einem
hoͤheren Grade geehrt werden muͤſſen, daß ihnen in dergleichen Faͤllen beim Niederknien
der Ruͤcken mit Ausſtreckung des Hintern, zu einem Beweiſe der Unwuͤrdigkeit, ſie von
Angeſicht zu ſehen, zugekehrt wird; eben ſo machten es hier oft die Bauren, es ſey nun
aus Reſpekt gegen die Majeſtaͤt des Kaiſers, weil wir vor derſelben zu erſcheinen reiſeten,
oder, wie uns unſere Begleiter ſagen wolten, wegen der Gegenwart des Buggio, auf dem
das Anſehen der Nagaſackiſchen Gouverneure beruhe. Jmmer bleibt es ein ſehr ſchmei-
chelndes Kennzeichen ihrer großen Hoͤflichkeit. Auf dem Wege uͤber die große Jnſel Ni-
pon hingegen habe ich ſolche Ehrfurcht weniger bemerkt.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/208>, abgerufen am 16.02.2025.
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