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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Viert. Kap. Beschreibung der Posthäuser, Herbergen, etc.

Der Raum über dem Tsigai ist mit einem hölzernen Schranke ausgefült, um
Papier, Dintenfas, Schriften und Bücher darinnen zu verwahren; die Gäste finden auch
daselbst bisweilen ihre Schlaf klötze, die hier zu Lande statt der Kopfküssen gebraucht wer-
den. Sie sind Cubikförmig, hohl und aus sechs dünnen Brettern zusammengefügt, von
außen gefirnisset, glatt und sauber, und nicht viel über eine Spanne lang, jedoch weniger breit
und dicke, damit einer nach dessen verschiedenen Wendung sein Haupt höher oder niedri-
ger legen kan. Ein Reisender hat kein ander Schlafzeug von dem Wirthe zu erwarten,
und wenn er selbst weiter keins bei sich führt, so bedient er sich, neben dem eben erwähn-
ten hölzernen Kopfküssen, der Matte des Fusbodens zum Unterpfühl und seines Rockes
zur Decke.

Auf der Nebenseite der Tokko ist öfters ein abgesonderter, von dem Fusboden er-
habener und durchgebrochener Erker oder Fenster, von ungemein schöner Arbeit, durch wel-
ches der, so seinen Siz auf dem vornehmsten und höchsten Platze hat, auf das nächst ge-
legene Feld, Garten oder Wasser sehen kan.

Jn dem mit kostbaren hart ausgestopften Matten belegten Grunde der Kammern
ist eine viereckigt ausgemauerte Grube angebracht, welche zu Winterszeit, da man die
Matte wegnimt, mit Asche gefült und mit Kohlen versehen wird. Die Hauswirthin stelt
einen niedrigen kleinen Tisch darüber, und breitet über denselben eine weite Decke aus,
worunter man sitzen und den Leib wider die kalte Luft, so wie in Persien unter einer Kurtsji,
gemächlich bergen kan. Wo keine dergleichen Feuergruben sind, hat man des Winters an
deren Statt ein messingenes oder irdenes oder künstlich gemachtes Feuertöpfen in den Kam-
mern, mit zwei langen in der Asche steckenden eisernen Stäbchen, die man zu einer Feuer-
zange oder Gabel zu gebrauchen gewohnt ist, so wie man bei der Mahlzeit ebenfals keine
andere Werkzeuge hat.

Von oben erwehnten Kostbarkeiten, die Miseratsien genent werden, habe ich für-
nemlich folgende Stücke, zwar nicht alle in einer, sondern bald mehr bald weniger in ver-
schiedenen Herbergen angetroffen, nemlich:

1) Eine papierne, mit einem in Gold gestikten Tuche nett besäumte Roltafel.
Auf derselben ist das Bildnis eines mit einem groben Pinsel schlechtweg gemalten Heiligen
vorgestelt, der gleichwohl in wenigen und oft nur in drei oder vier Strichen so wohl getroffen
und proportionirt ist, daß ihn ein jeder alsbald erkennen und die Kunst des Meisters loben
mus. Ein andermal stehet auf dieser Tafel ein nachdenklicher Spruch eines berühmten
Weltweisen oder Poeten, mit der eigenen Hand des Urhebers, geschrieben; bisweilen siehet
man darauf nur bloße grobe Buchstaben und Züge eines im Reiche berühmten Schreibmei-
sters, der seine Kunst damit zeigen wollen; dem Ansehen nach sind sie mit einer gleichgül-
tigen, obwol affektirten, Eilfertigkeit dahin gemalt, ein Liebhaber aber findet dem ohnge-
achtet
Y 2
Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.

Der Raum uͤber dem Tſigai iſt mit einem hoͤlzernen Schranke ausgefuͤlt, um
Papier, Dintenfas, Schriften und Buͤcher darinnen zu verwahren; die Gaͤſte finden auch
daſelbſt bisweilen ihre Schlaf kloͤtze, die hier zu Lande ſtatt der Kopfkuͤſſen gebraucht wer-
den. Sie ſind Cubikfoͤrmig, hohl und aus ſechs duͤnnen Brettern zuſammengefuͤgt, von
außen gefirniſſet, glatt und ſauber, und nicht viel uͤber eine Spanne lang, jedoch weniger breit
und dicke, damit einer nach deſſen verſchiedenen Wendung ſein Haupt hoͤher oder niedri-
ger legen kan. Ein Reiſender hat kein ander Schlafzeug von dem Wirthe zu erwarten,
und wenn er ſelbſt weiter keins bei ſich fuͤhrt, ſo bedient er ſich, neben dem eben erwaͤhn-
ten hoͤlzernen Kopfkuͤſſen, der Matte des Fusbodens zum Unterpfuͤhl und ſeines Rockes
zur Decke.

Auf der Nebenſeite der Tokko iſt oͤfters ein abgeſonderter, von dem Fusboden er-
habener und durchgebrochener Erker oder Fenſter, von ungemein ſchoͤner Arbeit, durch wel-
ches der, ſo ſeinen Siz auf dem vornehmſten und hoͤchſten Platze hat, auf das naͤchſt ge-
legene Feld, Garten oder Waſſer ſehen kan.

Jn dem mit koſtbaren hart ausgeſtopften Matten belegten Grunde der Kammern
iſt eine viereckigt ausgemauerte Grube angebracht, welche zu Winterszeit, da man die
Matte wegnimt, mit Aſche gefuͤlt und mit Kohlen verſehen wird. Die Hauswirthin ſtelt
einen niedrigen kleinen Tiſch daruͤber, und breitet uͤber denſelben eine weite Decke aus,
worunter man ſitzen und den Leib wider die kalte Luft, ſo wie in Perſien unter einer Kurtſji,
gemaͤchlich bergen kan. Wo keine dergleichen Feuergruben ſind, hat man des Winters an
deren Statt ein meſſingenes oder irdenes oder kuͤnſtlich gemachtes Feuertoͤpfen in den Kam-
mern, mit zwei langen in der Aſche ſteckenden eiſernen Staͤbchen, die man zu einer Feuer-
zange oder Gabel zu gebrauchen gewohnt iſt, ſo wie man bei der Mahlzeit ebenfals keine
andere Werkzeuge hat.

Von oben erwehnten Koſtbarkeiten, die Miſeratſien genent werden, habe ich fuͤr-
nemlich folgende Stuͤcke, zwar nicht alle in einer, ſondern bald mehr bald weniger in ver-
ſchiedenen Herbergen angetroffen, nemlich:

1) Eine papierne, mit einem in Gold geſtikten Tuche nett beſaͤumte Roltafel.
Auf derſelben iſt das Bildnis eines mit einem groben Pinſel ſchlechtweg gemalten Heiligen
vorgeſtelt, der gleichwohl in wenigen und oft nur in drei oder vier Strichen ſo wohl getroffen
und proportionirt iſt, daß ihn ein jeder alsbald erkennen und die Kunſt des Meiſters loben
mus. Ein andermal ſtehet auf dieſer Tafel ein nachdenklicher Spruch eines beruͤhmten
Weltweiſen oder Poeten, mit der eigenen Hand des Urhebers, geſchrieben; bisweilen ſiehet
man darauf nur bloße grobe Buchſtaben und Zuͤge eines im Reiche beruͤhmten Schreibmei-
ſters, der ſeine Kunſt damit zeigen wollen; dem Anſehen nach ſind ſie mit einer gleichguͤl-
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achtet
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[171/0189] Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc. Der Raum uͤber dem Tſigai iſt mit einem hoͤlzernen Schranke ausgefuͤlt, um Papier, Dintenfas, Schriften und Buͤcher darinnen zu verwahren; die Gaͤſte finden auch daſelbſt bisweilen ihre Schlaf kloͤtze, die hier zu Lande ſtatt der Kopfkuͤſſen gebraucht wer- den. Sie ſind Cubikfoͤrmig, hohl und aus ſechs duͤnnen Brettern zuſammengefuͤgt, von außen gefirniſſet, glatt und ſauber, und nicht viel uͤber eine Spanne lang, jedoch weniger breit und dicke, damit einer nach deſſen verſchiedenen Wendung ſein Haupt hoͤher oder niedri- ger legen kan. Ein Reiſender hat kein ander Schlafzeug von dem Wirthe zu erwarten, und wenn er ſelbſt weiter keins bei ſich fuͤhrt, ſo bedient er ſich, neben dem eben erwaͤhn- ten hoͤlzernen Kopfkuͤſſen, der Matte des Fusbodens zum Unterpfuͤhl und ſeines Rockes zur Decke. Auf der Nebenſeite der Tokko iſt oͤfters ein abgeſonderter, von dem Fusboden er- habener und durchgebrochener Erker oder Fenſter, von ungemein ſchoͤner Arbeit, durch wel- ches der, ſo ſeinen Siz auf dem vornehmſten und hoͤchſten Platze hat, auf das naͤchſt ge- legene Feld, Garten oder Waſſer ſehen kan. Jn dem mit koſtbaren hart ausgeſtopften Matten belegten Grunde der Kammern iſt eine viereckigt ausgemauerte Grube angebracht, welche zu Winterszeit, da man die Matte wegnimt, mit Aſche gefuͤlt und mit Kohlen verſehen wird. Die Hauswirthin ſtelt einen niedrigen kleinen Tiſch daruͤber, und breitet uͤber denſelben eine weite Decke aus, worunter man ſitzen und den Leib wider die kalte Luft, ſo wie in Perſien unter einer Kurtſji, gemaͤchlich bergen kan. Wo keine dergleichen Feuergruben ſind, hat man des Winters an deren Statt ein meſſingenes oder irdenes oder kuͤnſtlich gemachtes Feuertoͤpfen in den Kam- mern, mit zwei langen in der Aſche ſteckenden eiſernen Staͤbchen, die man zu einer Feuer- zange oder Gabel zu gebrauchen gewohnt iſt, ſo wie man bei der Mahlzeit ebenfals keine andere Werkzeuge hat. Von oben erwehnten Koſtbarkeiten, die Miſeratſien genent werden, habe ich fuͤr- nemlich folgende Stuͤcke, zwar nicht alle in einer, ſondern bald mehr bald weniger in ver- ſchiedenen Herbergen angetroffen, nemlich: 1) Eine papierne, mit einem in Gold geſtikten Tuche nett beſaͤumte Roltafel. Auf derſelben iſt das Bildnis eines mit einem groben Pinſel ſchlechtweg gemalten Heiligen vorgeſtelt, der gleichwohl in wenigen und oft nur in drei oder vier Strichen ſo wohl getroffen und proportionirt iſt, daß ihn ein jeder alsbald erkennen und die Kunſt des Meiſters loben mus. Ein andermal ſtehet auf dieſer Tafel ein nachdenklicher Spruch eines beruͤhmten Weltweiſen oder Poeten, mit der eigenen Hand des Urhebers, geſchrieben; bisweilen ſiehet man darauf nur bloße grobe Buchſtaben und Zuͤge eines im Reiche beruͤhmten Schreibmei- ſters, der ſeine Kunſt damit zeigen wollen; dem Anſehen nach ſind ſie mit einer gleichguͤl- tigen, obwol affektirten, Eilfertigkeit dahin gemalt, ein Liebhaber aber findet dem ohnge- achtet Y 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/189>, abgerufen am 24.11.2024.