nufakturwaaren anzulegen, und dürfen sie nicht einen einzigen baaren Jtzebo (oder japanischen Heller) aus dem Lande mitnehmen.
So bald eine Jonke von der mitgebrachten Ladung ihren bestimten Theil verkauft hat, wird sie mit ihrer Funaban, oder einer japanischen Wachtbarke, welche sich hinter jedes ankommende Schiff legt, wieder aus dem Hafen weg und in die offene See begleitet, nachdem Tages vorher der Seegötze Puse oder Bossa mit Schellen-und Cymbelspiel aus dem Tempel, wohin man ihn gleich bei der Ankunft gebracht hatte, wiederum abgeholt und auf die Jonke gestelt worden. Diesen Bossa, ein den Japanern unbekanter Götze, führen die sinesischen Kaufleute und Schiffer mit sich, und thun ihm, wenn sie in Gefahr kommen, viele Gelübde; alle Abend werden, ihm zu Ehren, unter einem klingenden Getöse auf Glökgen und Schüffeln, vergoldete Papiere angezündet und in die See geworfen: auch, nach glüklich volbrachter Reise, und fürnemlich, wenn es ihm etwa angelobet worden, Weijangs oder Comödien bei Nachte auf öffentlichen Gassen gespielt. Auch sagt man, schlachteten sie ihm zum Opfer Schweine und andere Thiere, wovon sie alsdenn das Fleisch selbst verzehrten, außer nur keine Kühe, die sie aus einer Art von heiliger Verehrung nicht essen.
Da übrigens die sinesischen Kaufleute gemeiniglich mit vielen unverkauften Gütern wieder abreisen, so pflegen sie bisweilen auf der See die japanischen Schleichhändler abzu- warten und diesen den Rest ihrer Waaren wohlfeil zu verkaufen, die denn aber öfters von den umher kreuzenden Wachtbarken ertapt und zu Nagasacki dem heiligen Gericht übergeben werden; wie ich denn nicht lange nach meiner Ankunft, nemlich am 29 Nov. 1690 davon ein Exempel sahe, da aus einem Fahrzeuge 11 Personen ergriffen, zur gefänglichen Haft ge- bracht und in wenigen Tagen darnach enthauptet wurden; am 28 December des folgenden Jahrs, um viele andere Beispiele zu übergehn, brachte man auf einmal 23 Personen, da- von man zehn mit dem Schwerdt hinrichtete, und die übrigen kreuzigte, fünf unter ihnen brachte man todt und eingesalzen auf den Richtplaz, welche, als sie gefangen worden, sich den Bauch aufgeschnitten und sich also selbst entleibt hatten.
Noch verdient es, der in der großen Provinz Satzuma zum japanischen Handel zugelassenen und jährlich ankommenden Kaufleute aus den Jnseln Rjuku oder Liquejo zu gedenken. Alle die Jnseln, welche von berührter Provinz Satzuma bis an die Philip- pinen Süd-Westwärts ablaufen, werden bei ihnen mit diesem Namen belegt. Es reden diese Fremdlinge eine verdorbene sinesische Sprache, womit sie ihre Abkunft aus Sina be- zeugen, haben auch unter sich noch viele, die wirklich in Sina gebohren und bei dem lezten Einbruch des Tatarischen Chans in diese Jnseln geflüchtet und von ihren alten Landesleuten zu Mitbürgern aufgenommen sind, mit denen sie außerdem schon durch ihre Schiffarth und
Hand-
Neunt. Kap. Vom Handel der Sineſen auf Japan.
nufakturwaaren anzulegen, und duͤrfen ſie nicht einen einzigen baaren Jtzebo (oder japaniſchen Heller) aus dem Lande mitnehmen.
So bald eine Jonke von der mitgebrachten Ladung ihren beſtimten Theil verkauft hat, wird ſie mit ihrer Funaban, oder einer japaniſchen Wachtbarke, welche ſich hinter jedes ankommende Schiff legt, wieder aus dem Hafen weg und in die offene See begleitet, nachdem Tages vorher der Seegoͤtze Puſe oder Boſſa mit Schellen-und Cymbelſpiel aus dem Tempel, wohin man ihn gleich bei der Ankunft gebracht hatte, wiederum abgeholt und auf die Jonke geſtelt worden. Dieſen Boſſa, ein den Japanern unbekanter Goͤtze, fuͤhren die ſineſiſchen Kaufleute und Schiffer mit ſich, und thun ihm, wenn ſie in Gefahr kommen, viele Geluͤbde; alle Abend werden, ihm zu Ehren, unter einem klingenden Getoͤſe auf Gloͤkgen und Schuͤffeln, vergoldete Papiere angezuͤndet und in die See geworfen: auch, nach gluͤklich volbrachter Reiſe, und fuͤrnemlich, wenn es ihm etwa angelobet worden, Weijangs oder Comoͤdien bei Nachte auf oͤffentlichen Gaſſen geſpielt. Auch ſagt man, ſchlachteten ſie ihm zum Opfer Schweine und andere Thiere, wovon ſie alsdenn das Fleiſch ſelbſt verzehrten, außer nur keine Kuͤhe, die ſie aus einer Art von heiliger Verehrung nicht eſſen.
Da uͤbrigens die ſineſiſchen Kaufleute gemeiniglich mit vielen unverkauften Guͤtern wieder abreiſen, ſo pflegen ſie bisweilen auf der See die japaniſchen Schleichhaͤndler abzu- warten und dieſen den Reſt ihrer Waaren wohlfeil zu verkaufen, die denn aber oͤfters von den umher kreuzenden Wachtbarken ertapt und zu Nagaſacki dem heiligen Gericht uͤbergeben werden; wie ich denn nicht lange nach meiner Ankunft, nemlich am 29 Nov. 1690 davon ein Exempel ſahe, da aus einem Fahrzeuge 11 Perſonen ergriffen, zur gefaͤnglichen Haft ge- bracht und in wenigen Tagen darnach enthauptet wurden; am 28 December des folgenden Jahrs, um viele andere Beiſpiele zu uͤbergehn, brachte man auf einmal 23 Perſonen, da- von man zehn mit dem Schwerdt hinrichtete, und die uͤbrigen kreuzigte, fuͤnf unter ihnen brachte man todt und eingeſalzen auf den Richtplaz, welche, als ſie gefangen worden, ſich den Bauch aufgeſchnitten und ſich alſo ſelbſt entleibt hatten.
Noch verdient es, der in der großen Provinz Satzuma zum japaniſchen Handel zugelaſſenen und jaͤhrlich ankommenden Kaufleute aus den Jnſeln Rjuku oder Liquejo zu gedenken. Alle die Jnſeln, welche von beruͤhrter Provinz Satzuma bis an die Philip- pinen Suͤd-Weſtwaͤrts ablaufen, werden bei ihnen mit dieſem Namen belegt. Es reden dieſe Fremdlinge eine verdorbene ſineſiſche Sprache, womit ſie ihre Abkunft aus Sina be- zeugen, haben auch unter ſich noch viele, die wirklich in Sina gebohren und bei dem lezten Einbruch des Tatariſchen Chans in dieſe Jnſeln gefluͤchtet und von ihren alten Landesleuten zu Mitbuͤrgern aufgenommen ſind, mit denen ſie außerdem ſchon durch ihre Schiffarth und
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[127/0141]
Neunt. Kap. Vom Handel der Sineſen auf Japan.
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Heller) aus dem Lande mitnehmen.
So bald eine Jonke von der mitgebrachten Ladung ihren beſtimten Theil verkauft
hat, wird ſie mit ihrer Funaban, oder einer japaniſchen Wachtbarke, welche ſich hinter
jedes ankommende Schiff legt, wieder aus dem Hafen weg und in die offene See begleitet,
nachdem Tages vorher der Seegoͤtze Puſe oder Boſſa mit Schellen-und Cymbelſpiel aus
dem Tempel, wohin man ihn gleich bei der Ankunft gebracht hatte, wiederum abgeholt und
auf die Jonke geſtelt worden. Dieſen Boſſa, ein den Japanern unbekanter Goͤtze, fuͤhren
die ſineſiſchen Kaufleute und Schiffer mit ſich, und thun ihm, wenn ſie in Gefahr kommen,
viele Geluͤbde; alle Abend werden, ihm zu Ehren, unter einem klingenden Getoͤſe auf
Gloͤkgen und Schuͤffeln, vergoldete Papiere angezuͤndet und in die See geworfen: auch,
nach gluͤklich volbrachter Reiſe, und fuͤrnemlich, wenn es ihm etwa angelobet worden,
Weijangs oder Comoͤdien bei Nachte auf oͤffentlichen Gaſſen geſpielt. Auch ſagt man,
ſchlachteten ſie ihm zum Opfer Schweine und andere Thiere, wovon ſie alsdenn das Fleiſch
ſelbſt verzehrten, außer nur keine Kuͤhe, die ſie aus einer Art von heiliger Verehrung
nicht eſſen.
Da uͤbrigens die ſineſiſchen Kaufleute gemeiniglich mit vielen unverkauften Guͤtern
wieder abreiſen, ſo pflegen ſie bisweilen auf der See die japaniſchen Schleichhaͤndler abzu-
warten und dieſen den Reſt ihrer Waaren wohlfeil zu verkaufen, die denn aber oͤfters von den
umher kreuzenden Wachtbarken ertapt und zu Nagaſacki dem heiligen Gericht uͤbergeben
werden; wie ich denn nicht lange nach meiner Ankunft, nemlich am 29 Nov. 1690 davon ein
Exempel ſahe, da aus einem Fahrzeuge 11 Perſonen ergriffen, zur gefaͤnglichen Haft ge-
bracht und in wenigen Tagen darnach enthauptet wurden; am 28 December des folgenden
Jahrs, um viele andere Beiſpiele zu uͤbergehn, brachte man auf einmal 23 Perſonen, da-
von man zehn mit dem Schwerdt hinrichtete, und die uͤbrigen kreuzigte, fuͤnf unter ihnen
brachte man todt und eingeſalzen auf den Richtplaz, welche, als ſie gefangen worden, ſich
den Bauch aufgeſchnitten und ſich alſo ſelbſt entleibt hatten.
Noch verdient es, der in der großen Provinz Satzuma zum japaniſchen Handel
zugelaſſenen und jaͤhrlich ankommenden Kaufleute aus den Jnſeln Rjuku oder Liquejo zu
gedenken. Alle die Jnſeln, welche von beruͤhrter Provinz Satzuma bis an die Philip-
pinen Suͤd-Weſtwaͤrts ablaufen, werden bei ihnen mit dieſem Namen belegt. Es reden
dieſe Fremdlinge eine verdorbene ſineſiſche Sprache, womit ſie ihre Abkunft aus Sina be-
zeugen, haben auch unter ſich noch viele, die wirklich in Sina gebohren und bei dem lezten
Einbruch des Tatariſchen Chans in dieſe Jnſeln gefluͤchtet und von ihren alten Landesleuten
zu Mitbuͤrgern aufgenommen ſind, mit denen ſie außerdem ſchon durch ihre Schiffarth und
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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