Neuntes Kapitel. Vom Handel der Sinesen auf Japan, und wie man sie hier behandelt.
Die Sinesen haben von je her gewöhnlich ihre Landeswaaren, und sonderlich ihre rohe Seide (die daher auch bei den Griechen und Lateinern den Namen Seres bekom- men) durch die Morgenländische, meistens Ostwärts von Sumatra und Ma- lacca liegende Jnseln und Königreiche verführt, auch sich daselbst niedergelassen, weil, als sie bei dem lezteren Kriege unter die tatarische Bothmäßigkeit geriethen, sie sich den Zwang nicht gefallen lassen wolten, ihre Haare gleich den Tataren abzuscheeren, sondern viel lieber deshalber aus ihrem Lande flohen. Eben so haben sie auch jederzeit nach Japan Handel getrieben, wiewohl es sparsam und mit kleinen Schiffen geschehen muste, weil die Sinesi- schen Reichsgesetze ihren Unterthanen den Besuch fremder Länder und Nationen durchaus nicht erlaubten, daher denn auch nur die Bewohner der Seeküsten und Gränzinsuln die Ge- legenheit nutzen konten, um verborgener Weise und gegen das Gesez zu andern Völkern überzuschiffen. Seit dem indessen unter der neuen tatarischen Regierung des jeztlebenden Kaisers die freie Ausfahrt und Handlung mit fremden Völkern allen Unterthanen verstattet worden, so werden nunmehro auch ihre Waaren häufiger an andere Oerter und besonders in das benachbarte Japan überbracht, weil unter beiden Nationen eine Gemeinschaft der Religion, Schriften, gelehrten Sprache und Wissenschaften herscht die sie für einander duldend und verträglich macht. Ehedem landeten sie in dem Osaccischen und andern be- schwerlichen untiefen Häfen, bis die Portugiesen einen bequemeren bei Nangasacki entdek- ten, in welchen sie nachmals durch eine von den inländischen Kaufleuten ausgewirkte kaiser-
liche
Neuntes Kapitel. Vom Handel der Sineſen auf Japan, und wie man ſie hier behandelt.
Die Sineſen haben von je her gewoͤhnlich ihre Landeswaaren, und ſonderlich ihre rohe Seide (die daher auch bei den Griechen und Lateinern den Namen Seres bekom- men) durch die Morgenlaͤndiſche, meiſtens Oſtwaͤrts von Sumatra und Ma- lacca liegende Jnſeln und Koͤnigreiche verfuͤhrt, auch ſich daſelbſt niedergelaſſen, weil, als ſie bei dem lezteren Kriege unter die tatariſche Bothmaͤßigkeit geriethen, ſie ſich den Zwang nicht gefallen laſſen wolten, ihre Haare gleich den Tataren abzuſcheeren, ſondern viel lieber deshalber aus ihrem Lande flohen. Eben ſo haben ſie auch jederzeit nach Japan Handel getrieben, wiewohl es ſparſam und mit kleinen Schiffen geſchehen muſte, weil die Sineſi- ſchen Reichsgeſetze ihren Unterthanen den Beſuch fremder Laͤnder und Nationen durchaus nicht erlaubten, daher denn auch nur die Bewohner der Seekuͤſten und Graͤnzinſuln die Ge- legenheit nutzen konten, um verborgener Weiſe und gegen das Geſez zu andern Voͤlkern uͤberzuſchiffen. Seit dem indeſſen unter der neuen tatariſchen Regierung des jeztlebenden Kaiſers die freie Ausfahrt und Handlung mit fremden Voͤlkern allen Unterthanen verſtattet worden, ſo werden nunmehro auch ihre Waaren haͤufiger an andere Oerter und beſonders in das benachbarte Japan uͤberbracht, weil unter beiden Nationen eine Gemeinſchaft der Religion, Schriften, gelehrten Sprache und Wiſſenſchaften herſcht die ſie fuͤr einander duldend und vertraͤglich macht. Ehedem landeten ſie in dem Oſacciſchen und andern be- ſchwerlichen untiefen Haͤfen, bis die Portugieſen einen bequemeren bei Nangaſacki entdek- ten, in welchen ſie nachmals durch eine von den inlaͤndiſchen Kaufleuten ausgewirkte kaiſer-
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Neuntes Kapitel.
Vom Handel der Sineſen auf Japan, und wie man
ſie hier behandelt.
Die Sineſen haben von je her gewoͤhnlich ihre Landeswaaren, und ſonderlich ihre rohe
Seide (die daher auch bei den Griechen und Lateinern den Namen Seres bekom-
men) durch die Morgenlaͤndiſche, meiſtens Oſtwaͤrts von Sumatra und Ma-
lacca liegende Jnſeln und Koͤnigreiche verfuͤhrt, auch ſich daſelbſt niedergelaſſen, weil, als
ſie bei dem lezteren Kriege unter die tatariſche Bothmaͤßigkeit geriethen, ſie ſich den Zwang
nicht gefallen laſſen wolten, ihre Haare gleich den Tataren abzuſcheeren, ſondern viel lieber
deshalber aus ihrem Lande flohen. Eben ſo haben ſie auch jederzeit nach Japan Handel
getrieben, wiewohl es ſparſam und mit kleinen Schiffen geſchehen muſte, weil die Sineſi-
ſchen Reichsgeſetze ihren Unterthanen den Beſuch fremder Laͤnder und Nationen durchaus
nicht erlaubten, daher denn auch nur die Bewohner der Seekuͤſten und Graͤnzinſuln die Ge-
legenheit nutzen konten, um verborgener Weiſe und gegen das Geſez zu andern Voͤlkern
uͤberzuſchiffen. Seit dem indeſſen unter der neuen tatariſchen Regierung des jeztlebenden
Kaiſers die freie Ausfahrt und Handlung mit fremden Voͤlkern allen Unterthanen verſtattet
worden, ſo werden nunmehro auch ihre Waaren haͤufiger an andere Oerter und beſonders
in das benachbarte Japan uͤberbracht, weil unter beiden Nationen eine Gemeinſchaft der
Religion, Schriften, gelehrten Sprache und Wiſſenſchaften herſcht die ſie fuͤr einander
duldend und vertraͤglich macht. Ehedem landeten ſie in dem Oſacciſchen und andern be-
ſchwerlichen untiefen Haͤfen, bis die Portugieſen einen bequemeren bei Nangaſacki entdek-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/136>, abgerufen am 22.12.2024.
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