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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Acht. Kap. Nachrichten von dem holländischen Handel in Japan.
ren auf den Rücken gebunden, und ihre Schultern entblöst. Jedem stund sein Büttel zur
Seite, bei den Vordersten ein Gärber, (denn diese Leute verrichten hier gemeiniglich das
Amt der Büttel) bei dem Hintern sein bester Freund, den er nach der Landessitte ersucht
hatte, ihm diesen lezten Liebesdienst zu erweisen. Zwanzig Schritte von diesem Unglüklichen
saßen auf einer Bank die Commissarien, auf einer andern die Secretarien, und noch eine
dritte Bank war für den Herrn Residenten bestimt, der aber nicht erschien. Alle übrige
Zuschauer standen wo sie wollten. Jch hatte mich, mit meinem japanischen Bedienten,
dicht hinter den lezten Sünder gestelt, wo ich, unterdes man die übrigen Holländer herbei-
holte, einen artigen Discours unter den beiden Delinquenten anhörte. Der ältere und
vorderste nemlich bätete murmelnd sein Quanwon jo (ein Gebät zu dem hunderthändigen
Briareus,
auf japanisch Quanwon, das aus Fatzno maki genommen ist, dem achten
Theil des großen Buchs Fake Kjo, das aus 48 Büchern besteht,) darüber bestrafte ihn
der jüngere und hinterste mit diesen Worten: Jhr soltet euch auch schämen, daß ihr
euch so furchtsam anstelt.
Der Aeltere: "Ey nun, ich bäte nur ein wenig." Der
Jüngere: "Zum Bäten habt ihr vorhin Zeit genug gehabt, jezt dient es zu nichts als
"euch wegen eurer Feigheit schamroth zu machen, wenn sie die Holländer bemerken." Hier-
auf wurde der Alte auch stil.

Jn dem Augenblik, da die übrigen Holländer auf den Platz traten, hieb jeder
Büttel seinem Mann mit einem kurzen Säbel den Kopf ab, daß beide zugleich vor sich über-
fielen. Die Körper wurden jeder in eine grobe Schilfmatte und die Köpfe zusammen in
eine dritte gewunden und von der Jnsel nach dem Galgenfelde bei einem vor der Stadt lie-
genden Dorf Mangome gebracht. Hier versuchen die jungen Leute, wie man mir sagt,
die Schärfe ihrer Schwerdter so lange an den Körpern, bis sie ganz in kleine Stücke von
eines halben Fingers Länge zerhauen sind, da es dann erlaubt ist sie zu begraben. Die
Köpfe aber werden zum öffentlichen Schrecken sieben Tage lang auf Pfählen aufgestelt. Der
übrige Zug marschierte in voriger Ordnung wieder ab. Unser Resident gieng auf der Kreuz-
gasse den Commissarien und hernach auch den Secretairs entgegen, dankte für die gehabte
Bemühung und lud sie sehr freundlich auf eine Pfeiffe Toback ein. Er bekam aber dagegen
einen harten Verweis und die Warnung, er solle nur sorgen, daß künftig seinen Untergeb-
nen nicht ein Gleiches begegne. Dies war das erstemal, daß unsre Jnsel mit Menschen-
blut besprüzt und eingeweihet wurde.



Neun-
Zweiter Band. Q

Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan.
ren auf den Ruͤcken gebunden, und ihre Schultern entbloͤſt. Jedem ſtund ſein Buͤttel zur
Seite, bei den Vorderſten ein Gaͤrber, (denn dieſe Leute verrichten hier gemeiniglich das
Amt der Buͤttel) bei dem Hintern ſein beſter Freund, den er nach der Landesſitte erſucht
hatte, ihm dieſen lezten Liebesdienſt zu erweiſen. Zwanzig Schritte von dieſem Ungluͤklichen
ſaßen auf einer Bank die Commiſſarien, auf einer andern die Secretarien, und noch eine
dritte Bank war fuͤr den Herrn Reſidenten beſtimt, der aber nicht erſchien. Alle uͤbrige
Zuſchauer ſtanden wo ſie wollten. Jch hatte mich, mit meinem japaniſchen Bedienten,
dicht hinter den lezten Suͤnder geſtelt, wo ich, unterdes man die uͤbrigen Hollaͤnder herbei-
holte, einen artigen Diſcours unter den beiden Delinquenten anhoͤrte. Der aͤltere und
vorderſte nemlich baͤtete murmelnd ſein Quanwon jo (ein Gebaͤt zu dem hunderthaͤndigen
Briareus,
auf japaniſch Quanwon, das aus Fatzno maki genommen iſt, dem achten
Theil des großen Buchs Fake Kjo, das aus 48 Buͤchern beſteht,) daruͤber beſtrafte ihn
der juͤngere und hinterſte mit dieſen Worten: Jhr ſoltet euch auch ſchaͤmen, daß ihr
euch ſo furchtſam anſtelt.
Der Aeltere: „Ey nun, ich baͤte nur ein wenig.‟ Der
Juͤngere: „Zum Baͤten habt ihr vorhin Zeit genug gehabt, jezt dient es zu nichts als
„euch wegen eurer Feigheit ſchamroth zu machen, wenn ſie die Hollaͤnder bemerken.‟ Hier-
auf wurde der Alte auch ſtil.

Jn dem Augenblik, da die uͤbrigen Hollaͤnder auf den Platz traten, hieb jeder
Buͤttel ſeinem Mann mit einem kurzen Saͤbel den Kopf ab, daß beide zugleich vor ſich uͤber-
fielen. Die Koͤrper wurden jeder in eine grobe Schilfmatte und die Koͤpfe zuſammen in
eine dritte gewunden und von der Jnſel nach dem Galgenfelde bei einem vor der Stadt lie-
genden Dorf Mangome gebracht. Hier verſuchen die jungen Leute, wie man mir ſagt,
die Schaͤrfe ihrer Schwerdter ſo lange an den Koͤrpern, bis ſie ganz in kleine Stuͤcke von
eines halben Fingers Laͤnge zerhauen ſind, da es dann erlaubt iſt ſie zu begraben. Die
Koͤpfe aber werden zum oͤffentlichen Schrecken ſieben Tage lang auf Pfaͤhlen aufgeſtelt. Der
uͤbrige Zug marſchierte in voriger Ordnung wieder ab. Unſer Reſident gieng auf der Kreuz-
gaſſe den Commiſſarien und hernach auch den Secretairs entgegen, dankte fuͤr die gehabte
Bemuͤhung und lud ſie ſehr freundlich auf eine Pfeiffe Toback ein. Er bekam aber dagegen
einen harten Verweis und die Warnung, er ſolle nur ſorgen, daß kuͤnftig ſeinen Untergeb-
nen nicht ein Gleiches begegne. Dies war das erſtemal, daß unſre Jnſel mit Menſchen-
blut beſpruͤzt und eingeweihet wurde.



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Zweiter Band. Q
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[121/0135] Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. ren auf den Ruͤcken gebunden, und ihre Schultern entbloͤſt. Jedem ſtund ſein Buͤttel zur Seite, bei den Vorderſten ein Gaͤrber, (denn dieſe Leute verrichten hier gemeiniglich das Amt der Buͤttel) bei dem Hintern ſein beſter Freund, den er nach der Landesſitte erſucht hatte, ihm dieſen lezten Liebesdienſt zu erweiſen. Zwanzig Schritte von dieſem Ungluͤklichen ſaßen auf einer Bank die Commiſſarien, auf einer andern die Secretarien, und noch eine dritte Bank war fuͤr den Herrn Reſidenten beſtimt, der aber nicht erſchien. Alle uͤbrige Zuſchauer ſtanden wo ſie wollten. Jch hatte mich, mit meinem japaniſchen Bedienten, dicht hinter den lezten Suͤnder geſtelt, wo ich, unterdes man die uͤbrigen Hollaͤnder herbei- holte, einen artigen Diſcours unter den beiden Delinquenten anhoͤrte. Der aͤltere und vorderſte nemlich baͤtete murmelnd ſein Quanwon jo (ein Gebaͤt zu dem hunderthaͤndigen Briareus, auf japaniſch Quanwon, das aus Fatzno maki genommen iſt, dem achten Theil des großen Buchs Fake Kjo, das aus 48 Buͤchern beſteht,) daruͤber beſtrafte ihn der juͤngere und hinterſte mit dieſen Worten: Jhr ſoltet euch auch ſchaͤmen, daß ihr euch ſo furchtſam anſtelt. Der Aeltere: „Ey nun, ich baͤte nur ein wenig.‟ Der Juͤngere: „Zum Baͤten habt ihr vorhin Zeit genug gehabt, jezt dient es zu nichts als „euch wegen eurer Feigheit ſchamroth zu machen, wenn ſie die Hollaͤnder bemerken.‟ Hier- auf wurde der Alte auch ſtil. Jn dem Augenblik, da die uͤbrigen Hollaͤnder auf den Platz traten, hieb jeder Buͤttel ſeinem Mann mit einem kurzen Saͤbel den Kopf ab, daß beide zugleich vor ſich uͤber- fielen. Die Koͤrper wurden jeder in eine grobe Schilfmatte und die Koͤpfe zuſammen in eine dritte gewunden und von der Jnſel nach dem Galgenfelde bei einem vor der Stadt lie- genden Dorf Mangome gebracht. Hier verſuchen die jungen Leute, wie man mir ſagt, die Schaͤrfe ihrer Schwerdter ſo lange an den Koͤrpern, bis ſie ganz in kleine Stuͤcke von eines halben Fingers Laͤnge zerhauen ſind, da es dann erlaubt iſt ſie zu begraben. Die Koͤpfe aber werden zum oͤffentlichen Schrecken ſieben Tage lang auf Pfaͤhlen aufgeſtelt. Der uͤbrige Zug marſchierte in voriger Ordnung wieder ab. Unſer Reſident gieng auf der Kreuz- gaſſe den Commiſſarien und hernach auch den Secretairs entgegen, dankte fuͤr die gehabte Bemuͤhung und lud ſie ſehr freundlich auf eine Pfeiffe Toback ein. Er bekam aber dagegen einen harten Verweis und die Warnung, er ſolle nur ſorgen, daß kuͤnftig ſeinen Untergeb- nen nicht ein Gleiches begegne. Dies war das erſtemal, daß unſre Jnſel mit Menſchen- blut beſpruͤzt und eingeweihet wurde. Neun- Zweiter Band. Q

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/135>, abgerufen am 24.11.2024.