Nachmittags kamen wir noch glüklich auf der Rhede von Siam an, und ließen gegen Abend, nach der Ablösung von fünf Kanonenschüssen, unsre Anker fallen, in einer Gegend, wo die Mündung des Meinam gerade gegen Norden, drei Meilen von uns ent- fernt war. Vor uns sahn wir hier an beiden Ufern des Flusses niedrig gebüschichtes Land, zur Rechten Berge, zur Linken die See.
Den 7ten Jun. segelten wir in Geselschaft der Herren Gudward und van Lohn mit gutem Winde auf die Mündung des Flusses zu, über einen sehr schlammichten Meer- grund und verschiedne Leimbänke. Wir fanden in dieser Gegend viele kleine Fischerkähne, nebst verschiednen Anzeigen der Tiefe für die Schiffe, welche zuweilen den Strom hinauf- fahren. Hart an der Mündung desselben sahn wir eine Menge sinesische und andre Jun- ken liegen, vor denen wir kaum unsre eignen Masten sehen konten. An der Mündung sind einige breite Landspitzen, die aber aus bloßem Schlam bestehn, und bei hohem Wasser völlig überschwemt werden. Zu beiden Seiten sieht man auch einige Schanzen, auf die man Kanonen pflanzen kan. Bei Gelegenheit der neulichen französischen Unruhen hatte man an verschiednen Stellen des Flusses dergleichen Schanzen aufgeworfen. Wir kamen gegen Mit- tag in unsrer Faktorei Amsterdam an, die eine Meile von der Mündung liegt, und wur- den von dem daselbst residirenden Commandanten, der Core hies, und ein Schwede von Geburt war, mit vieler Höflichkeit empfangen.
Den 8ten Jun. versuchte ich es, so wie schon vorigen Abend, im Walde herumzu- gehn und siamische Kräuter zu suchen, welches immer eine Hauptbeschäftigung für mich auf allen meinen Reisen war. Jch konte aber doch meine Wisbegierde hierin nicht hinlänglich befriedigen, weil ein großer Theil des Waldes unter Wasser stand, und der übrige durch Tiger und andre wilde Thiere sehr unsicher gemacht wurde. Jch fand nur verschiedne Gat- tungen Farnkraut, worunter auch verschiedne europäische waren, einige gramina cype- roidea, eine sehr schöne alcea frutescens, nebst verschiednen andern Pflanzen, welche ich besonders beschrieben habe. Ein alter, der Kräuter sehr kundiger Man, versicherte mich, daß der anacardus um Bankok sehr häufig wachse. -- Unsre Schuyte wurde heute wieder an Bord geschikt, um vier Kisten Geld von dort abzuholen.
Den 9ten Jun. giengen wir mit unsrer Schaluppe den Flus hinauf, und belustig- ten uns mit Schießen der Affen, welche sich in Menge am Ufer und auf den Bäumen be- finden. Abends spät kamen wir die Festung Bankok vorbei, wo die von den Franzosen rechter Hand aufgeführte Schanze nunmehr zerstöhrt war. Wir lagen hier einen guten Theil der Nacht über vor Anker.
Den 10ten sezten wir unsre Reise noch vor Tage weiter fort. Das Ufer wurde nun anmuthiger, und war nach und nach mehr mit Häusern und Dörfern besezt. Jch ha- be die Namen der verschiednen Orte in meiner Charte angezeigt, welche ich diesesmal im
Hin-
C 2
Erſt. Kap. Reiſe von Batavia nach Siam.
Ankunft in Siam.
Nachmittags kamen wir noch gluͤklich auf der Rhede von Siam an, und ließen gegen Abend, nach der Abloͤſung von fuͤnf Kanonenſchuͤſſen, unſre Anker fallen, in einer Gegend, wo die Muͤndung des Meinam gerade gegen Norden, drei Meilen von uns ent- fernt war. Vor uns ſahn wir hier an beiden Ufern des Fluſſes niedrig gebuͤſchichtes Land, zur Rechten Berge, zur Linken die See.
Den 7ten Jun. ſegelten wir in Geſelſchaft der Herren Gudward und van Lohn mit gutem Winde auf die Muͤndung des Fluſſes zu, uͤber einen ſehr ſchlammichten Meer- grund und verſchiedne Leimbaͤnke. Wir fanden in dieſer Gegend viele kleine Fiſcherkaͤhne, nebſt verſchiednen Anzeigen der Tiefe fuͤr die Schiffe, welche zuweilen den Strom hinauf- fahren. Hart an der Muͤndung deſſelben ſahn wir eine Menge ſineſiſche und andre Jun- ken liegen, vor denen wir kaum unſre eignen Maſten ſehen konten. An der Muͤndung ſind einige breite Landſpitzen, die aber aus bloßem Schlam beſtehn, und bei hohem Waſſer voͤllig uͤberſchwemt werden. Zu beiden Seiten ſieht man auch einige Schanzen, auf die man Kanonen pflanzen kan. Bei Gelegenheit der neulichen franzoͤſiſchen Unruhen hatte man an verſchiednen Stellen des Fluſſes dergleichen Schanzen aufgeworfen. Wir kamen gegen Mit- tag in unſrer Faktorei Amſterdam an, die eine Meile von der Muͤndung liegt, und wur- den von dem daſelbſt reſidirenden Commandanten, der Core hies, und ein Schwede von Geburt war, mit vieler Hoͤflichkeit empfangen.
Den 8ten Jun. verſuchte ich es, ſo wie ſchon vorigen Abend, im Walde herumzu- gehn und ſiamiſche Kraͤuter zu ſuchen, welches immer eine Hauptbeſchaͤftigung fuͤr mich auf allen meinen Reiſen war. Jch konte aber doch meine Wisbegierde hierin nicht hinlaͤnglich befriedigen, weil ein großer Theil des Waldes unter Waſſer ſtand, und der uͤbrige durch Tiger und andre wilde Thiere ſehr unſicher gemacht wurde. Jch fand nur verſchiedne Gat- tungen Farnkraut, worunter auch verſchiedne europaͤiſche waren, einige gramina cype- roidea, eine ſehr ſchoͤne alcea fruteſcens, nebſt verſchiednen andern Pflanzen, welche ich beſonders beſchrieben habe. Ein alter, der Kraͤuter ſehr kundiger Man, verſicherte mich, daß der anacardus um Bankok ſehr haͤufig wachſe. — Unſre Schuyte wurde heute wieder an Bord geſchikt, um vier Kiſten Geld von dort abzuholen.
Den 9ten Jun. giengen wir mit unſrer Schaluppe den Flus hinauf, und beluſtig- ten uns mit Schießen der Affen, welche ſich in Menge am Ufer und auf den Baͤumen be- finden. Abends ſpaͤt kamen wir die Feſtung Bankok vorbei, wo die von den Franzoſen rechter Hand aufgefuͤhrte Schanze nunmehr zerſtoͤhrt war. Wir lagen hier einen guten Theil der Nacht uͤber vor Anker.
Den 10ten ſezten wir unſre Reiſe noch vor Tage weiter fort. Das Ufer wurde nun anmuthiger, und war nach und nach mehr mit Haͤuſern und Doͤrfern beſezt. Jch ha- be die Namen der verſchiednen Orte in meiner Charte angezeigt, welche ich dieſesmal im
Hin-
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbn="19"facs="#f0093"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Erſt. Kap. Reiſe von Batavia nach Siam.</hi></fw><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Ankunft in Siam.</hi></head><lb/><p>Nachmittags kamen wir noch gluͤklich auf der Rhede von Siam an, und ließen<lb/>
gegen Abend, nach der Abloͤſung von fuͤnf Kanonenſchuͤſſen, unſre Anker fallen, in einer<lb/>
Gegend, wo die Muͤndung des <hirendition="#fr">Meinam</hi> gerade gegen Norden, drei Meilen von uns ent-<lb/>
fernt war. Vor uns ſahn wir hier an beiden Ufern des Fluſſes niedrig gebuͤſchichtes Land,<lb/>
zur Rechten Berge, zur Linken die See.</p><lb/><p>Den 7ten Jun. ſegelten wir in Geſelſchaft der Herren <hirendition="#fr">Gudward</hi> und van <hirendition="#fr">Lohn</hi><lb/>
mit gutem Winde auf die Muͤndung des Fluſſes zu, uͤber einen ſehr ſchlammichten Meer-<lb/>
grund und verſchiedne Leimbaͤnke. Wir fanden in dieſer Gegend viele kleine Fiſcherkaͤhne,<lb/>
nebſt verſchiednen Anzeigen der Tiefe fuͤr die Schiffe, welche zuweilen den Strom hinauf-<lb/>
fahren. Hart an der Muͤndung deſſelben ſahn wir eine Menge ſineſiſche und andre Jun-<lb/>
ken liegen, vor denen wir kaum unſre eignen Maſten ſehen konten. An der Muͤndung ſind<lb/>
einige breite Landſpitzen, die aber aus bloßem Schlam beſtehn, und bei hohem Waſſer<lb/>
voͤllig uͤberſchwemt werden. Zu beiden Seiten ſieht man auch einige Schanzen, auf die man<lb/>
Kanonen pflanzen kan. Bei Gelegenheit der neulichen franzoͤſiſchen Unruhen hatte man an<lb/>
verſchiednen Stellen des Fluſſes dergleichen Schanzen aufgeworfen. Wir kamen gegen Mit-<lb/>
tag in unſrer Faktorei <hirendition="#fr">Amſterdam</hi> an, die eine Meile von der Muͤndung liegt, und wur-<lb/>
den von dem daſelbſt reſidirenden Commandanten, der <hirendition="#fr">Core</hi> hies, und ein Schwede von<lb/>
Geburt war, mit vieler Hoͤflichkeit empfangen.</p><lb/><p>Den 8ten Jun. verſuchte ich es, ſo wie ſchon vorigen Abend, im Walde herumzu-<lb/>
gehn und ſiamiſche Kraͤuter zu ſuchen, welches immer eine Hauptbeſchaͤftigung fuͤr mich auf<lb/>
allen meinen Reiſen war. Jch konte aber doch meine Wisbegierde hierin nicht hinlaͤnglich<lb/>
befriedigen, weil ein großer Theil des Waldes unter Waſſer ſtand, und der uͤbrige durch<lb/>
Tiger und andre wilde Thiere ſehr unſicher gemacht wurde. Jch fand nur verſchiedne Gat-<lb/>
tungen Farnkraut, worunter auch verſchiedne europaͤiſche waren, einige <hirendition="#aq">gramina cype-<lb/>
roidea,</hi> eine ſehr ſchoͤne <hirendition="#aq">alcea fruteſcens,</hi> nebſt verſchiednen andern Pflanzen, welche<lb/>
ich beſonders beſchrieben habe. Ein alter, der Kraͤuter ſehr kundiger Man, verſicherte<lb/>
mich, daß der <hirendition="#aq">anacardus</hi> um <hirendition="#fr">Bankok</hi>ſehr haͤufig wachſe. — Unſre Schuyte wurde<lb/>
heute wieder an Bord geſchikt, um vier Kiſten Geld von dort abzuholen.</p><lb/><p>Den 9ten Jun. giengen wir mit unſrer Schaluppe den Flus hinauf, und beluſtig-<lb/>
ten uns mit Schießen der Affen, welche ſich in Menge am Ufer und auf den Baͤumen be-<lb/>
finden. Abends ſpaͤt kamen wir die Feſtung <hirendition="#fr">Bankok</hi> vorbei, wo die von den Franzoſen<lb/>
rechter Hand aufgefuͤhrte Schanze nunmehr zerſtoͤhrt war. Wir lagen hier einen guten<lb/>
Theil der Nacht uͤber vor Anker.</p><lb/><p>Den 10ten ſezten wir unſre Reiſe noch vor Tage weiter fort. Das Ufer wurde<lb/>
nun anmuthiger, und war nach und nach mehr mit Haͤuſern und Doͤrfern beſezt. Jch ha-<lb/>
be die Namen der verſchiednen Orte in meiner Charte angezeigt, welche ich dieſesmal im<lb/><fwtype="sig"place="bottom">C 2</fw><fwtype="catch"place="bottom">Hin-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0093]
Erſt. Kap. Reiſe von Batavia nach Siam.
Ankunft in Siam.
Nachmittags kamen wir noch gluͤklich auf der Rhede von Siam an, und ließen
gegen Abend, nach der Abloͤſung von fuͤnf Kanonenſchuͤſſen, unſre Anker fallen, in einer
Gegend, wo die Muͤndung des Meinam gerade gegen Norden, drei Meilen von uns ent-
fernt war. Vor uns ſahn wir hier an beiden Ufern des Fluſſes niedrig gebuͤſchichtes Land,
zur Rechten Berge, zur Linken die See.
Den 7ten Jun. ſegelten wir in Geſelſchaft der Herren Gudward und van Lohn
mit gutem Winde auf die Muͤndung des Fluſſes zu, uͤber einen ſehr ſchlammichten Meer-
grund und verſchiedne Leimbaͤnke. Wir fanden in dieſer Gegend viele kleine Fiſcherkaͤhne,
nebſt verſchiednen Anzeigen der Tiefe fuͤr die Schiffe, welche zuweilen den Strom hinauf-
fahren. Hart an der Muͤndung deſſelben ſahn wir eine Menge ſineſiſche und andre Jun-
ken liegen, vor denen wir kaum unſre eignen Maſten ſehen konten. An der Muͤndung ſind
einige breite Landſpitzen, die aber aus bloßem Schlam beſtehn, und bei hohem Waſſer
voͤllig uͤberſchwemt werden. Zu beiden Seiten ſieht man auch einige Schanzen, auf die man
Kanonen pflanzen kan. Bei Gelegenheit der neulichen franzoͤſiſchen Unruhen hatte man an
verſchiednen Stellen des Fluſſes dergleichen Schanzen aufgeworfen. Wir kamen gegen Mit-
tag in unſrer Faktorei Amſterdam an, die eine Meile von der Muͤndung liegt, und wur-
den von dem daſelbſt reſidirenden Commandanten, der Core hies, und ein Schwede von
Geburt war, mit vieler Hoͤflichkeit empfangen.
Den 8ten Jun. verſuchte ich es, ſo wie ſchon vorigen Abend, im Walde herumzu-
gehn und ſiamiſche Kraͤuter zu ſuchen, welches immer eine Hauptbeſchaͤftigung fuͤr mich auf
allen meinen Reiſen war. Jch konte aber doch meine Wisbegierde hierin nicht hinlaͤnglich
befriedigen, weil ein großer Theil des Waldes unter Waſſer ſtand, und der uͤbrige durch
Tiger und andre wilde Thiere ſehr unſicher gemacht wurde. Jch fand nur verſchiedne Gat-
tungen Farnkraut, worunter auch verſchiedne europaͤiſche waren, einige gramina cype-
roidea, eine ſehr ſchoͤne alcea fruteſcens, nebſt verſchiednen andern Pflanzen, welche
ich beſonders beſchrieben habe. Ein alter, der Kraͤuter ſehr kundiger Man, verſicherte
mich, daß der anacardus um Bankok ſehr haͤufig wachſe. — Unſre Schuyte wurde
heute wieder an Bord geſchikt, um vier Kiſten Geld von dort abzuholen.
Den 9ten Jun. giengen wir mit unſrer Schaluppe den Flus hinauf, und beluſtig-
ten uns mit Schießen der Affen, welche ſich in Menge am Ufer und auf den Baͤumen be-
finden. Abends ſpaͤt kamen wir die Feſtung Bankok vorbei, wo die von den Franzoſen
rechter Hand aufgefuͤhrte Schanze nunmehr zerſtoͤhrt war. Wir lagen hier einen guten
Theil der Nacht uͤber vor Anker.
Den 10ten ſezten wir unſre Reiſe noch vor Tage weiter fort. Das Ufer wurde
nun anmuthiger, und war nach und nach mehr mit Haͤuſern und Doͤrfern beſezt. Jch ha-
be die Namen der verſchiednen Orte in meiner Charte angezeigt, welche ich dieſesmal im
Hin-
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/93>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.