Ohngefehr um 1 Uhr nach Mitternacht lichteten wir unsre Anker, und erblikten den 9ten gegen Morgen die sogenanten tausend Eilande, etwa in der Entfernung von andert- halb Meilen vor uns. Wir sahn hier auch das hohe Land Lampon auf der Jnsel Suma- tra, welche wir vor sieben Monaten, als wir von Atsyn nach Batavia fuhren, so lang zu unserm großen Verdrus im Gesichte hatten. Der Wind war veränderlich, mei- stens aber Süd; so daß wir beinahe den halben Tag zubrachten, ehe wir die Jnsel Nor- derwacht, welche gerade vor uns lag, zur Seite bekommen konten. Nach Sonnenun- tergang hatten wir weiter Südwind, der wie ein gelinder Passatwind wehte; wir segelten also die ganze Nacht und rükten ziemlich fort.
Den 10ten war der Himmel ganz bewölkt, und der Wind Ost-Süd-Ost. Wir fuhren den ganzen Tag nordwärts fort, ohne Land und Jnseln zu sehn, außer den höchsten Spitzen der sumatrischen Berge, die uns aber doch wegen trüben Himmels nur sehr un- deutlich erschienen. Gegen Abend spät ließen wir unsre Anker auf sechs Faden Tiefe fallen, weil wir befürchteten, dem Lande zu nahe zu kommen, welches wir des Abends von dem Obermastbaum ziemlich deutlich bemerkten, und für die Jnsel Lucipara hielten, welche gleich vor der Meerenge oder Straße von Banka liegt.
Den 11ten Morgens lichteten wir wieder unsre Anker, aber vergebens, weil sich schon sehr bald der Wind wieder legte. Wir musten also bis ohngefehr zwei Stunden nach Sonnenuntergang stil liegen. Alsdann aber fuhren wir mit einem gelinden Südwinde nordwärts zwischen der Jnsel Lucipara, welche uns rechts in der Entfernung von etwa an- derthalb Meilen lag, und dem festen waldichten Lande von Sumatra durch, nach der Straße von Banka zu.
Jch wil hier überhaupt bemerken, daß die ganze Reise von Batavia nach Siam durch die vielen Jnseln, Sandbänke und verborgne Felsen sehr gefährlich und mühsam werde. Ein kluger Steurman mus sich daher sehr wohl in acht nehmen, daß er sich nie- malen zu weit von den Küsten entferne, und sobald sich ein starker Wind erhebt, welches oft geschieht, die Anker fallen lasse, sobald er nur Grund findet, weil sonst das Schif leicht auf das Land oder verborgene Sandbänke getrieben werden kan. Aus diesem Grunde lie- gen gemeiniglich die Schiffe auf diesem Wege Nachts vor Anker, besonders wenn man des Abends zuvor Land gesehn, oder doch Merkmale hat, daß es nicht weit entfernt sey. Der gefährlichste Theil des ganzen Wegs aber ist die erwähnte Straße oder Meerenge von Banka, welche durch die Jnsel dieses Namens und die Küsten von Sumatra gebildet wird. Diese Küsten sind ganz eben, ohne Hügel und Berge, aber sehr waldicht. Die Jnsel Banka dagegen hat einen ganz unebnen und zerrissenen Boden, der bald bergicht und steinigt, bald niedrig und tief ist. Die Erde ist sehr grün, und, wie es scheint, un- gemein fruchthar.
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Ohngefehr um 1 Uhr nach Mitternacht lichteten wir unſre Anker, und erblikten den 9ten gegen Morgen die ſogenanten tauſend Eilande, etwa in der Entfernung von andert- halb Meilen vor uns. Wir ſahn hier auch das hohe Land Lampon auf der Jnſel Suma- tra, welche wir vor ſieben Monaten, als wir von Atſyn nach Batavia fuhren, ſo lang zu unſerm großen Verdrus im Geſichte hatten. Der Wind war veraͤnderlich, mei- ſtens aber Suͤd; ſo daß wir beinahe den halben Tag zubrachten, ehe wir die Jnſel Nor- derwacht, welche gerade vor uns lag, zur Seite bekommen konten. Nach Sonnenun- tergang hatten wir weiter Suͤdwind, der wie ein gelinder Paſſatwind wehte; wir ſegelten alſo die ganze Nacht und ruͤkten ziemlich fort.
Den 10ten war der Himmel ganz bewoͤlkt, und der Wind Oſt-Suͤd-Oſt. Wir fuhren den ganzen Tag nordwaͤrts fort, ohne Land und Jnſeln zu ſehn, außer den hoͤchſten Spitzen der ſumatriſchen Berge, die uns aber doch wegen truͤben Himmels nur ſehr un- deutlich erſchienen. Gegen Abend ſpaͤt ließen wir unſre Anker auf ſechs Faden Tiefe fallen, weil wir befuͤrchteten, dem Lande zu nahe zu kommen, welches wir des Abends von dem Obermaſtbaum ziemlich deutlich bemerkten, und fuͤr die Jnſel Lucipara hielten, welche gleich vor der Meerenge oder Straße von Banka liegt.
Den 11ten Morgens lichteten wir wieder unſre Anker, aber vergebens, weil ſich ſchon ſehr bald der Wind wieder legte. Wir muſten alſo bis ohngefehr zwei Stunden nach Sonnenuntergang ſtil liegen. Alsdann aber fuhren wir mit einem gelinden Suͤdwinde nordwaͤrts zwiſchen der Jnſel Lucipara, welche uns rechts in der Entfernung von etwa an- derthalb Meilen lag, und dem feſten waldichten Lande von Sumatra durch, nach der Straße von Banka zu.
Jch wil hier uͤberhaupt bemerken, daß die ganze Reiſe von Batavia nach Siam durch die vielen Jnſeln, Sandbaͤnke und verborgne Felſen ſehr gefaͤhrlich und muͤhſam werde. Ein kluger Steurman mus ſich daher ſehr wohl in acht nehmen, daß er ſich nie- malen zu weit von den Kuͤſten entferne, und ſobald ſich ein ſtarker Wind erhebt, welches oft geſchieht, die Anker fallen laſſe, ſobald er nur Grund findet, weil ſonſt das Schif leicht auf das Land oder verborgene Sandbaͤnke getrieben werden kan. Aus dieſem Grunde lie- gen gemeiniglich die Schiffe auf dieſem Wege Nachts vor Anker, beſonders wenn man des Abends zuvor Land geſehn, oder doch Merkmale hat, daß es nicht weit entfernt ſey. Der gefaͤhrlichſte Theil des ganzen Wegs aber iſt die erwaͤhnte Straße oder Meerenge von Banka, welche durch die Jnſel dieſes Namens und die Kuͤſten von Sumatra gebildet wird. Dieſe Kuͤſten ſind ganz eben, ohne Huͤgel und Berge, aber ſehr waldicht. Die Jnſel Banka dagegen hat einen ganz unebnen und zerriſſenen Boden, der bald bergicht und ſteinigt, bald niedrig und tief iſt. Die Erde iſt ſehr gruͤn, und, wie es ſcheint, un- gemein fruchthar.
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Ohngefehr um 1 Uhr nach Mitternacht lichteten wir unſre Anker, und erblikten den
9ten gegen Morgen die ſogenanten tauſend Eilande, etwa in der Entfernung von andert-
halb Meilen vor uns. Wir ſahn hier auch das hohe Land Lampon auf der Jnſel Suma-
tra, welche wir vor ſieben Monaten, als wir von Atſyn nach Batavia fuhren, ſo
lang zu unſerm großen Verdrus im Geſichte hatten. Der Wind war veraͤnderlich, mei-
ſtens aber Suͤd; ſo daß wir beinahe den halben Tag zubrachten, ehe wir die Jnſel Nor-
derwacht, welche gerade vor uns lag, zur Seite bekommen konten. Nach Sonnenun-
tergang hatten wir weiter Suͤdwind, der wie ein gelinder Paſſatwind wehte; wir ſegelten
alſo die ganze Nacht und ruͤkten ziemlich fort.
Den 10ten war der Himmel ganz bewoͤlkt, und der Wind Oſt-Suͤd-Oſt. Wir
fuhren den ganzen Tag nordwaͤrts fort, ohne Land und Jnſeln zu ſehn, außer den hoͤchſten
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deutlich erſchienen. Gegen Abend ſpaͤt ließen wir unſre Anker auf ſechs Faden Tiefe fallen,
weil wir befuͤrchteten, dem Lande zu nahe zu kommen, welches wir des Abends von dem
Obermaſtbaum ziemlich deutlich bemerkten, und fuͤr die Jnſel Lucipara hielten, welche
gleich vor der Meerenge oder Straße von Banka liegt.
Den 11ten Morgens lichteten wir wieder unſre Anker, aber vergebens, weil ſich
ſchon ſehr bald der Wind wieder legte. Wir muſten alſo bis ohngefehr zwei Stunden nach
Sonnenuntergang ſtil liegen. Alsdann aber fuhren wir mit einem gelinden Suͤdwinde
nordwaͤrts zwiſchen der Jnſel Lucipara, welche uns rechts in der Entfernung von etwa an-
derthalb Meilen lag, und dem feſten waldichten Lande von Sumatra durch, nach der
Straße von Banka zu.
Jch wil hier uͤberhaupt bemerken, daß die ganze Reiſe von Batavia nach Siam
durch die vielen Jnſeln, Sandbaͤnke und verborgne Felſen ſehr gefaͤhrlich und muͤhſam
werde. Ein kluger Steurman mus ſich daher ſehr wohl in acht nehmen, daß er ſich nie-
malen zu weit von den Kuͤſten entferne, und ſobald ſich ein ſtarker Wind erhebt, welches
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auf das Land oder verborgene Sandbaͤnke getrieben werden kan. Aus dieſem Grunde lie-
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Banka, welche durch die Jnſel dieſes Namens und die Kuͤſten von Sumatra gebildet
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Jnſel Banka dagegen hat einen ganz unebnen und zerriſſenen Boden, der bald bergicht
und ſteinigt, bald niedrig und tief iſt. Die Erde iſt ſehr gruͤn, und, wie es ſcheint, un-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/80>, abgerufen am 16.07.2024.
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