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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Fünft. Kap. Von den Jammabos oder Bergpriestern etc.
Schüler in Physik und Chirurgie war. Dieser war auch vorher bey diesen Professoren der
Zauberey in die Schule gegangen. Ehe er zu den Geheimnissen zugelassen wurde, muste
er vorher eine sechstägige Probe ausstehn. Er durfte während derselben nichts genießen,
was gelebt hatte, und muste sich nur mit Kräutern und Reis behelfen. Ferner muste er sich
täglich siebenmal in kaltem Wasser abwaschen, auch 780 mal auf den Knien und Fersen
niedersitzen und sich wieder aufrichten, zugleich auch beide Hände zusammengeschlossen über
das Haupt empor heben. Dies leztere Auf-und Niedersitzen war ihm das härteste. Denn
wenn er sich zwei bis dreihundert mal auf und nieder gerichtet hatte, war ihm der Schweis
den Rücken hinab gelaufen, und er fand sich so ermüdet, daß er in den lezten Tagen seinen
Meistern gern entlaufen wäre, wenn er nicht als ein junger, starker und gesunder Mensch
mehr aus Scham als aus Liebe zur Kunst und den Geheimnissen doch die Probe ausge-
halten hätte.*)

"Soweit von den Jammabos. Es giebt nun außer denselben noch eine Menge
"religiöser Geselschaften und Orden in diesem Lande. Eine eben so ausführliche Nachricht
"von denselben würde dies Kapitel zu sehr anschwellen. Die abergläubische Verehrung,
"welche die Geistlichen vom Pöbel erhalten, die Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des
"geistlichen Standes haben die Zahl prächtiger Tempel, reicher Klöster und geistlicher Häu-
"ser, in denen unter dem Schein einer religiösen Entfernung von der Welt sich die Mönche
"blos einem wollüstigen, müßigen Leben überlassen, -- bis zum Erstaunen vermehrt. Es
"giebt aber auch einige Geselschaften, die nicht durchaus geistlich und nicht blos auf Mönche
"beschränkt sind. Sie sind vermischter Natur und haben einen Zusaz von Weltlichkeit.

"Unter
*) [Spaltenumbruch]
Hier sindet sich eine große Lücke in meinen
Handschriften. Beide schließen hier das fünfte
Kapitel, und Alles folgende findet sich blos in der
englischen Uebersetzung. Da ich aber nicht zweiflen
kan, daß es auch von K. herrühre, und da es an
sich nicht unwichtig ist, so habe ich kein Bedenken
getragen, es in meinen Text einzurücken. Wie es
zugeht, daß diese Stelle in meinen beiden Hand-
schriften fehlt? begreif ich nicht. Jch werde mich
bemühen, sie, wo möglich, noch aus der Origi-
nalhandschrift im Museo Britannico zu erhalten,
und alsdenn, wenn es der Mühe werth seyn solte,
dem Leser im zweiten Theile dieses Werks mit-
heilen. Denn ich glaube vermuthen zu dürfen,
[Spaltenumbruch] daß Scheuchzer hier nach seiner Gewonheit Vieles zu-
gesetzt und erweitert hat. Zudem verdient eine
so sonderbare Societät von Blinden wohl, daß
man die Erzählung davon etwas kritisch untersucht.
Die schon oben vorgenommene Erwähnung dieser
Blinden (die sich in beiden Handschristen befindet)
ist indes Beweis genug, daß die Stelle überhaupt
von Kämpfer herrührt. Jch habe sie also in den
Text aufgenommen, aber durch "unterschieden.
Das Uebrige dieses Kapitels ist zwar in meinen
beiden Mascpten und Scheuchzer ganz gleichför-
mig; nur findet sich im Mascpt des Neffen eine
andre Ordnung als im Mascpt des Oheims und
im Scheuchzer. Jch habe die leztere beibehalten.
O o 2

Fuͤnft. Kap. Von den Jammabos oder Bergprieſtern ꝛc.
Schuͤler in Phyſik und Chirurgie war. Dieſer war auch vorher bey dieſen Profeſſoren der
Zauberey in die Schule gegangen. Ehe er zu den Geheimniſſen zugelaſſen wurde, muſte
er vorher eine ſechstaͤgige Probe ausſtehn. Er durfte waͤhrend derſelben nichts genießen,
was gelebt hatte, und muſte ſich nur mit Kraͤutern und Reis behelfen. Ferner muſte er ſich
taͤglich ſiebenmal in kaltem Waſſer abwaſchen, auch 780 mal auf den Knien und Ferſen
niederſitzen und ſich wieder aufrichten, zugleich auch beide Haͤnde zuſammengeſchloſſen uͤber
das Haupt empor heben. Dies leztere Auf-und Niederſitzen war ihm das haͤrteſte. Denn
wenn er ſich zwei bis dreihundert mal auf und nieder gerichtet hatte, war ihm der Schweis
den Ruͤcken hinab gelaufen, und er fand ſich ſo ermuͤdet, daß er in den lezten Tagen ſeinen
Meiſtern gern entlaufen waͤre, wenn er nicht als ein junger, ſtarker und geſunder Menſch
mehr aus Scham als aus Liebe zur Kunſt und den Geheimniſſen doch die Probe ausge-
halten haͤtte.*)

„Soweit von den Jammabos. Es giebt nun außer denſelben noch eine Menge
„religioͤſer Geſelſchaften und Orden in dieſem Lande. Eine eben ſo ausfuͤhrliche Nachricht
„von denſelben wuͤrde dies Kapitel zu ſehr anſchwellen. Die aberglaͤubiſche Verehrung,
„welche die Geiſtlichen vom Poͤbel erhalten, die Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des
„geiſtlichen Standes haben die Zahl praͤchtiger Tempel, reicher Kloͤſter und geiſtlicher Haͤu-
„ſer, in denen unter dem Schein einer religioͤſen Entfernung von der Welt ſich die Moͤnche
„blos einem wolluͤſtigen, muͤßigen Leben uͤberlaſſen, — bis zum Erſtaunen vermehrt. Es
„giebt aber auch einige Geſelſchaften, die nicht durchaus geiſtlich und nicht blos auf Moͤnche
„beſchraͤnkt ſind. Sie ſind vermiſchter Natur und haben einen Zuſaz von Weltlichkeit.

„Unter
*) [Spaltenumbruch]
Hier ſindet ſich eine große Luͤcke in meinen
Handſchriften. Beide ſchließen hier das fuͤnfte
Kapitel, und Alles folgende findet ſich blos in der
engliſchen Ueberſetzung. Da ich aber nicht zweiflen
kan, daß es auch von K. herruͤhre, und da es an
ſich nicht unwichtig iſt, ſo habe ich kein Bedenken
getragen, es in meinen Text einzuruͤcken. Wie es
zugeht, daß dieſe Stelle in meinen beiden Hand-
ſchriften fehlt? begreif ich nicht. Jch werde mich
bemuͤhen, ſie, wo moͤglich, noch aus der Origi-
nalhandſchrift im Muſeo Britannico zu erhalten,
und alsdenn, wenn es der Muͤhe werth ſeyn ſolte,
dem Leſer im zweiten Theile dieſes Werks mit-
heilen. Denn ich glaube vermuthen zu duͤrfen,
[Spaltenumbruch] daß Scheuchzer hier nach ſeiner Gewonheit Vieles zu-
geſetzt und erweitert hat. Zudem verdient eine
ſo ſonderbare Societaͤt von Blinden wohl, daß
man die Erzaͤhlung davon etwas kritiſch unterſucht.
Die ſchon oben vorgenommene Erwaͤhnung dieſer
Blinden (die ſich in beiden Handſchriſten befindet)
iſt indes Beweis genug, daß die Stelle uͤberhaupt
von Kaͤmpfer herruͤhrt. Jch habe ſie alſo in den
Text aufgenommen, aber durch “unterſchieden.
Das Uebrige dieſes Kapitels iſt zwar in meinen
beiden Maſcpten und Scheuchzer ganz gleichfoͤr-
mig; nur findet ſich im Maſcpt des Neffen eine
andre Ordnung als im Maſcpt des Oheims und
im Scheuchzer. Jch habe die leztere beibehalten.
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[291/0399] Fuͤnft. Kap. Von den Jammabos oder Bergprieſtern ꝛc. Schuͤler in Phyſik und Chirurgie war. Dieſer war auch vorher bey dieſen Profeſſoren der Zauberey in die Schule gegangen. Ehe er zu den Geheimniſſen zugelaſſen wurde, muſte er vorher eine ſechstaͤgige Probe ausſtehn. Er durfte waͤhrend derſelben nichts genießen, was gelebt hatte, und muſte ſich nur mit Kraͤutern und Reis behelfen. Ferner muſte er ſich taͤglich ſiebenmal in kaltem Waſſer abwaſchen, auch 780 mal auf den Knien und Ferſen niederſitzen und ſich wieder aufrichten, zugleich auch beide Haͤnde zuſammengeſchloſſen uͤber das Haupt empor heben. Dies leztere Auf-und Niederſitzen war ihm das haͤrteſte. Denn wenn er ſich zwei bis dreihundert mal auf und nieder gerichtet hatte, war ihm der Schweis den Ruͤcken hinab gelaufen, und er fand ſich ſo ermuͤdet, daß er in den lezten Tagen ſeinen Meiſtern gern entlaufen waͤre, wenn er nicht als ein junger, ſtarker und geſunder Menſch mehr aus Scham als aus Liebe zur Kunſt und den Geheimniſſen doch die Probe ausge- halten haͤtte. *) „Soweit von den Jammabos. Es giebt nun außer denſelben noch eine Menge „religioͤſer Geſelſchaften und Orden in dieſem Lande. Eine eben ſo ausfuͤhrliche Nachricht „von denſelben wuͤrde dies Kapitel zu ſehr anſchwellen. Die aberglaͤubiſche Verehrung, „welche die Geiſtlichen vom Poͤbel erhalten, die Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des „geiſtlichen Standes haben die Zahl praͤchtiger Tempel, reicher Kloͤſter und geiſtlicher Haͤu- „ſer, in denen unter dem Schein einer religioͤſen Entfernung von der Welt ſich die Moͤnche „blos einem wolluͤſtigen, muͤßigen Leben uͤberlaſſen, — bis zum Erſtaunen vermehrt. Es „giebt aber auch einige Geſelſchaften, die nicht durchaus geiſtlich und nicht blos auf Moͤnche „beſchraͤnkt ſind. Sie ſind vermiſchter Natur und haben einen Zuſaz von Weltlichkeit. „Unter *) Hier ſindet ſich eine große Luͤcke in meinen Handſchriften. Beide ſchließen hier das fuͤnfte Kapitel, und Alles folgende findet ſich blos in der engliſchen Ueberſetzung. Da ich aber nicht zweiflen kan, daß es auch von K. herruͤhre, und da es an ſich nicht unwichtig iſt, ſo habe ich kein Bedenken getragen, es in meinen Text einzuruͤcken. Wie es zugeht, daß dieſe Stelle in meinen beiden Hand- ſchriften fehlt? begreif ich nicht. Jch werde mich bemuͤhen, ſie, wo moͤglich, noch aus der Origi- nalhandſchrift im Muſeo Britannico zu erhalten, und alsdenn, wenn es der Muͤhe werth ſeyn ſolte, dem Leſer im zweiten Theile dieſes Werks mit- heilen. Denn ich glaube vermuthen zu duͤrfen, daß Scheuchzer hier nach ſeiner Gewonheit Vieles zu- geſetzt und erweitert hat. Zudem verdient eine ſo ſonderbare Societaͤt von Blinden wohl, daß man die Erzaͤhlung davon etwas kritiſch unterſucht. Die ſchon oben vorgenommene Erwaͤhnung dieſer Blinden (die ſich in beiden Handſchriſten befindet) iſt indes Beweis genug, daß die Stelle uͤberhaupt von Kaͤmpfer herruͤhrt. Jch habe ſie alſo in den Text aufgenommen, aber durch “unterſchieden. Das Uebrige dieſes Kapitels iſt zwar in meinen beiden Maſcpten und Scheuchzer ganz gleichfoͤr- mig; nur findet ſich im Maſcpt des Neffen eine andre Ordnung als im Maſcpt des Oheims und im Scheuchzer. Jch habe die leztere beibehalten. O o 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/399>, abgerufen am 24.11.2024.