Jza Takano Dsjusu, ihr Rosenkranz, der aus rauhen Kügelchen zusammenge- sezt ist. Diese Erfindung kömt aber auch nicht vom Stifter her, sondern die Priester ha- ben sie in später Zeit aus eigner Bewegung angenommen. Eine Abbildung dieses Rosenkran- zes findet man auf der achten Tafel, der Charte von Japan, zur Seite. Kongo Dsuje, ein dicker Stab, dessen sie sich sehr bequem bedienen, wenn sie den Berg Omine heransteigen.
Die Vornehmsten unter den Jammabos tragen ihr Haupthaar hinterwärts abge- strichen, und kurz abgeschnitten. Die vom schlechten Range aber binden es unabgeschnitten hinten zusammen. Viele lassen sich die Haare ganz wegscheeren, welches auch besonders die Neulinge und Kinder in dieser Sekte thun, zur Nachahmung der Budsdopriester, welche diese Gewonheit zuerst eingeführt haben.
Diese sintoischen Eremiten sind jezt von der strengen und rauhen Lebensart ihrer Vorfahren weit abgewichen. Diese folgten nach dem Beyspiel ihres Stifters und den von ihm festgesezten Regeln. Sie lebten blos von Wurzeln und Kräutern, die sie in Büschen und Bergen aufsuchten, und brachten ihr Leben mit beständigem Wandern, mit Abwaschen in kaltem Wasser, mit Reinigen und Kasteyen des Leibs zu. Jezt sind sie von dieser Strenge ihres ursprünglichen Gelübdes weit abgewichen, und haben neben den väterlichen Göttern auch noch einige andere von den Budsdo (die nemlich für die kräftigsten und wun- dervolsten von ihnen gehalten wurden) in ihrer Theologie mit aufgenommen. Bald darauf fiengen sie auch an, sich mit besondern magischen Künsten abzugeben. Sie gaben nemlich vor, daß sie durch gewisse Ceremonien und kräftige Worte die Gewalt der einheimischen und ausländischen (Sinto's und Budsdo) Götter gebrauchen, böse Geister beschämen und ver- zagen, verborgene Dinge erforschen und viele andere übernatürliche Dinge auswirken könten. Zu diesen lassen sie sich durchs ganze Reich gebrauchen. Sie zeigen Diebe und gestohlne Sachen an, sie sagen den Ausgang zweifelhafter Dinge vorher, sie legen die Träume aus, sie heilen Krankheiten, wenn sie alle Aerzte aufgegeben haben, sie weisen die thäter begang- ner Verbrechen an, sie entdecken die Schuld oder Unschuld eines Beschuldigten und was dergleichen Wunder mehr sind.
Jhre Verfahrungsart bey einigen derselben zu erzählen halt ich nicht unwichtig. Bey Krankheiten verhalten sie sich ohngefehr auf folgende Art. Der Kranke mus zuerst dem Jammabo eine genaue und volständige Nachricht von seinem Uebel geben. Dieser be- schreibt es alsdann mit besondern Charactern, die ein Verhältnis zu der Constitution und dem Zustande des Kranken haben. Das Stük Papier, auf dem diese Beschreibung steht, legt er vor den Götzen, und macht dabey seine besondern Ceremonien, deren Kraft alsdenn in das Papier sich hineinzieht.
Der
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
Jza Takano Dſjuſu, ihr Roſenkranz, der aus rauhen Kuͤgelchen zuſammenge- ſezt iſt. Dieſe Erfindung koͤmt aber auch nicht vom Stifter her, ſondern die Prieſter ha- ben ſie in ſpaͤter Zeit aus eigner Bewegung angenommen. Eine Abbildung dieſes Roſenkran- zes findet man auf der achten Tafel, der Charte von Japan, zur Seite. Kongo Dſuje, ein dicker Stab, deſſen ſie ſich ſehr bequem bedienen, wenn ſie den Berg Omine heranſteigen.
Die Vornehmſten unter den Jammabos tragen ihr Haupthaar hinterwaͤrts abge- ſtrichen, und kurz abgeſchnitten. Die vom ſchlechten Range aber binden es unabgeſchnitten hinten zuſammen. Viele laſſen ſich die Haare ganz wegſcheeren, welches auch beſonders die Neulinge und Kinder in dieſer Sekte thun, zur Nachahmung der Budsdoprieſter, welche dieſe Gewonheit zuerſt eingefuͤhrt haben.
Dieſe ſintoiſchen Eremiten ſind jezt von der ſtrengen und rauhen Lebensart ihrer Vorfahren weit abgewichen. Dieſe folgten nach dem Beyſpiel ihres Stifters und den von ihm feſtgeſezten Regeln. Sie lebten blos von Wurzeln und Kraͤutern, die ſie in Buͤſchen und Bergen aufſuchten, und brachten ihr Leben mit beſtaͤndigem Wandern, mit Abwaſchen in kaltem Waſſer, mit Reinigen und Kaſteyen des Leibs zu. Jezt ſind ſie von dieſer Strenge ihres urſpruͤnglichen Geluͤbdes weit abgewichen, und haben neben den vaͤterlichen Goͤttern auch noch einige andere von den Budsdo (die nemlich fuͤr die kraͤftigſten und wun- dervolſten von ihnen gehalten wurden) in ihrer Theologie mit aufgenommen. Bald darauf fiengen ſie auch an, ſich mit beſondern magiſchen Kuͤnſten abzugeben. Sie gaben nemlich vor, daß ſie durch gewiſſe Ceremonien und kraͤftige Worte die Gewalt der einheimiſchen und auslaͤndiſchen (Sinto’s und Budsdo) Goͤtter gebrauchen, boͤſe Geiſter beſchaͤmen und ver- zagen, verborgene Dinge erforſchen und viele andere uͤbernatuͤrliche Dinge auswirken koͤnten. Zu dieſen laſſen ſie ſich durchs ganze Reich gebrauchen. Sie zeigen Diebe und geſtohlne Sachen an, ſie ſagen den Ausgang zweifelhafter Dinge vorher, ſie legen die Traͤume aus, ſie heilen Krankheiten, wenn ſie alle Aerzte aufgegeben haben, ſie weiſen die thaͤter begang- ner Verbrechen an, ſie entdecken die Schuld oder Unſchuld eines Beſchuldigten und was dergleichen Wunder mehr ſind.
Jhre Verfahrungsart bey einigen derſelben zu erzaͤhlen halt ich nicht unwichtig. Bey Krankheiten verhalten ſie ſich ohngefehr auf folgende Art. Der Kranke mus zuerſt dem Jammabo eine genaue und volſtaͤndige Nachricht von ſeinem Uebel geben. Dieſer be- ſchreibt es alsdann mit beſondern Charactern, die ein Verhaͤltnis zu der Conſtitution und dem Zuſtande des Kranken haben. Das Stuͤk Papier, auf dem dieſe Beſchreibung ſteht, legt er vor den Goͤtzen, und macht dabey ſeine beſondern Ceremonien, deren Kraft alsdenn in das Papier ſich hineinzieht.
Der
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
Jza Takano Dſjuſu, ihr Roſenkranz, der aus rauhen Kuͤgelchen zuſammenge-
ſezt iſt. Dieſe Erfindung koͤmt aber auch nicht vom Stifter her, ſondern die Prieſter ha-
ben ſie in ſpaͤter Zeit aus eigner Bewegung angenommen. Eine Abbildung dieſes Roſenkran-
zes findet man auf der achten Tafel, der Charte von Japan, zur Seite. Kongo
Dſuje, ein dicker Stab, deſſen ſie ſich ſehr bequem bedienen, wenn ſie den Berg Omine
heranſteigen.
Die Vornehmſten unter den Jammabos tragen ihr Haupthaar hinterwaͤrts abge-
ſtrichen, und kurz abgeſchnitten. Die vom ſchlechten Range aber binden es unabgeſchnitten
hinten zuſammen. Viele laſſen ſich die Haare ganz wegſcheeren, welches auch beſonders
die Neulinge und Kinder in dieſer Sekte thun, zur Nachahmung der Budsdoprieſter,
welche dieſe Gewonheit zuerſt eingefuͤhrt haben.
Dieſe ſintoiſchen Eremiten ſind jezt von der ſtrengen und rauhen Lebensart ihrer
Vorfahren weit abgewichen. Dieſe folgten nach dem Beyſpiel ihres Stifters und den von
ihm feſtgeſezten Regeln. Sie lebten blos von Wurzeln und Kraͤutern, die ſie in Buͤſchen
und Bergen aufſuchten, und brachten ihr Leben mit beſtaͤndigem Wandern, mit Abwaſchen
in kaltem Waſſer, mit Reinigen und Kaſteyen des Leibs zu. Jezt ſind ſie von dieſer
Strenge ihres urſpruͤnglichen Geluͤbdes weit abgewichen, und haben neben den vaͤterlichen
Goͤttern auch noch einige andere von den Budsdo (die nemlich fuͤr die kraͤftigſten und wun-
dervolſten von ihnen gehalten wurden) in ihrer Theologie mit aufgenommen. Bald darauf
fiengen ſie auch an, ſich mit beſondern magiſchen Kuͤnſten abzugeben. Sie gaben nemlich
vor, daß ſie durch gewiſſe Ceremonien und kraͤftige Worte die Gewalt der einheimiſchen und
auslaͤndiſchen (Sinto’s und Budsdo) Goͤtter gebrauchen, boͤſe Geiſter beſchaͤmen und ver-
zagen, verborgene Dinge erforſchen und viele andere uͤbernatuͤrliche Dinge auswirken koͤnten.
Zu dieſen laſſen ſie ſich durchs ganze Reich gebrauchen. Sie zeigen Diebe und geſtohlne
Sachen an, ſie ſagen den Ausgang zweifelhafter Dinge vorher, ſie legen die Traͤume aus,
ſie heilen Krankheiten, wenn ſie alle Aerzte aufgegeben haben, ſie weiſen die thaͤter begang-
ner Verbrechen an, ſie entdecken die Schuld oder Unſchuld eines Beſchuldigten und was
dergleichen Wunder mehr ſind.
Jhre Verfahrungsart bey einigen derſelben zu erzaͤhlen halt ich nicht unwichtig.
Bey Krankheiten verhalten ſie ſich ohngefehr auf folgende Art. Der Kranke mus zuerſt dem
Jammabo eine genaue und volſtaͤndige Nachricht von ſeinem Uebel geben. Dieſer be-
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dem Zuſtande des Kranken haben. Das Stuͤk Papier, auf dem dieſe Beſchreibung ſteht,
legt er vor den Goͤtzen, und macht dabey ſeine beſondern Ceremonien, deren Kraft alsdenn
in das Papier ſich hineinzieht.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/396>, abgerufen am 16.07.2024.
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