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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.
ihr Vermögen nicht erlaubt, die öffentlichen Herbergen zu besuchen, die Nacht bei ihnen be-
herbergt. Doch müssen die Pilgrimme dafür zur Dankbarkeit eine Verehrung machen,
die oft nur in einem Theil des Erbettelten besteht, aber doch nicht abgeschlagen wird.

Nach verrichteter Andacht reicht der Canusj jedem einen Ablas oder Ofarrai.
Dies ist ein kleines viereckigtes Schächtelgen, hat die Länge eines Wehers*) oder 11/2 Spanne,
2 Zol breit und 11/2 Daum dik. Es ist von tannenen sehr feinen Brettergens zusammengesezt,
und inwendig mit dünnen Stökgen von demselben Holz und derselben Länge, die mit Rie-
men von sauberm Papier umwunden sind, angefült. Sie wollen durch diese schlechte Waare,
die auch nur mit schlechtem Gelde bezahlt wird, die den Göttern wohlgefällige Tugenden der
Demuth und Reinigkeit anpreisen. Die Vorderseite dieser Schachtel ist mit einem gedruk-
ten Papier beklebt, auf welchem mit einem ansehnlichen großen Charakter der Name die-
ses Tempels Dai Singu (Gu heist oft so viel als Götter, z. E. Fatzman Gu) d. i.
großen Gottes Tempel abgedrukt steht. Am Ende desselben steht der Name des Can-
nusj, der diese Ofarrai (denn es sind ihrer sehr viele, die diesen Handel treiben) ausgege-
ben hat, mit dem Beisaz Daiju oder Taiju d. i. Botschafter oder Evangelist. Ein Eh-
renname, den sich die Miasbedienten gemeiniglich beizulegen pflegen.

Die Pilgrimme empfangen diese Ofarrai mit gröster Ehrerbietung. Diejenigen,
die zu Fuß wandern, hesten dieselbige, um sie vor dem Regen zu verwahren, unter ihren
Reisehut über die Stirne, und bevestigen auf der andern Seite ein andres Strohbündel
gleiches Gewichts. Diejenigen, welche ihre Reisen zu Pferde machen, können es besser
verbergen. Sind die Pilgrimme nun endlich wieder zu Hause angekommen, so bewahren
sie dieses merkwürdige Heiligthum mit großer Ehrerbietung. Und obgleich nach Verlauf
eines Jahrs seine Wunderkraft sehr verraucht; so wird ihm doch allemal in einem andern
saubern Zimmer ein ausgezeichneter Plaz angewiesen. Die Ofarrais pflegen gemeinig-
lich Mannes hoch an einem Leisten nach der Reihe der Jahre aufgehangen zu werden. Jn
einigen Häusern verschiedner Städte aber giebt man ihnen die Vorderseite des Hauses
unter dem Vordach. Arme Leute, die keine so geräumige Wohnungen haben, wissen diese
Heiligthümer nicht besser als in einem holen Baum ihres Hinterhauses zu logiren. Eben
so pflegt man es auch mit den Ofarrais der Verstorbnen zu halten, oder wenn man auf
den Landstraßen verlohrne Ofarrais findet, so stelt man sie in den nächsten Baum.

Um auch diejenigen, welche nicht nach Jsje reisen können oder wollen, und doch
diese heilige Waare verlangen, mit derselben zu versorgen; so werden jährlich große Packen
und Kisten mit diesen Waaren angefült, in alle Länder, Städte und Dörfer von Japan

abge-
*) Wahrscheinlich Fächers.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
ihr Vermoͤgen nicht erlaubt, die oͤffentlichen Herbergen zu beſuchen, die Nacht bei ihnen be-
herbergt. Doch muͤſſen die Pilgrimme dafuͤr zur Dankbarkeit eine Verehrung machen,
die oft nur in einem Theil des Erbettelten beſteht, aber doch nicht abgeſchlagen wird.

Nach verrichteter Andacht reicht der Canuſj jedem einen Ablas oder Ofarrai.
Dies iſt ein kleines viereckigtes Schaͤchtelgen, hat die Laͤnge eines Wehers*) oder 1½ Spanne,
2 Zol breit und 1½ Daum dik. Es iſt von tannenen ſehr feinen Brettergens zuſammengeſezt,
und inwendig mit duͤnnen Stoͤkgen von demſelben Holz und derſelben Laͤnge, die mit Rie-
men von ſauberm Papier umwunden ſind, angefuͤlt. Sie wollen durch dieſe ſchlechte Waare,
die auch nur mit ſchlechtem Gelde bezahlt wird, die den Goͤttern wohlgefaͤllige Tugenden der
Demuth und Reinigkeit anpreiſen. Die Vorderſeite dieſer Schachtel iſt mit einem gedruk-
ten Papier beklebt, auf welchem mit einem anſehnlichen großen Charakter der Name die-
ſes Tempels Dai Singu (Gu heiſt oft ſo viel als Goͤtter, z. E. Fatzman Gu) d. i.
großen Gottes Tempel abgedrukt ſteht. Am Ende deſſelben ſteht der Name des Can-
nuſj, der dieſe Ofarrai (denn es ſind ihrer ſehr viele, die dieſen Handel treiben) ausgege-
ben hat, mit dem Beiſaz Daiju oder Taiju d. i. Botſchafter oder Evangeliſt. Ein Eh-
renname, den ſich die Miasbedienten gemeiniglich beizulegen pflegen.

Die Pilgrimme empfangen dieſe Ofarrai mit groͤſter Ehrerbietung. Diejenigen,
die zu Fuß wandern, heſten dieſelbige, um ſie vor dem Regen zu verwahren, unter ihren
Reiſehut uͤber die Stirne, und beveſtigen auf der andern Seite ein andres Strohbuͤndel
gleiches Gewichts. Diejenigen, welche ihre Reiſen zu Pferde machen, koͤnnen es beſſer
verbergen. Sind die Pilgrimme nun endlich wieder zu Hauſe angekommen, ſo bewahren
ſie dieſes merkwuͤrdige Heiligthum mit großer Ehrerbietung. Und obgleich nach Verlauf
eines Jahrs ſeine Wunderkraft ſehr verraucht; ſo wird ihm doch allemal in einem andern
ſaubern Zimmer ein ausgezeichneter Plaz angewieſen. Die Ofarrais pflegen gemeinig-
lich Mannes hoch an einem Leiſten nach der Reihe der Jahre aufgehangen zu werden. Jn
einigen Haͤuſern verſchiedner Staͤdte aber giebt man ihnen die Vorderſeite des Hauſes
unter dem Vordach. Arme Leute, die keine ſo geraͤumige Wohnungen haben, wiſſen dieſe
Heiligthuͤmer nicht beſſer als in einem holen Baum ihres Hinterhauſes zu logiren. Eben
ſo pflegt man es auch mit den Ofarrais der Verſtorbnen zu halten, oder wenn man auf
den Landſtraßen verlohrne Ofarrais findet, ſo ſtelt man ſie in den naͤchſten Baum.

Um auch diejenigen, welche nicht nach Jsje reiſen koͤnnen oder wollen, und doch
dieſe heilige Waare verlangen, mit derſelben zu verſorgen; ſo werden jaͤhrlich große Packen
und Kiſten mit dieſen Waaren angefuͤlt, in alle Laͤnder, Staͤdte und Doͤrfer von Japan

abge-
*) Wahrſcheinlich Faͤchers.
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[282/0388] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. ihr Vermoͤgen nicht erlaubt, die oͤffentlichen Herbergen zu beſuchen, die Nacht bei ihnen be- herbergt. Doch muͤſſen die Pilgrimme dafuͤr zur Dankbarkeit eine Verehrung machen, die oft nur in einem Theil des Erbettelten beſteht, aber doch nicht abgeſchlagen wird. Nach verrichteter Andacht reicht der Canuſj jedem einen Ablas oder Ofarrai. Dies iſt ein kleines viereckigtes Schaͤchtelgen, hat die Laͤnge eines Wehers *) oder 1½ Spanne, 2 Zol breit und 1½ Daum dik. Es iſt von tannenen ſehr feinen Brettergens zuſammengeſezt, und inwendig mit duͤnnen Stoͤkgen von demſelben Holz und derſelben Laͤnge, die mit Rie- men von ſauberm Papier umwunden ſind, angefuͤlt. Sie wollen durch dieſe ſchlechte Waare, die auch nur mit ſchlechtem Gelde bezahlt wird, die den Goͤttern wohlgefaͤllige Tugenden der Demuth und Reinigkeit anpreiſen. Die Vorderſeite dieſer Schachtel iſt mit einem gedruk- ten Papier beklebt, auf welchem mit einem anſehnlichen großen Charakter der Name die- ſes Tempels Dai Singu (Gu heiſt oft ſo viel als Goͤtter, z. E. Fatzman Gu) d. i. großen Gottes Tempel abgedrukt ſteht. Am Ende deſſelben ſteht der Name des Can- nuſj, der dieſe Ofarrai (denn es ſind ihrer ſehr viele, die dieſen Handel treiben) ausgege- ben hat, mit dem Beiſaz Daiju oder Taiju d. i. Botſchafter oder Evangeliſt. Ein Eh- renname, den ſich die Miasbedienten gemeiniglich beizulegen pflegen. Die Pilgrimme empfangen dieſe Ofarrai mit groͤſter Ehrerbietung. Diejenigen, die zu Fuß wandern, heſten dieſelbige, um ſie vor dem Regen zu verwahren, unter ihren Reiſehut uͤber die Stirne, und beveſtigen auf der andern Seite ein andres Strohbuͤndel gleiches Gewichts. Diejenigen, welche ihre Reiſen zu Pferde machen, koͤnnen es beſſer verbergen. Sind die Pilgrimme nun endlich wieder zu Hauſe angekommen, ſo bewahren ſie dieſes merkwuͤrdige Heiligthum mit großer Ehrerbietung. Und obgleich nach Verlauf eines Jahrs ſeine Wunderkraft ſehr verraucht; ſo wird ihm doch allemal in einem andern ſaubern Zimmer ein ausgezeichneter Plaz angewieſen. Die Ofarrais pflegen gemeinig- lich Mannes hoch an einem Leiſten nach der Reihe der Jahre aufgehangen zu werden. Jn einigen Haͤuſern verſchiedner Staͤdte aber giebt man ihnen die Vorderſeite des Hauſes unter dem Vordach. Arme Leute, die keine ſo geraͤumige Wohnungen haben, wiſſen dieſe Heiligthuͤmer nicht beſſer als in einem holen Baum ihres Hinterhauſes zu logiren. Eben ſo pflegt man es auch mit den Ofarrais der Verſtorbnen zu halten, oder wenn man auf den Landſtraßen verlohrne Ofarrais findet, ſo ſtelt man ſie in den naͤchſten Baum. Um auch diejenigen, welche nicht nach Jsje reiſen koͤnnen oder wollen, und doch dieſe heilige Waare verlangen, mit derſelben zu verſorgen; ſo werden jaͤhrlich große Packen und Kiſten mit dieſen Waaren angefuͤlt, in alle Laͤnder, Staͤdte und Doͤrfer von Japan abge- *) Wahrſcheinlich Faͤchers.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/388>, abgerufen am 24.11.2024.