Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch. dern besonders leiblichen Segen an Gesundheit, Speise, Trank, Geld, Kleidung, undKindern. Zur Bekräftigung des Glaubens wird einem jeden Besucher von den Taije oder Canusj eine Ofarai d. i. eine große Reinigung (Purifikation) gegeben. Diese kann auch jeder, der durch seine Bedienung, Krankheit oder Alter abgehalten wird, sie persön- lich zu erwerben, jährlich durch einen andren an sich kaufen. Außer den Sinsju besuchen auch viele Budsdoisten, welche den Namen rechtschaffener Patrioten verlangen, diesen Tempel ihres Stifters ein oder mehrmahl im Leben. Auch viele, die nicht hin walfahrten, erkaufen sich doch jährlich die Ablaszettel oder Ofarrai von Jsje. Es wird jährlich eine große Menge derselben in alle Theile des Reichs versandt. Ofarrai kömt her von Farrai, abfegen, säubern, reinigen. Diese geistliche Walfahrt wird zu allen Zeiten des Jahrs, wegen des bequemen Der Kaiser besucht diesen Ort in einer jährlichen ordentlichen Gesandschaft, welche Sobald
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. dern beſonders leiblichen Segen an Geſundheit, Speiſe, Trank, Geld, Kleidung, undKindern. Zur Bekraͤftigung des Glaubens wird einem jeden Beſucher von den Taije oder Canuſj eine Ofarai d. i. eine große Reinigung (Purifikation) gegeben. Dieſe kann auch jeder, der durch ſeine Bedienung, Krankheit oder Alter abgehalten wird, ſie perſoͤn- lich zu erwerben, jaͤhrlich durch einen andren an ſich kaufen. Außer den Sinsju beſuchen auch viele Budsdoiſten, welche den Namen rechtſchaffener Patrioten verlangen, dieſen Tempel ihres Stifters ein oder mehrmahl im Leben. Auch viele, die nicht hin walfahrten, erkaufen ſich doch jaͤhrlich die Ablaszettel oder Ofarrai von Jsje. Es wird jaͤhrlich eine große Menge derſelben in alle Theile des Reichs verſandt. Ofarrai koͤmt her von Farrai, abfegen, ſaͤubern, reinigen. Dieſe geiſtliche Walfahrt wird zu allen Zeiten des Jahrs, wegen des bequemen Der Kaiſer beſucht dieſen Ort in einer jaͤhrlichen ordentlichen Geſandſchaft, welche Sobald
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
dern beſonders leiblichen Segen an Geſundheit, Speiſe, Trank, Geld, Kleidung, und
Kindern. Zur Bekraͤftigung des Glaubens wird einem jeden Beſucher von den Taije oder
Canuſj eine Ofarai d. i. eine große Reinigung (Purifikation) gegeben. Dieſe kann
auch jeder, der durch ſeine Bedienung, Krankheit oder Alter abgehalten wird, ſie perſoͤn-
lich zu erwerben, jaͤhrlich durch einen andren an ſich kaufen. Außer den Sinsju beſuchen
auch viele Budsdoiſten, welche den Namen rechtſchaffener Patrioten verlangen, dieſen
Tempel ihres Stifters ein oder mehrmahl im Leben. Auch viele, die nicht hin walfahrten,
erkaufen ſich doch jaͤhrlich die Ablaszettel oder Ofarrai von Jsje. Es wird jaͤhrlich eine
große Menge derſelben in alle Theile des Reichs verſandt. Ofarrai koͤmt her von Farrai,
abfegen, ſaͤubern, reinigen.
Dieſe geiſtliche Walfahrt wird zu allen Zeiten des Jahrs, wegen des bequemen
Wetters aber vorzuͤglich in den drei erſten Monaten des Jahrs Merz, April, May an-
geſtelt. Leute alles Standes unternehmen ſie, reiche und arme, alte und junge, Manns-
und Weibsperſonen, doch kommen die Herren vom hoͤchſten Stande ſelten in eigner Perſon.
Der Kaiſer beſucht dieſen Ort in einer jaͤhrlichen ordentlichen Geſandſchaft, welche
allemal im erſten Monat zugleich mit der Geſandſchaft an den Dairi abgeht. Andre Fuͤr-
ſten und Landesherren halten es eben ſo. Die Reichen reiſen auf eigne Koſten, und wie es
ihnen bequem faͤlt, auch mit einem ihrem Stande angemeſſenen Gefolge. Die meiſten aber,
welches die Armen ſind, gehen zu Fuß und behelfen ſich mit Betteln. Sie tragen eine auf-
gerolte Strohmatte auf dem Roͤcken, die ſie zur Nachtdecke gebrauchen, den Reiſeſtab in der
Hand und im Guͤrtel einen Waſſerſchoͤpfer, in welchen ſie auch die Almoſen mit Entbloͤ-
ßung des Haupts nach europaͤiſcher Betler Manier aufnehmen. Sie ſind mit einem von
geſpaltenen Bimſen geflochtenen weiten und leichten Reiſehut bedekt, welcher ſo wie der
Waſſerſchoͤpfer mit ihrem eignen Namen und denn ihres Geburts-und Aufenthaltsorts be-
ſchrieben iſt. Dies geſchieht aus Vorſicht auf den Fal, wenn ſie umkommen ſolten und
todt gefunden werden, damit man alsdenn wiſſe wer ſie ſind, und wohin ſie gehoͤren. An-
dere, die einiges Vermoͤgen beſitzen, ſind uͤber ihre Kleider noch mit einem kurzen weißen
Rok ohne Ermel angethan, und die beſagten Namen ſind auf die Bruſt und Ruͤcken deſſel-
ben abgedrukt. Von deſſen Pilgrimmen ſieht man taͤglich viele hundert auf den Landſtra-
ßen. Es iſt unglaublich, was fuͤr eine Menge blos aus der kaiſerlichen Reſidenzſtadt Jedo
und dem Lande Osju jaͤhrlich ausgehen. Viele Kinder entlaufen ihren Eltern, um dieſe
Baͤtfahrt mit zu machen. Dies wuͤrde noch oͤfterer geſchehen, wenn man nicht an den mei-
ſten Orten zum Geſez gemacht haͤtte, daß niemand ohne Pas dieſe Reiſe machen ſolte.
Diejenigen, welche von Jsje zuruͤk kommen, haben an den mitgebrachten Ofarrai einen ſehr
guͤltigen Paszettel.
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