Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto etc. müssen bald sterben. Was liegt dran, was heraus kömt, las uns doch sehn.Sie brüteten also die Eyer nach indianischer Manier in einem Ofen zwischen Küssen und heißem Sande aus; brachen sie alsdann auf und fanden Kinder drin. Diese fünfhundert fielen aber den armen Leuten schwer zu ernähren. Sie nahmen daher folia Artemisiae mit Reis vermischt und klein zerstoßen, und zogen mit dieser Kost die Kinder auf. Die- ser Unterhalt reichte aber doch nicht zu, und sie musten sich deswegen aufs Rauben legen. Jhre Pflegeeltern schikten sie in dieser Absicht den Flus hinauf, um einen Mann, der wegen seines großen Reichthums sehr berühmt war, zu berauben. Ohne ihr wissen war dies ge- rade das Haus der Mutter dieser Kinder. Ein Bedienter frägt sie an der Thüre: wie sie heißen? worauf sie antworten: sie hätten keinen Namen, wären aus fünfhundert Eyern hervorgekommen, und müsten jezt aus Armuth herumwandern; -- man solte ihnen Lebens- mittel geben, so wolten sie weiter gehn. Die Frau des Hauses läst sich nun erkundigen, was das Kästgen für eine Aufschrift gehabt habe? und erfährt: Fosjoroo. Hieran er- kante sie nun, daß es ihre eigne lieben Kinder waren, die sie dann auch als solche mit vieler Freude aufnahm, und ihnen ein großes Gastmal aufrichtete, bey welchem sie jedem Kinde Sokana mit einem Pfirsichblatte zutrank. Daher rührt es, warum allemal am dritten Tage des dritten Monats das Pfirsichfest gehalten wird. Der Pfirsichzweig wird an dem- selben über den Kessel gelegt, und darin die Futsu Motzi d. i. Kuchen von Artemisia und Reis gebacken auf die Art, wie ich schon vorhin erwähnt habe. Die Mutter der fünfhundert Kinder hat hernach den Namen Benseiten erhalten, unter welchem sie unter die Götter aufgenommen ist. Die fünfhundert Kinder warten ihr auch noch im Himmel auf, und sie wird als eine Göttin des Reichs angebetet. Der dritte jährliche Festtag ist Goguatz Gonitz oder der fünfte Tag des fünf- Das
Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto ꝛc. muͤſſen bald ſterben. Was liegt dran, was heraus koͤmt, las uns doch ſehn.Sie bruͤteten alſo die Eyer nach indianiſcher Manier in einem Ofen zwiſchen Kuͤſſen und heißem Sande aus; brachen ſie alsdann auf und fanden Kinder drin. Dieſe fuͤnfhundert fielen aber den armen Leuten ſchwer zu ernaͤhren. Sie nahmen daher folia Artemiſiae mit Reis vermiſcht und klein zerſtoßen, und zogen mit dieſer Koſt die Kinder auf. Die- ſer Unterhalt reichte aber doch nicht zu, und ſie muſten ſich deswegen aufs Rauben legen. Jhre Pflegeeltern ſchikten ſie in dieſer Abſicht den Flus hinauf, um einen Mann, der wegen ſeines großen Reichthums ſehr beruͤhmt war, zu berauben. Ohne ihr wiſſen war dies ge- rade das Haus der Mutter dieſer Kinder. Ein Bedienter fraͤgt ſie an der Thuͤre: wie ſie heißen? worauf ſie antworten: ſie haͤtten keinen Namen, waͤren aus fuͤnfhundert Eyern hervorgekommen, und muͤſten jezt aus Armuth herumwandern; — man ſolte ihnen Lebens- mittel geben, ſo wolten ſie weiter gehn. Die Frau des Hauſes laͤſt ſich nun erkundigen, was das Kaͤſtgen fuͤr eine Aufſchrift gehabt habe? und erfaͤhrt: Fosjoroo. Hieran er- kante ſie nun, daß es ihre eigne lieben Kinder waren, die ſie dann auch als ſolche mit vieler Freude aufnahm, und ihnen ein großes Gaſtmal aufrichtete, bey welchem ſie jedem Kinde Sokana mit einem Pfirſichblatte zutrank. Daher ruͤhrt es, warum allemal am dritten Tage des dritten Monats das Pfirſichfeſt gehalten wird. Der Pfirſichzweig wird an dem- ſelben uͤber den Keſſel gelegt, und darin die Futſu Motzi d. i. Kuchen von Artemiſia und Reis gebacken auf die Art, wie ich ſchon vorhin erwaͤhnt habe. Die Mutter der fuͤnfhundert Kinder hat hernach den Namen Benſeiten erhalten, unter welchem ſie unter die Goͤtter aufgenommen iſt. Die fuͤnfhundert Kinder warten ihr auch noch im Himmel auf, und ſie wird als eine Goͤttin des Reichs angebetet. Der dritte jaͤhrliche Feſttag iſt Goguatz Gonitz oder der fuͤnfte Tag des fuͤnf- Das
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Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto ꝛc.
muͤſſen bald ſterben. Was liegt dran, was heraus koͤmt, las uns doch ſehn.
Sie bruͤteten alſo die Eyer nach indianiſcher Manier in einem Ofen zwiſchen Kuͤſſen und
heißem Sande aus; brachen ſie alsdann auf und fanden Kinder drin. Dieſe fuͤnfhundert
fielen aber den armen Leuten ſchwer zu ernaͤhren. Sie nahmen daher folia Artemiſiae
mit Reis vermiſcht und klein zerſtoßen, und zogen mit dieſer Koſt die Kinder auf. Die-
ſer Unterhalt reichte aber doch nicht zu, und ſie muſten ſich deswegen aufs Rauben legen.
Jhre Pflegeeltern ſchikten ſie in dieſer Abſicht den Flus hinauf, um einen Mann, der wegen
ſeines großen Reichthums ſehr beruͤhmt war, zu berauben. Ohne ihr wiſſen war dies ge-
rade das Haus der Mutter dieſer Kinder. Ein Bedienter fraͤgt ſie an der Thuͤre: wie ſie
heißen? worauf ſie antworten: ſie haͤtten keinen Namen, waͤren aus fuͤnfhundert Eyern
hervorgekommen, und muͤſten jezt aus Armuth herumwandern; — man ſolte ihnen Lebens-
mittel geben, ſo wolten ſie weiter gehn. Die Frau des Hauſes laͤſt ſich nun erkundigen,
was das Kaͤſtgen fuͤr eine Aufſchrift gehabt habe? und erfaͤhrt: Fosjoroo. Hieran er-
kante ſie nun, daß es ihre eigne lieben Kinder waren, die ſie dann auch als ſolche mit vieler
Freude aufnahm, und ihnen ein großes Gaſtmal aufrichtete, bey welchem ſie jedem Kinde
Sokana mit einem Pfirſichblatte zutrank. Daher ruͤhrt es, warum allemal am dritten
Tage des dritten Monats das Pfirſichfeſt gehalten wird. Der Pfirſichzweig wird an dem-
ſelben uͤber den Keſſel gelegt, und darin die Futſu Motzi d. i. Kuchen von Artemiſia
und Reis gebacken auf die Art, wie ich ſchon vorhin erwaͤhnt habe. Die Mutter der
fuͤnfhundert Kinder hat hernach den Namen Benſeiten erhalten, unter welchem ſie unter die
Goͤtter aufgenommen iſt. Die fuͤnfhundert Kinder warten ihr auch noch im Himmel auf,
und ſie wird als eine Goͤttin des Reichs angebetet.
Der dritte jaͤhrliche Feſttag iſt Goguatz Gonitz oder der fuͤnfte Tag des fuͤnf-
ten Monats, der auch Tango no Seku heiſt. Es iſt ein Feſt von eben der Art wie
das vorige, an dem man ſich unter einander, meiſtens aber uͤber das Gluͤk der Knaben,
vergnuͤgt, welche dann auch hier, wie allenthalben, die Gelegenheit zu allerlei Beluſtigun-
gen und Spielen nicht verabſaͤumen. Jn Nagaſacki beluſtigt man ſich beſonders an
dieſem Feſte und den folgenden Tagen mit Luſtfahrten in der Bay und im Hafen nach ſine-
ſiſchem Gebrauch, wobey man ſich einander ein freudiges Peirung zuruft. Der Rand
der Daͤcher und die Thuͤren werden mit Seotu d. i. Calamo aromatico und Futs d. i.
Artemiſia behangen. Die an dieſem Tage geſamlete Artemiſia giebt (wie man glaubt)
nach drei bis vier Jahren die beſte und kraͤftigſte Mokarn. Die Kuchen werden an die-
ſem Feſte von weichem und ſehr zaͤhem Reis gebacken; in Waſen Gras oder Schilfrohr
gekocht, und Tſumaki genant.
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