Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch. Drit. Kap. etc. nieder. Dann verrichtet er noch knieend ein kurzes Gebet aus eigner Fantasie und nachseinem besondern Anliegen, oder spricht auch ein Takamano faro Kami Todo Mari, wirft einige Putjes zum Opfer oder Almosen durchs Gitter oder in die nebenstehende Kiste, und macht mit drei Schlägen ein Geläut auf der vorhangenden Glocke, um dadurch den Götzen aufzumuntern, weil die Götter große Liebhaber von dergleichen Schal sind. Nach diesen Verrichtungen geht der Anbeter zu Hause, und bringt die übrige Zeit des Tages mit Spazie- ren, Gastmalen [...] und allerlei Belustigungen hin. Diese einfältige und simple Art der Verehrung (welche auch nach Bewandnis der Umstände zu andern Zeiten ohne feierliche Kleider geschehn kan) beweiset nur ein jeder einem oder mehrern Göttern, nachdem er Nei- gung hat, auf diesen oder jenen Gott ein besonders Vertrauen sezt, oder auch nach dem sein Stand und Profession gewisse Götter zu Patronen hat, oder man von ihnen besondern Bei- stand und Hülfe sich versprechen kann. Aeußerliche Ceremonien und Gebräuche, Rosen- kränze u. d. gl. sind hier gar nicht gebräuchlich; -- auch nicht gewisse Gebetformeln. Es ist jedem erlaubt sein Anliegen in eignen Worten nach seiner Phantasie vorzutragen; und viele halten auch dies einmüthig, weil die Götter ihre Herzen offen, und alle Wünsche und Anliegen in denselben so deutlich und offenbar schauen können, wie sie ihre eigne Gestalt in den Spiegeln des Tempels schauen. Eben so ist auch sowol zur Feyer der ordentlichen Feste als der Gedächtnistage der verstorbnen Verwandten gar nicht nöthig, daß sie ein Fasten oder andere Zubereitung beobachten. Es ist ihnen vielmehr erlaubt, sogar an dem Sterb- tage ihrer Eltern eben die Speisen und Getränke zu sich zu nehmen, deren sie sich sonst er- laubter Weise bedienen. Die Feyertage der Sinto sind eigentlich keine geistliche Feste, sondern vielmehr An diesen Tagen werden auch allemal die Gastmale, die Hochzeiten, die Audien- Der monatlichen sind drei. Der erste heist Tsitatz und ist allemal der erste Tag an L l 2
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Drit. Kap. ꝛc. nieder. Dann verrichtet er noch knieend ein kurzes Gebet aus eigner Fantaſie und nachſeinem beſondern Anliegen, oder ſpricht auch ein Takamano faro Kami Todo Mari, wirft einige Putjes zum Opfer oder Almoſen durchs Gitter oder in die nebenſtehende Kiſte, und macht mit drei Schlaͤgen ein Gelaͤut auf der vorhangenden Glocke, um dadurch den Goͤtzen aufzumuntern, weil die Goͤtter große Liebhaber von dergleichen Schal ſind. Nach dieſen Verrichtungen geht der Anbeter zu Hauſe, und bringt die uͤbrige Zeit des Tages mit Spazie- ren, Gaſtmalen […] und allerlei Beluſtigungen hin. Dieſe einfaͤltige und ſimple Art der Verehrung (welche auch nach Bewandnis der Umſtaͤnde zu andern Zeiten ohne feierliche Kleider geſchehn kan) beweiſet nur ein jeder einem oder mehrern Goͤttern, nachdem er Nei- gung hat, auf dieſen oder jenen Gott ein beſonders Vertrauen ſezt, oder auch nach dem ſein Stand und Profeſſion gewiſſe Goͤtter zu Patronen hat, oder man von ihnen beſondern Bei- ſtand und Huͤlfe ſich verſprechen kann. Aeußerliche Ceremonien und Gebraͤuche, Roſen- kraͤnze u. d. gl. ſind hier gar nicht gebraͤuchlich; — auch nicht gewiſſe Gebetformeln. Es iſt jedem erlaubt ſein Anliegen in eignen Worten nach ſeiner Phantaſie vorzutragen; und viele halten auch dies einmuͤthig, weil die Goͤtter ihre Herzen offen, und alle Wuͤnſche und Anliegen in denſelben ſo deutlich und offenbar ſchauen koͤnnen, wie ſie ihre eigne Geſtalt in den Spiegeln des Tempels ſchauen. Eben ſo iſt auch ſowol zur Feyer der ordentlichen Feſte als der Gedaͤchtnistage der verſtorbnen Verwandten gar nicht noͤthig, daß ſie ein Faſten oder andere Zubereitung beobachten. Es iſt ihnen vielmehr erlaubt, ſogar an dem Sterb- tage ihrer Eltern eben die Speiſen und Getraͤnke zu ſich zu nehmen, deren ſie ſich ſonſt er- laubter Weiſe bedienen. Die Feyertage der Sinto ſind eigentlich keine geiſtliche Feſte, ſondern vielmehr An dieſen Tagen werden auch allemal die Gaſtmale, die Hochzeiten, die Audien- Der monatlichen ſind drei. Der erſte heiſt Tſitatz und iſt allemal der erſte Tag an L l 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0373" n="267"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Drit. Kap. ꝛc.</hi></fw><lb/> nieder. Dann verrichtet er noch knieend ein kurzes Gebet aus eigner Fantaſie und nach<lb/> ſeinem beſondern Anliegen, oder ſpricht auch ein <hi rendition="#fr">Takamano faro Kami Todo Mari,</hi> wirft<lb/> einige <hi rendition="#fr">Putjes</hi> zum Opfer oder Almoſen durchs Gitter oder in die nebenſtehende Kiſte, und<lb/> macht mit drei Schlaͤgen ein Gelaͤut auf der vorhangenden Glocke, um dadurch den Goͤtzen<lb/> aufzumuntern, weil die Goͤtter große Liebhaber von dergleichen Schal ſind. Nach dieſen<lb/> Verrichtungen geht der Anbeter zu Hauſe, und bringt die uͤbrige Zeit des Tages mit Spazie-<lb/> ren, Gaſtmalen <choice><sic>uud</sic><corr/></choice> und allerlei Beluſtigungen hin. Dieſe einfaͤltige und ſimple Art der<lb/> Verehrung (welche auch nach Bewandnis der Umſtaͤnde zu andern Zeiten ohne feierliche<lb/> Kleider geſchehn kan) beweiſet nur ein jeder einem oder mehrern Goͤttern, nachdem er Nei-<lb/> gung hat, auf dieſen oder jenen Gott ein beſonders Vertrauen ſezt, oder auch nach dem ſein<lb/> Stand und Profeſſion gewiſſe Goͤtter zu Patronen hat, oder man von ihnen beſondern Bei-<lb/> ſtand und Huͤlfe ſich verſprechen kann. Aeußerliche Ceremonien und Gebraͤuche, Roſen-<lb/> kraͤnze u. d. gl. ſind hier gar nicht gebraͤuchlich; — auch nicht gewiſſe Gebetformeln. Es<lb/> iſt jedem erlaubt ſein Anliegen in eignen Worten nach ſeiner Phantaſie vorzutragen; und<lb/> viele halten auch dies einmuͤthig, weil die Goͤtter ihre Herzen offen, und alle Wuͤnſche und<lb/> Anliegen in denſelben ſo deutlich und offenbar ſchauen koͤnnen, wie ſie ihre eigne Geſtalt in<lb/> den Spiegeln des Tempels ſchauen. Eben ſo iſt auch ſowol zur Feyer der ordentlichen Feſte<lb/> als der Gedaͤchtnistage der verſtorbnen Verwandten gar nicht noͤthig, daß ſie ein Faſten<lb/> oder andere Zubereitung beobachten. Es iſt ihnen vielmehr erlaubt, ſogar an dem Sterb-<lb/> tage ihrer Eltern eben die Speiſen und Getraͤnke zu ſich zu nehmen, deren ſie ſich ſonſt er-<lb/> laubter Weiſe bedienen.</p><lb/> <p>Die Feyertage der <hi rendition="#fr">Sinto</hi> ſind eigentlich keine geiſtliche Feſte, ſondern vielmehr<lb/> nur buͤrgerliche Compliments-oder Galatage. Sie heißen daher auch <hi rendition="#fr">Reibi d. i. Viſiten-<lb/> tage,</hi> und man pflegt an denſelben nicht nur die <hi rendition="#fr">Mia</hi> oder Tempel des <hi rendition="#fr">Tenſ jo Daiſin</hi><lb/> und andrer Goͤtter und Verſtorbenen, ſondern auch beſonders ſeine Obern und Freunde zu<lb/> beſuchen und ihnen mit einem Gluͤkwunſch und Complimente ſeine Achtung zu bezeugen.</p><lb/> <p>An dieſen Tagen werden auch allemal die Gaſtmale, die Hochzeiten, die Audien-<lb/> zen, und uͤberhaupt alle oͤffentliche und Privatzuſammenkuͤnfte angeſtelt, die nur irgend Luſt<lb/> und Freude zum Zwek haben, weil man glaubt, daß dieſes den Goͤttern beſonders wohlge-<lb/> faͤllig ſey. Alle dieſe <hi rendition="#fr">Reibi</hi> ſind unbeweglich auf gewiſſe Tage feſtgeſezt, ſowol die <hi rendition="#fr">monat-<lb/> lichen</hi> als die <hi rendition="#fr">jaͤhrlichen.</hi></p><lb/> <p>Der monatlichen ſind drei. Der erſte heiſt <hi rendition="#fr">Tſitatz</hi> und iſt allemal der <hi rendition="#fr">erſte Tag</hi><lb/> jedes Monats. Er kan mit weit mehr Recht blos ein buͤrgerlicher Complimententag, als<lb/> ein <hi rendition="#fr">geiſtlicher Feſttag,</hi> genant werden. Man geht an dieſem Tage von fruͤhem Morgen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L l 2</fw><fw place="bottom" type="catch">an</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [267/0373]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Drit. Kap. ꝛc.
nieder. Dann verrichtet er noch knieend ein kurzes Gebet aus eigner Fantaſie und nach
ſeinem beſondern Anliegen, oder ſpricht auch ein Takamano faro Kami Todo Mari, wirft
einige Putjes zum Opfer oder Almoſen durchs Gitter oder in die nebenſtehende Kiſte, und
macht mit drei Schlaͤgen ein Gelaͤut auf der vorhangenden Glocke, um dadurch den Goͤtzen
aufzumuntern, weil die Goͤtter große Liebhaber von dergleichen Schal ſind. Nach dieſen
Verrichtungen geht der Anbeter zu Hauſe, und bringt die uͤbrige Zeit des Tages mit Spazie-
ren, Gaſtmalen und allerlei Beluſtigungen hin. Dieſe einfaͤltige und ſimple Art der
Verehrung (welche auch nach Bewandnis der Umſtaͤnde zu andern Zeiten ohne feierliche
Kleider geſchehn kan) beweiſet nur ein jeder einem oder mehrern Goͤttern, nachdem er Nei-
gung hat, auf dieſen oder jenen Gott ein beſonders Vertrauen ſezt, oder auch nach dem ſein
Stand und Profeſſion gewiſſe Goͤtter zu Patronen hat, oder man von ihnen beſondern Bei-
ſtand und Huͤlfe ſich verſprechen kann. Aeußerliche Ceremonien und Gebraͤuche, Roſen-
kraͤnze u. d. gl. ſind hier gar nicht gebraͤuchlich; — auch nicht gewiſſe Gebetformeln. Es
iſt jedem erlaubt ſein Anliegen in eignen Worten nach ſeiner Phantaſie vorzutragen; und
viele halten auch dies einmuͤthig, weil die Goͤtter ihre Herzen offen, und alle Wuͤnſche und
Anliegen in denſelben ſo deutlich und offenbar ſchauen koͤnnen, wie ſie ihre eigne Geſtalt in
den Spiegeln des Tempels ſchauen. Eben ſo iſt auch ſowol zur Feyer der ordentlichen Feſte
als der Gedaͤchtnistage der verſtorbnen Verwandten gar nicht noͤthig, daß ſie ein Faſten
oder andere Zubereitung beobachten. Es iſt ihnen vielmehr erlaubt, ſogar an dem Sterb-
tage ihrer Eltern eben die Speiſen und Getraͤnke zu ſich zu nehmen, deren ſie ſich ſonſt er-
laubter Weiſe bedienen.
Die Feyertage der Sinto ſind eigentlich keine geiſtliche Feſte, ſondern vielmehr
nur buͤrgerliche Compliments-oder Galatage. Sie heißen daher auch Reibi d. i. Viſiten-
tage, und man pflegt an denſelben nicht nur die Mia oder Tempel des Tenſ jo Daiſin
und andrer Goͤtter und Verſtorbenen, ſondern auch beſonders ſeine Obern und Freunde zu
beſuchen und ihnen mit einem Gluͤkwunſch und Complimente ſeine Achtung zu bezeugen.
An dieſen Tagen werden auch allemal die Gaſtmale, die Hochzeiten, die Audien-
zen, und uͤberhaupt alle oͤffentliche und Privatzuſammenkuͤnfte angeſtelt, die nur irgend Luſt
und Freude zum Zwek haben, weil man glaubt, daß dieſes den Goͤttern beſonders wohlge-
faͤllig ſey. Alle dieſe Reibi ſind unbeweglich auf gewiſſe Tage feſtgeſezt, ſowol die monat-
lichen als die jaͤhrlichen.
Der monatlichen ſind drei. Der erſte heiſt Tſitatz und iſt allemal der erſte Tag
jedes Monats. Er kan mit weit mehr Recht blos ein buͤrgerlicher Complimententag, als
ein geiſtlicher Feſttag, genant werden. Man geht an dieſem Tage von fruͤhem Morgen
an
L l 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |