Erstes Kapitel. Von den verschiednen Religionspartheyen im japa- nischen Reiche überhaupt; und besonders von der Sinto.
Die Freiheit der Religion und des Glaubens ist unter allen heidnischen Völkern Asiens zu allen Zeiten völlig frey und unbeschränkt gewesen; so lange diese Freiheit nur nicht irgend nachtheilige Folgen für den Staat befürchten lies. So auch in Japan. Daher ist es verschiednen fremden Religionen sehr leicht geworden, sich neben der von den ältesten Zeiten her herschenden und (wie die Japaner behaupten) hier entsprossenen Religion, einzudringen und in dem Reiche auszubreiten.
Man hat in unserm Jahrhundert (dem siebzehnten) besonders vier Hauptreli- gionspartheyen gezählt, die in Absicht der Zahl ihrer Anhänger ohngefehr sich gleich seyn mö- gen, nemlich:
1) Sinto, das heist, der Weg oder die Verehrung einheimischer Götzen.
2) Budsdo, das heist, der Weg oder die Verehrung ausländischer, von Sina und Siam herübergebrachter Götzen.
3) Sjuto, die Lehre der Sittenlehrer und Philosophen.
4) Deivus oder Kiristando, welches Gottes und Christi Weg be- deutet.
Die
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Erſtes Kapitel. Von den verſchiednen Religionspartheyen im japa- niſchen Reiche uͤberhaupt; und beſonders von der Sinto.
Die Freiheit der Religion und des Glaubens iſt unter allen heidniſchen Voͤlkern Aſiens zu allen Zeiten voͤllig frey und unbeſchraͤnkt geweſen; ſo lange dieſe Freiheit nur nicht irgend nachtheilige Folgen fuͤr den Staat befuͤrchten lies. So auch in Japan. Daher iſt es verſchiednen fremden Religionen ſehr leicht geworden, ſich neben der von den aͤlteſten Zeiten her herſchenden und (wie die Japaner behaupten) hier entſproſſenen Religion, einzudringen und in dem Reiche auszubreiten.
Man hat in unſerm Jahrhundert (dem ſiebzehnten) beſonders vier Hauptreli- gionspartheyen gezaͤhlt, die in Abſicht der Zahl ihrer Anhaͤnger ohngefehr ſich gleich ſeyn moͤ- gen, nemlich:
1) Sinto, das heiſt, der Weg oder die Verehrung einheimiſcher Goͤtzen.
2) Budsdo, das heiſt, der Weg oder die Verehrung auslaͤndiſcher, von Sina und Siam heruͤbergebrachter Goͤtzen.
3) Sjuto, die Lehre der Sittenlehrer und Philoſophen.
4) Deivus oder Kiriſtando, welches Gottes und Chriſti Weg be- deutet.
Die
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Erſtes Kapitel.
Von den verſchiednen Religionspartheyen im japa-
niſchen Reiche uͤberhaupt; und beſonders von der Sinto.
Die Freiheit der Religion und des Glaubens iſt unter allen heidniſchen Voͤlkern
Aſiens zu allen Zeiten voͤllig frey und unbeſchraͤnkt geweſen; ſo lange dieſe
Freiheit nur nicht irgend nachtheilige Folgen fuͤr den Staat befuͤrchten lies. So
auch in Japan. Daher iſt es verſchiednen fremden Religionen ſehr leicht geworden, ſich
neben der von den aͤlteſten Zeiten her herſchenden und (wie die Japaner behaupten) hier
entſproſſenen Religion, einzudringen und in dem Reiche auszubreiten.
Man hat in unſerm Jahrhundert (dem ſiebzehnten) beſonders vier Hauptreli-
gionspartheyen gezaͤhlt, die in Abſicht der Zahl ihrer Anhaͤnger ohngefehr ſich gleich ſeyn moͤ-
gen, nemlich:
1) Sinto, das heiſt, der Weg oder die Verehrung einheimiſcher
Goͤtzen.
2) Budsdo, das heiſt, der Weg oder die Verehrung auslaͤndiſcher,
von Sina und Siam heruͤbergebrachter Goͤtzen.
3) Sjuto, die Lehre der Sittenlehrer und Philoſophen.
4) Deivus oder Kiriſtando, welches Gottes und Chriſti Weg be-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/355>, abgerufen am 17.02.2025.
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