Hierauf erschienen bei uns sogleich zwei Bugjosen oder Hofjunker der Gouver- neurs nebst vielen Soldaten, Schreibern und Dolmetschern, und ließen alle Angekomme- ne, nach unserer ihnen abgelieferten Schifsrolle, einen nach dem andern die Musterung passiren, beschaueten einen jeden von Haupt bis Fus, und schrieben mit einem Pinsel sei- nen Namen, Alter und Bedienung auf ein Papier. Es wurden auch noch sechs oder mehr Personen, jeder besonders, über die Reise befragt, und eines jeden Antwort sorgfäl- tig aufgeschrieben. Die vornehmsten Fragen waren: Woher und wann die Reise ange- treten sey? wie lange man auf derselben zugebracht habe? ob man unterwegs hie oder da gelandet? Wegen des verstorbenen Buchhalters wurde auch nicht wenig gefragt, und die Antwort gleichfals zu Papiere gebracht. Man besahe seine Brust und bloße Haut, weil man daselbst etwa ein Crucifix oder irgend ein Zeichen der päbstlichen Religion zu finden glaubte. Wir brachten es durch vieles Bitten dahin, daß die Leiche noch heute zur Beer- digung abgeholt wurde; aber man wolte schlechterdings nicht zugeben, daß einer von uns mitgienge und sähe, wo man den Verstorbenen hinscharte. Nach der Musterung wurden alle Winkel mit Soldaten und Schreibern besezt, und das Schif mit aller Ladung von den Japanern gleichsam in Besiz genommen. Die Schaluppe und das Boot wurden heute noch unsern Leuten zu nöthiger Befestigung der Anker gelassen. Aber Pistolen, Degen und alles andere Schifsgewehr wurde uns weggenommen, und von ihnen in Verwahrung gebracht, und den folgenden Morgen wurde auch das Pulver in Fässer gepakt weggeführt. Jn der That, hätte ich dieses gewöhnliche Verfahren der Japaner nicht schon vorher ge- wust; so würde ich sicher geglaubt haben, wir wären in ein feindliches Land gekommen, oder würden für Spions gehalten. Jch mus hier auch noch erwähnen, daß ein jeder von uns, sobald wir das Land erblikten, seine Psalmen und andere geistliche Bücher, nebst al- ler europäischen Münze, auf hohen Befehl und nach altem Gebrauch, dem Schiffer über- liefern musten, der dann alles mit eines jeden beigeseztem Namen in ein alt Fas pakte, und bis zur Abreise im Schiffe für den Japanern verborgen hielt. Den Abend unserer Ankunft wurden uns aus der holländischen Oekonomie allerlei Erfrischungen geschikt, als Hü- ner, Eier, Schuppenfische, Rettiche, Rüben, Zwiebeln, frische Jngbern, Pompunen, Anguinen, Weisbrod und ein Fäsgen Sacki oder japanisches Reisbier.
Den 25sten Septemb. früh Morgens, kamen von Desima beide Herren und Re- sidenten, oder Direktoren der holländischen Handlung auf unser Schif. Diese beide Her- ren waren Hr. Sweras der abgehende, und Butenheim, der antretende, welcher nur neulich mit drei beladenen Schiffen von Batavia angekommen war. Nachdem man nun das ganze Schifsvolk zusammen gerufen hatte, lasen sie uns die Befehle der Edlen Com- pagnie und der Gouverneurs von Nagasacki vor. Sie bestanden vorzüglich darin, daß
ein
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Hierauf erſchienen bei uns ſogleich zwei Bugjoſen oder Hofjunker der Gouver- neurs nebſt vielen Soldaten, Schreibern und Dolmetſchern, und ließen alle Angekomme- ne, nach unſerer ihnen abgelieferten Schifsrolle, einen nach dem andern die Muſterung paſſiren, beſchaueten einen jeden von Haupt bis Fus, und ſchrieben mit einem Pinſel ſei- nen Namen, Alter und Bedienung auf ein Papier. Es wurden auch noch ſechs oder mehr Perſonen, jeder beſonders, uͤber die Reiſe befragt, und eines jeden Antwort ſorgfaͤl- tig aufgeſchrieben. Die vornehmſten Fragen waren: Woher und wann die Reiſe ange- treten ſey? wie lange man auf derſelben zugebracht habe? ob man unterwegs hie oder da gelandet? Wegen des verſtorbenen Buchhalters wurde auch nicht wenig gefragt, und die Antwort gleichfals zu Papiere gebracht. Man beſahe ſeine Bruſt und bloße Haut, weil man daſelbſt etwa ein Crucifix oder irgend ein Zeichen der paͤbſtlichen Religion zu finden glaubte. Wir brachten es durch vieles Bitten dahin, daß die Leiche noch heute zur Beer- digung abgeholt wurde; aber man wolte ſchlechterdings nicht zugeben, daß einer von uns mitgienge und ſaͤhe, wo man den Verſtorbenen hinſcharte. Nach der Muſterung wurden alle Winkel mit Soldaten und Schreibern beſezt, und das Schif mit aller Ladung von den Japanern gleichſam in Beſiz genommen. Die Schaluppe und das Boot wurden heute noch unſern Leuten zu noͤthiger Befeſtigung der Anker gelaſſen. Aber Piſtolen, Degen und alles andere Schifsgewehr wurde uns weggenommen, und von ihnen in Verwahrung gebracht, und den folgenden Morgen wurde auch das Pulver in Faͤſſer gepakt weggefuͤhrt. Jn der That, haͤtte ich dieſes gewoͤhnliche Verfahren der Japaner nicht ſchon vorher ge- wuſt; ſo wuͤrde ich ſicher geglaubt haben, wir waͤren in ein feindliches Land gekommen, oder wuͤrden fuͤr Spions gehalten. Jch mus hier auch noch erwaͤhnen, daß ein jeder von uns, ſobald wir das Land erblikten, ſeine Pſalmen und andere geiſtliche Buͤcher, nebſt al- ler europaͤiſchen Muͤnze, auf hohen Befehl und nach altem Gebrauch, dem Schiffer uͤber- liefern muſten, der dann alles mit eines jeden beigeſeztem Namen in ein alt Fas pakte, und bis zur Abreiſe im Schiffe fuͤr den Japanern verborgen hielt. Den Abend unſerer Ankunft wurden uns aus der hollaͤndiſchen Oekonomie allerlei Erfriſchungen geſchikt, als Huͤ- ner, Eier, Schuppenfiſche, Rettiche, Ruͤben, Zwiebeln, friſche Jngbern, Pompunen, Anguinen, Weisbrod und ein Faͤsgen Sacki oder japaniſches Reisbier.
Den 25ſten Septemb. fruͤh Morgens, kamen von Deſima beide Herren und Re- ſidenten, oder Direktoren der hollaͤndiſchen Handlung auf unſer Schif. Dieſe beide Her- ren waren Hr. Sweras der abgehende, und Butenheim, der antretende, welcher nur neulich mit drei beladenen Schiffen von Batavia angekommen war. Nachdem man nun das ganze Schifsvolk zuſammen gerufen hatte, laſen ſie uns die Befehle der Edlen Com- pagnie und der Gouverneurs von Nagaſacki vor. Sie beſtanden vorzuͤglich darin, daß
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Hierauf erſchienen bei uns ſogleich zwei Bugjoſen oder Hofjunker der Gouver-
neurs nebſt vielen Soldaten, Schreibern und Dolmetſchern, und ließen alle Angekomme-
ne, nach unſerer ihnen abgelieferten Schifsrolle, einen nach dem andern die Muſterung
paſſiren, beſchaueten einen jeden von Haupt bis Fus, und ſchrieben mit einem Pinſel ſei-
nen Namen, Alter und Bedienung auf ein Papier. Es wurden auch noch ſechs oder
mehr Perſonen, jeder beſonders, uͤber die Reiſe befragt, und eines jeden Antwort ſorgfaͤl-
tig aufgeſchrieben. Die vornehmſten Fragen waren: Woher und wann die Reiſe ange-
treten ſey? wie lange man auf derſelben zugebracht habe? ob man unterwegs hie oder da
gelandet? Wegen des verſtorbenen Buchhalters wurde auch nicht wenig gefragt, und die
Antwort gleichfals zu Papiere gebracht. Man beſahe ſeine Bruſt und bloße Haut, weil
man daſelbſt etwa ein Crucifix oder irgend ein Zeichen der paͤbſtlichen Religion zu finden
glaubte. Wir brachten es durch vieles Bitten dahin, daß die Leiche noch heute zur Beer-
digung abgeholt wurde; aber man wolte ſchlechterdings nicht zugeben, daß einer von uns
mitgienge und ſaͤhe, wo man den Verſtorbenen hinſcharte. Nach der Muſterung wurden
alle Winkel mit Soldaten und Schreibern beſezt, und das Schif mit aller Ladung von den
Japanern gleichſam in Beſiz genommen. Die Schaluppe und das Boot wurden heute
noch unſern Leuten zu noͤthiger Befeſtigung der Anker gelaſſen. Aber Piſtolen, Degen
und alles andere Schifsgewehr wurde uns weggenommen, und von ihnen in Verwahrung
gebracht, und den folgenden Morgen wurde auch das Pulver in Faͤſſer gepakt weggefuͤhrt.
Jn der That, haͤtte ich dieſes gewoͤhnliche Verfahren der Japaner nicht ſchon vorher ge-
wuſt; ſo wuͤrde ich ſicher geglaubt haben, wir waͤren in ein feindliches Land gekommen,
oder wuͤrden fuͤr Spions gehalten. Jch mus hier auch noch erwaͤhnen, daß ein jeder von
uns, ſobald wir das Land erblikten, ſeine Pſalmen und andere geiſtliche Buͤcher, nebſt al-
ler europaͤiſchen Muͤnze, auf hohen Befehl und nach altem Gebrauch, dem Schiffer uͤber-
liefern muſten, der dann alles mit eines jeden beigeſeztem Namen in ein alt Fas pakte,
und bis zur Abreiſe im Schiffe fuͤr den Japanern verborgen hielt. Den Abend unſerer
Ankunft wurden uns aus der hollaͤndiſchen Oekonomie allerlei Erfriſchungen geſchikt, als Huͤ-
ner, Eier, Schuppenfiſche, Rettiche, Ruͤben, Zwiebeln, friſche Jngbern, Pompunen,
Anguinen, Weisbrod und ein Faͤsgen Sacki oder japaniſches Reisbier.
Den 25ſten Septemb. fruͤh Morgens, kamen von Deſima beide Herren und Re-
ſidenten, oder Direktoren der hollaͤndiſchen Handlung auf unſer Schif. Dieſe beide Her-
ren waren Hr. Sweras der abgehende, und Butenheim, der antretende, welcher nur
neulich mit drei beladenen Schiffen von Batavia angekommen war. Nachdem man nun
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/160>, abgerufen am 22.11.2024.
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