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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Drit. Kap. Abreise des Verfassers von Judja.
findet diesen Fisch sehr häufig in allen indischen Meeren. Seine volkommene Länge ist
zehn bis zwölf Fus; sein Fleisch hart und unlieblich. Man hält ihn für den grausamsten
Räuber und Menschenfeind unter allen Seethieren, vor dem die Matrosen scheuen müssen
sich zu baden. Er heist daher auch schon bei dem Athenäus anthropophagos, Menschen-
fresser. Er hat ein weites Maul, nicht oben am Kopfe, sondern etwas tiefer herunter,
daher er sich allemal herumbeugen mus, wenn er von oben Fras annimt. Jch habe be-
sonders folgendes Merkwürdige an ihm beobachtet. Erstlich ein zur Seite anhangendes
fremdes Fischlein, welches sich mit dem Maule so fest ins Fleisch angesezt hatte, daß man
es nur mit einiger Gewalt abreißen konte. Die kundigen Matrosen nanten es einen Säu-
ger. Zweitens hatte dieses Thier in seinem Bauche sechs lebendige Jungen, anderthalb
Spannen lang. Man sagt, daß diese Jungen, so lange sie noch klein sind, in den Bauch
ein- und auskriechen. Jch habe aber die Möglichkeit dieser Sage bei einer geschwinden
und nicht sorgfältigen Oefnung des Thiers nicht untersuchen können, da die Franzosen mit
den Jungen zur Küche eilten. Drittens fand ich in beiden hinten im Kopfe neben dem
Gehirn eine mit feiner Haut umgebene weiße Substanz, wie gestoßene Krebsaugen, in
ziemlicher Menge. Man hub sie sehr sorgfältig auf, als ein bewährtes Mittel in Stein-
schmerzen und bei schweren Geburten.

Nicht lange hernach brachte ein anderer einen sehr schönen Meerstern mit neun
langen Strahlen hervor, dessen Mittelleib vier Zol, jeder Strahl beinahe anderthalb Span-
nen in der Länge, und also das ganze Geschöpf drei Span in seinem Umfang hatte. Die
Oberfläche war rauh anzufühlen, als wäre sie mit Schuppen besezt. Der Mittelleib, zwei
Zol dicke, präsentirte einen besonders erhabenen schwarzen Stern, mit kurzen Strahlen.
Jm Mittelpunkt desselben war ein ziemlich großes, rundes Loch oder Maul, mit zwei Reihen
feiner Zäserlein umgeben. Die großen Strahlen waren viereckigt, fingerdik, gerade und
spiz zulaufend, von dunkelweißer Farbe, und oben queerweise mit schwärzlichen Strichen
wie ein Tiger gewölket. Beide Reihen waren bis zur äußersten Spitze mit einer dichten
Reihe kurzer Stacheln besezt, die sich nach der Länge schlossen. Die Unterfläche war etwas
sanfter anzufühlen, von Farbe weis, und jeder Strahl zur Seite mit einer Reihe kleiner
Füße, wie ein indianisches Tausendbein besezt, die durcheinander eine verwirte, kurzweili-
ge Bewegung machten. Der Mittelleib hatte eine mäßige Hölung, welche von demselben
in jeden Strahl fortgieng. Die innere Substanz war weis und so härtlich, daß mir die
Strahlen unter den Händen zerbrachen.

Jch mus auch noch erinnern, daß uns heute und die vorhergehenden Tage in
dieser Gegend eine Menge gewisser Seequalmen vorkamen, welche man mit Recht ichthi-
othuria
oder Fischqualmen nennen kan, weil sie einigermaßen eine Fischgestalt haben, und
den Menschen wie andere Fische zur Nahrung dienen. Die Holländer nennen sie nach

dem
H 3

Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja.
findet dieſen Fiſch ſehr haͤufig in allen indiſchen Meeren. Seine volkommene Laͤnge iſt
zehn bis zwoͤlf Fus; ſein Fleiſch hart und unlieblich. Man haͤlt ihn fuͤr den grauſamſten
Raͤuber und Menſchenfeind unter allen Seethieren, vor dem die Matroſen ſcheuen muͤſſen
ſich zu baden. Er heiſt daher auch ſchon bei dem Athenaͤus ἀνϑϱωπόφαγος, Menſchen-
freſſer. Er hat ein weites Maul, nicht oben am Kopfe, ſondern etwas tiefer herunter,
daher er ſich allemal herumbeugen mus, wenn er von oben Fras annimt. Jch habe be-
ſonders folgendes Merkwuͤrdige an ihm beobachtet. Erſtlich ein zur Seite anhangendes
fremdes Fiſchlein, welches ſich mit dem Maule ſo feſt ins Fleiſch angeſezt hatte, daß man
es nur mit einiger Gewalt abreißen konte. Die kundigen Matroſen nanten es einen Saͤu-
ger. Zweitens hatte dieſes Thier in ſeinem Bauche ſechs lebendige Jungen, anderthalb
Spannen lang. Man ſagt, daß dieſe Jungen, ſo lange ſie noch klein ſind, in den Bauch
ein- und auskriechen. Jch habe aber die Moͤglichkeit dieſer Sage bei einer geſchwinden
und nicht ſorgfaͤltigen Oefnung des Thiers nicht unterſuchen koͤnnen, da die Franzoſen mit
den Jungen zur Kuͤche eilten. Drittens fand ich in beiden hinten im Kopfe neben dem
Gehirn eine mit feiner Haut umgebene weiße Subſtanz, wie geſtoßene Krebsaugen, in
ziemlicher Menge. Man hub ſie ſehr ſorgfaͤltig auf, als ein bewaͤhrtes Mittel in Stein-
ſchmerzen und bei ſchweren Geburten.

Nicht lange hernach brachte ein anderer einen ſehr ſchoͤnen Meerſtern mit neun
langen Strahlen hervor, deſſen Mittelleib vier Zol, jeder Strahl beinahe anderthalb Span-
nen in der Laͤnge, und alſo das ganze Geſchoͤpf drei Span in ſeinem Umfang hatte. Die
Oberflaͤche war rauh anzufuͤhlen, als waͤre ſie mit Schuppen beſezt. Der Mittelleib, zwei
Zol dicke, praͤſentirte einen beſonders erhabenen ſchwarzen Stern, mit kurzen Strahlen.
Jm Mittelpunkt deſſelben war ein ziemlich großes, rundes Loch oder Maul, mit zwei Reihen
feiner Zaͤſerlein umgeben. Die großen Strahlen waren viereckigt, fingerdik, gerade und
ſpiz zulaufend, von dunkelweißer Farbe, und oben queerweiſe mit ſchwaͤrzlichen Strichen
wie ein Tiger gewoͤlket. Beide Reihen waren bis zur aͤußerſten Spitze mit einer dichten
Reihe kurzer Stacheln beſezt, die ſich nach der Laͤnge ſchloſſen. Die Unterflaͤche war etwas
ſanfter anzufuͤhlen, von Farbe weis, und jeder Strahl zur Seite mit einer Reihe kleiner
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ge Bewegung machten. Der Mittelleib hatte eine maͤßige Hoͤlung, welche von demſelben
in jeden Strahl fortgieng. Die innere Subſtanz war weis und ſo haͤrtlich, daß mir die
Strahlen unter den Haͤnden zerbrachen.

Jch mus auch noch erinnern, daß uns heute und die vorhergehenden Tage in
dieſer Gegend eine Menge gewiſſer Seequalmen vorkamen, welche man mit Recht ichthi-
othuria
oder Fiſchqualmen nennen kan, weil ſie einigermaßen eine Fiſchgeſtalt haben, und
den Menſchen wie andere Fiſche zur Nahrung dienen. Die Hollaͤnder nennen ſie nach

dem
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[61/0149] Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja. findet dieſen Fiſch ſehr haͤufig in allen indiſchen Meeren. Seine volkommene Laͤnge iſt zehn bis zwoͤlf Fus; ſein Fleiſch hart und unlieblich. Man haͤlt ihn fuͤr den grauſamſten Raͤuber und Menſchenfeind unter allen Seethieren, vor dem die Matroſen ſcheuen muͤſſen ſich zu baden. Er heiſt daher auch ſchon bei dem Athenaͤus ἀνϑϱωπόφαγος, Menſchen- freſſer. Er hat ein weites Maul, nicht oben am Kopfe, ſondern etwas tiefer herunter, daher er ſich allemal herumbeugen mus, wenn er von oben Fras annimt. Jch habe be- ſonders folgendes Merkwuͤrdige an ihm beobachtet. Erſtlich ein zur Seite anhangendes fremdes Fiſchlein, welches ſich mit dem Maule ſo feſt ins Fleiſch angeſezt hatte, daß man es nur mit einiger Gewalt abreißen konte. Die kundigen Matroſen nanten es einen Saͤu- ger. Zweitens hatte dieſes Thier in ſeinem Bauche ſechs lebendige Jungen, anderthalb Spannen lang. Man ſagt, daß dieſe Jungen, ſo lange ſie noch klein ſind, in den Bauch ein- und auskriechen. Jch habe aber die Moͤglichkeit dieſer Sage bei einer geſchwinden und nicht ſorgfaͤltigen Oefnung des Thiers nicht unterſuchen koͤnnen, da die Franzoſen mit den Jungen zur Kuͤche eilten. Drittens fand ich in beiden hinten im Kopfe neben dem Gehirn eine mit feiner Haut umgebene weiße Subſtanz, wie geſtoßene Krebsaugen, in ziemlicher Menge. Man hub ſie ſehr ſorgfaͤltig auf, als ein bewaͤhrtes Mittel in Stein- ſchmerzen und bei ſchweren Geburten. Nicht lange hernach brachte ein anderer einen ſehr ſchoͤnen Meerſtern mit neun langen Strahlen hervor, deſſen Mittelleib vier Zol, jeder Strahl beinahe anderthalb Span- nen in der Laͤnge, und alſo das ganze Geſchoͤpf drei Span in ſeinem Umfang hatte. Die Oberflaͤche war rauh anzufuͤhlen, als waͤre ſie mit Schuppen beſezt. Der Mittelleib, zwei Zol dicke, praͤſentirte einen beſonders erhabenen ſchwarzen Stern, mit kurzen Strahlen. Jm Mittelpunkt deſſelben war ein ziemlich großes, rundes Loch oder Maul, mit zwei Reihen feiner Zaͤſerlein umgeben. Die großen Strahlen waren viereckigt, fingerdik, gerade und ſpiz zulaufend, von dunkelweißer Farbe, und oben queerweiſe mit ſchwaͤrzlichen Strichen wie ein Tiger gewoͤlket. Beide Reihen waren bis zur aͤußerſten Spitze mit einer dichten Reihe kurzer Stacheln beſezt, die ſich nach der Laͤnge ſchloſſen. Die Unterflaͤche war etwas ſanfter anzufuͤhlen, von Farbe weis, und jeder Strahl zur Seite mit einer Reihe kleiner Fuͤße, wie ein indianiſches Tauſendbein beſezt, die durcheinander eine verwirte, kurzweili- ge Bewegung machten. Der Mittelleib hatte eine maͤßige Hoͤlung, welche von demſelben in jeden Strahl fortgieng. Die innere Subſtanz war weis und ſo haͤrtlich, daß mir die Strahlen unter den Haͤnden zerbrachen. Jch mus auch noch erinnern, daß uns heute und die vorhergehenden Tage in dieſer Gegend eine Menge gewiſſer Seequalmen vorkamen, welche man mit Recht ichthi- othuria oder Fiſchqualmen nennen kan, weil ſie einigermaßen eine Fiſchgeſtalt haben, und den Menſchen wie andere Fiſche zur Nahrung dienen. Die Hollaͤnder nennen ſie nach dem H 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/149>, abgerufen am 24.11.2024.