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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Drit. Kap. Abreise des Verfassers von Judja.
See zurükzieht, wieder wegzunehmen, da sich dann unterdes eine solche Menge Muscheln
daran festgesezt haben, daß funfzig Personen eine hinlängliche Mahlzeit daran finden.

Wir fanden heute alle unsere Leute, Officiers sowol als Gemeine, aus Eifersucht
und allerlei Zänkereien gegen einander sehr aufgebracht, und in der grösten Verwirrung,
die besonders dadurch vermehrt wurde, daß diese Leute aus Bosheit sich im Lau (dem Brar-
tewein dieses Landes) ganz tol soffen. Sie wieder in Ordnung zu bringen, war nicht
meine Sache; ich überlies es unserm Schiffer. Dieser war sonst ein sehr höflicher, leut-
seliger Man (gewis eine nicht geringe Seltenheit unter holländischen Schiffern!) fand
aber doch für gut, hier die Versöhnung damit anzufangen, daß er einige der Europäer in
eiserne Fesseln legte, womit er auch den folgenden Tag fortfuhr.

Den 8ten Jul., wie wir mit Einpacken der leztern Felle beschäftigt waren, ka-
men zwei holländische Kauf bediente von Judja, um, der Gewohnheit nach, unser Schifs-
volk zu mustern. Wir ließen sie den 11ten Jul. unter dreimaliger Lösung aus fünf Kano-
nen mit ihren Schaluppen wieder von uns, da wir südwestlichen Landwind bekamen. Wir
gebrauchten diesen Wind, um mit südöstlicher Fahrt die offene See zu erreichen, und als-
dann mit den südlichen Passatwinden neben den kambodischen, kochinsinesischen und sinesi-
schen Ufern nach Nord-Nordost zu segeln, und dann endlich einen japanischen Hafen
aufzusuchen.

Man hat zwischen Malacca und Japan vier Monate im Jahre beständigen Wind
aus Süden oder Südwesten, welche Zeit man daher die Süd-oder Westsaison oder Mon-
son
nent. Dann wieder vier Monate aus Norden oder N. Osten, welche man die Nord-
oder Ostsaison nent. Zwischen diesen beiden Perioden verlaufen etwa zwei Monate, da
der Wind beständig abwechselt, bis er sich aus seiner vorigen in die gerade entgegengesezte
Lage begeben und darin festgesezt hat. Zuweilen geschieht es wol, daß diese sogenante
Passatwinde sich einige Wochen früher oder später einfinden, als man nach dem gewöhnli-
chen Laufe vermuthen konte. Die Schiffahrt hat allemal Nachtheil davon, wenn dies
geschiehet.

Jn andern Gegenden von Jndien findet man eben diese Saisons, nur wehen
dort, nach Verschiedenheit der Lage der Länder, Ufer und Meere die Winde mehr und be-
ständiger aus Osten und Westen; daher sagt man auch dort Ost- und Westmonsons. Jn
ganz Jndien und dem östlichen Asien müssen alle Schiffahrten nach diesen Winden berechnet
und eingerichtet werden.

Es war bei unserer Abreise eben Südwestsaison, welche unsere Farth begünstigte.
Wir wunden daher mit frischem Muth unsere beide Anker aus dem Grunde, aber verge-
bens; denn der Wind kam bald wieder aus Süden unserer Fahrt entgegen. Wir musten
also mit Laviren, Stilliegen, Anker winden und werfen bei veränderlichem und bisweilen

har-
H 2

Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja.
See zuruͤkzieht, wieder wegzunehmen, da ſich dann unterdes eine ſolche Menge Muſcheln
daran feſtgeſezt haben, daß funfzig Perſonen eine hinlaͤngliche Mahlzeit daran finden.

Wir fanden heute alle unſere Leute, Officiers ſowol als Gemeine, aus Eiferſucht
und allerlei Zaͤnkereien gegen einander ſehr aufgebracht, und in der groͤſten Verwirrung,
die beſonders dadurch vermehrt wurde, daß dieſe Leute aus Bosheit ſich im Lau (dem Brar-
tewein dieſes Landes) ganz tol ſoffen. Sie wieder in Ordnung zu bringen, war nicht
meine Sache; ich uͤberlies es unſerm Schiffer. Dieſer war ſonſt ein ſehr hoͤflicher, leut-
ſeliger Man (gewis eine nicht geringe Seltenheit unter hollaͤndiſchen Schiffern!) fand
aber doch fuͤr gut, hier die Verſoͤhnung damit anzufangen, daß er einige der Europaͤer in
eiſerne Feſſeln legte, womit er auch den folgenden Tag fortfuhr.

Den 8ten Jul., wie wir mit Einpacken der leztern Felle beſchaͤftigt waren, ka-
men zwei hollaͤndiſche Kauf bediente von Judja, um, der Gewohnheit nach, unſer Schifs-
volk zu muſtern. Wir ließen ſie den 11ten Jul. unter dreimaliger Loͤſung aus fuͤnf Kano-
nen mit ihren Schaluppen wieder von uns, da wir ſuͤdweſtlichen Landwind bekamen. Wir
gebrauchten dieſen Wind, um mit ſuͤdoͤſtlicher Fahrt die offene See zu erreichen, und als-
dann mit den ſuͤdlichen Paſſatwinden neben den kambodiſchen, kochinſineſiſchen und ſineſi-
ſchen Ufern nach Nord-Nordoſt zu ſegeln, und dann endlich einen japaniſchen Hafen
aufzuſuchen.

Man hat zwiſchen Malacca und Japan vier Monate im Jahre beſtaͤndigen Wind
aus Suͤden oder Suͤdweſten, welche Zeit man daher die Suͤd-oder Weſtſaiſon oder Mon-
ſon
nent. Dann wieder vier Monate aus Norden oder N. Oſten, welche man die Nord-
oder Oſtſaiſon nent. Zwiſchen dieſen beiden Perioden verlaufen etwa zwei Monate, da
der Wind beſtaͤndig abwechſelt, bis er ſich aus ſeiner vorigen in die gerade entgegengeſezte
Lage begeben und darin feſtgeſezt hat. Zuweilen geſchieht es wol, daß dieſe ſogenante
Paſſatwinde ſich einige Wochen fruͤher oder ſpaͤter einfinden, als man nach dem gewoͤhnli-
chen Laufe vermuthen konte. Die Schiffahrt hat allemal Nachtheil davon, wenn dies
geſchiehet.

Jn andern Gegenden von Jndien findet man eben dieſe Saiſons, nur wehen
dort, nach Verſchiedenheit der Lage der Laͤnder, Ufer und Meere die Winde mehr und be-
ſtaͤndiger aus Oſten und Weſten; daher ſagt man auch dort Oſt- und Weſtmonſons. Jn
ganz Jndien und dem oͤſtlichen Aſien muͤſſen alle Schiffahrten nach dieſen Winden berechnet
und eingerichtet werden.

Es war bei unſerer Abreiſe eben Suͤdweſtſaiſon, welche unſere Farth beguͤnſtigte.
Wir wunden daher mit friſchem Muth unſere beide Anker aus dem Grunde, aber verge-
bens; denn der Wind kam bald wieder aus Suͤden unſerer Fahrt entgegen. Wir muſten
alſo mit Laviren, Stilliegen, Anker winden und werfen bei veraͤnderlichem und bisweilen

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[59/0147] Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja. See zuruͤkzieht, wieder wegzunehmen, da ſich dann unterdes eine ſolche Menge Muſcheln daran feſtgeſezt haben, daß funfzig Perſonen eine hinlaͤngliche Mahlzeit daran finden. Wir fanden heute alle unſere Leute, Officiers ſowol als Gemeine, aus Eiferſucht und allerlei Zaͤnkereien gegen einander ſehr aufgebracht, und in der groͤſten Verwirrung, die beſonders dadurch vermehrt wurde, daß dieſe Leute aus Bosheit ſich im Lau (dem Brar- tewein dieſes Landes) ganz tol ſoffen. Sie wieder in Ordnung zu bringen, war nicht meine Sache; ich uͤberlies es unſerm Schiffer. Dieſer war ſonſt ein ſehr hoͤflicher, leut- ſeliger Man (gewis eine nicht geringe Seltenheit unter hollaͤndiſchen Schiffern!) fand aber doch fuͤr gut, hier die Verſoͤhnung damit anzufangen, daß er einige der Europaͤer in eiſerne Feſſeln legte, womit er auch den folgenden Tag fortfuhr. Den 8ten Jul., wie wir mit Einpacken der leztern Felle beſchaͤftigt waren, ka- men zwei hollaͤndiſche Kauf bediente von Judja, um, der Gewohnheit nach, unſer Schifs- volk zu muſtern. Wir ließen ſie den 11ten Jul. unter dreimaliger Loͤſung aus fuͤnf Kano- nen mit ihren Schaluppen wieder von uns, da wir ſuͤdweſtlichen Landwind bekamen. Wir gebrauchten dieſen Wind, um mit ſuͤdoͤſtlicher Fahrt die offene See zu erreichen, und als- dann mit den ſuͤdlichen Paſſatwinden neben den kambodiſchen, kochinſineſiſchen und ſineſi- ſchen Ufern nach Nord-Nordoſt zu ſegeln, und dann endlich einen japaniſchen Hafen aufzuſuchen. Man hat zwiſchen Malacca und Japan vier Monate im Jahre beſtaͤndigen Wind aus Suͤden oder Suͤdweſten, welche Zeit man daher die Suͤd-oder Weſtſaiſon oder Mon- ſon nent. Dann wieder vier Monate aus Norden oder N. Oſten, welche man die Nord- oder Oſtſaiſon nent. Zwiſchen dieſen beiden Perioden verlaufen etwa zwei Monate, da der Wind beſtaͤndig abwechſelt, bis er ſich aus ſeiner vorigen in die gerade entgegengeſezte Lage begeben und darin feſtgeſezt hat. Zuweilen geſchieht es wol, daß dieſe ſogenante Paſſatwinde ſich einige Wochen fruͤher oder ſpaͤter einfinden, als man nach dem gewoͤhnli- chen Laufe vermuthen konte. Die Schiffahrt hat allemal Nachtheil davon, wenn dies geſchiehet. Jn andern Gegenden von Jndien findet man eben dieſe Saiſons, nur wehen dort, nach Verſchiedenheit der Lage der Laͤnder, Ufer und Meere die Winde mehr und be- ſtaͤndiger aus Oſten und Weſten; daher ſagt man auch dort Oſt- und Weſtmonſons. Jn ganz Jndien und dem oͤſtlichen Aſien muͤſſen alle Schiffahrten nach dieſen Winden berechnet und eingerichtet werden. Es war bei unſerer Abreiſe eben Suͤdweſtſaiſon, welche unſere Farth beguͤnſtigte. Wir wunden daher mit friſchem Muth unſere beide Anker aus dem Grunde, aber verge- bens; denn der Wind kam bald wieder aus Suͤden unſerer Fahrt entgegen. Wir muſten alſo mit Laviren, Stilliegen, Anker winden und werfen bei veraͤnderlichem und bisweilen har- H 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/147>, abgerufen am 28.11.2024.