Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch. die linke Schulter hängt ihnen bis zum Nabel hinunter ein eng zusammengefaltenes Tuchvon eben dieser Farbe. Die Ohrläplein sind mit einem Ris durchlöchert, und so lang, daß sie bis auf die Schulter reichen. Das Haupthaar ist kraus, und die Scheitel hinauf zwei- mal über einander gebunden. Doch kan man nicht recht erkennen, ob es nicht vielmehr ei- ne Mütze oder Zierrath seyn sol? Die rechte Hand liegt auf dem rechten Knie, die linke ruht im Schooße. Den mitlern und Oberplaz nimt in dieser Lage ein Götze von über- menschlicher Größe ein, mit einem überhangenden Himmel oder Krone, welcher den ersten Lehrer oder Stifter ihrer Religion vorstelt. Sie nennen ihn Prah, d. i. den Heiligen, oder Prah Pudi Djan, d. i. den Heiligen von hoher Abkunft; oder auch mit einem be- sondern Namen Sammona Khodum, oder wie es die Peguer aussprechen, Sammo- na Khutama, d. i. einen Menschen ohne Affekten. Die Sineser und Japaner nennen ihn Sjaka oder Saka; die Zingalesen*) Budhum oder Budha. Dieser Prah fin- det sich in einigen Tempeln in ganz abentheurlicher Größe. Außer der Stadt in einem pegusischen Tempel (Tsjan pnun tsim in peguscher Sprache genant) sizt einer stark verguldet auf einem erhabenen Boden, der hundert und zwanzig Fus in der Länge hat. Die japanische Hauptstadt Miako wird uns künftig noch mit einem andern bekant machen, welcher diesem an Größe und Schönheit nicht nachgiebt. Die erwähnte Lage des Götzen ist gerade diejenige, in welcher er und nach seinem Muster auch seine Anhänger sich allemal zu stellen pflegten, wenn sie götlichen Dingen nachgrübelten, oder sich im Enthu- siasmus befanden. Auch noch jezt müssen die Priester von dieser Religionsparthei täglich einige Stunden in dieser Stellung niedersitzen, wenn sie nach ihren Regeln im Enthusias- mus, im Nachsinnen und Andacht sich üben. Sie gehen auch beständig in der Kleidung der Götzen einher, nur haben sie den Kopf ganz glat geschoren. Das Gesicht schützen sie durch einen runden Sonnenwedel von Palmholz oder Blättern vor der Hitze. Neben den Tempeln wohnen dann die Mönche in sehr schlechten Klosterhäusern, Mön- *) Oder Singalesen sind die ursprünglichen Einwohner der Jnsel Selam (Ceylon).
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. die linke Schulter haͤngt ihnen bis zum Nabel hinunter ein eng zuſammengefaltenes Tuchvon eben dieſer Farbe. Die Ohrlaͤplein ſind mit einem Ris durchloͤchert, und ſo lang, daß ſie bis auf die Schulter reichen. Das Haupthaar iſt kraus, und die Scheitel hinauf zwei- mal uͤber einander gebunden. Doch kan man nicht recht erkennen, ob es nicht vielmehr ei- ne Muͤtze oder Zierrath ſeyn ſol? Die rechte Hand liegt auf dem rechten Knie, die linke ruht im Schooße. Den mitlern und Oberplaz nimt in dieſer Lage ein Goͤtze von uͤber- menſchlicher Groͤße ein, mit einem uͤberhangenden Himmel oder Krone, welcher den erſten Lehrer oder Stifter ihrer Religion vorſtelt. Sie nennen ihn Prah, d. i. den Heiligen, oder Prah Pudi Djan, d. i. den Heiligen von hoher Abkunft; oder auch mit einem be- ſondern Namen Sammona Khodum, oder wie es die Peguer ausſprechen, Sammo- na Khutama, d. i. einen Menſchen ohne Affekten. Die Sineſer und Japaner nennen ihn Sjaka oder Saka; die Zingaleſen*) Budhum oder Budha. Dieſer Prah fin- det ſich in einigen Tempeln in ganz abentheurlicher Groͤße. Außer der Stadt in einem peguſiſchen Tempel (Tſjan pnun tſim in peguſcher Sprache genant) ſizt einer ſtark verguldet auf einem erhabenen Boden, der hundert und zwanzig Fus in der Laͤnge hat. Die japaniſche Hauptſtadt Miako wird uns kuͤnftig noch mit einem andern bekant machen, welcher dieſem an Groͤße und Schoͤnheit nicht nachgiebt. Die erwaͤhnte Lage des Goͤtzen iſt gerade diejenige, in welcher er und nach ſeinem Muſter auch ſeine Anhaͤnger ſich allemal zu ſtellen pflegten, wenn ſie goͤtlichen Dingen nachgruͤbelten, oder ſich im Enthu- ſiasmus befanden. Auch noch jezt muͤſſen die Prieſter von dieſer Religionsparthei taͤglich einige Stunden in dieſer Stellung niederſitzen, wenn ſie nach ihren Regeln im Enthuſias- mus, im Nachſinnen und Andacht ſich uͤben. Sie gehen auch beſtaͤndig in der Kleidung der Goͤtzen einher, nur haben ſie den Kopf ganz glat geſchoren. Das Geſicht ſchuͤtzen ſie durch einen runden Sonnenwedel von Palmholz oder Blaͤttern vor der Hitze. Neben den Tempeln wohnen dann die Moͤnche in ſehr ſchlechten Kloſterhaͤuſern, Moͤn- *) Oder Singaleſen ſind die urſpruͤnglichen Einwohner der Jnſel Selam (Ceylon).
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.</hi></fw><lb/> die linke Schulter haͤngt ihnen bis zum Nabel hinunter ein eng zuſammengefaltenes Tuch<lb/> von eben dieſer Farbe. Die Ohrlaͤplein ſind mit einem Ris durchloͤchert, und ſo lang, daß<lb/> ſie bis auf die Schulter reichen. Das Haupthaar iſt kraus, und die Scheitel hinauf zwei-<lb/> mal uͤber einander gebunden. Doch kan man nicht recht erkennen, ob es nicht vielmehr ei-<lb/> ne Muͤtze oder Zierrath ſeyn ſol? Die rechte Hand liegt auf dem rechten Knie, die linke<lb/> ruht im Schooße. Den mitlern und Oberplaz nimt in dieſer Lage ein Goͤtze von uͤber-<lb/> menſchlicher Groͤße ein, mit einem uͤberhangenden Himmel oder Krone, welcher den erſten<lb/> Lehrer oder Stifter ihrer Religion vorſtelt. Sie nennen ihn <hi rendition="#fr">Prah,</hi> d. i. den Heiligen,<lb/> oder <hi rendition="#fr">Prah Pudi Djan,</hi> d. i. den Heiligen von hoher Abkunft; oder auch mit einem be-<lb/> ſondern Namen <hi rendition="#fr">Sammona Khodum,</hi> oder wie es die <hi rendition="#fr">Peguer</hi> ausſprechen, <hi rendition="#fr">Sammo-<lb/> na Khutama,</hi> d. i. einen Menſchen ohne Affekten. Die Sineſer und Japaner nennen<lb/> ihn <hi rendition="#fr">Sjaka</hi> oder <hi rendition="#fr">Saka;</hi> die <hi rendition="#fr">Zingaleſen</hi><note place="foot" n="*)">Oder Singaleſen ſind die urſpruͤnglichen Einwohner der Jnſel Selam (Ceylon).</note> <hi rendition="#fr">Budhum</hi> oder <hi rendition="#fr">Budha.</hi> Dieſer <hi rendition="#fr">Prah</hi> fin-<lb/> det ſich in einigen Tempeln in ganz abentheurlicher Groͤße. Außer der Stadt in einem<lb/> peguſiſchen Tempel (<hi rendition="#fr">Tſjan pnun tſim</hi> in <hi rendition="#fr">peguſcher</hi> Sprache genant) ſizt einer ſtark<lb/> verguldet auf einem erhabenen Boden, der hundert und zwanzig Fus in der Laͤnge hat.<lb/> Die japaniſche Hauptſtadt <hi rendition="#fr">Miako</hi> wird uns kuͤnftig noch mit einem andern bekant machen,<lb/> welcher dieſem an Groͤße und Schoͤnheit nicht nachgiebt. Die erwaͤhnte Lage des Goͤtzen<lb/> iſt gerade diejenige, in welcher er und nach ſeinem Muſter auch ſeine Anhaͤnger ſich<lb/> allemal zu ſtellen pflegten, wenn ſie goͤtlichen Dingen nachgruͤbelten, oder ſich im Enthu-<lb/> ſiasmus befanden. Auch noch jezt muͤſſen die Prieſter von dieſer Religionsparthei taͤglich<lb/> einige Stunden in dieſer Stellung niederſitzen, wenn ſie nach ihren Regeln im Enthuſias-<lb/> mus, im Nachſinnen und Andacht ſich uͤben. Sie gehen auch beſtaͤndig in der Kleidung<lb/> der Goͤtzen einher, nur haben ſie den Kopf ganz glat geſchoren. Das Geſicht ſchuͤtzen ſie<lb/> durch einen runden Sonnenwedel von Palmholz oder Blaͤttern vor der Hitze.</p><lb/> <p>Neben den Tempeln wohnen dann die Moͤnche in ſehr ſchlechten Kloſterhaͤuſern,<lb/> und haben zur Seite ein oͤffentliches <hi rendition="#fr">Prah Khdi</hi> oder Lehr- und Predigthaus. Es iſt ge-<lb/> meiniglich ein hoͤlzernes Gebaͤude von mitlerer Groͤße, den Tempeln nicht unaͤhnlich, an<lb/> den Dachraͤnden verguldet, mit Treppen von wenigen Stuffen; und mit vielen hoͤlzernen<lb/> Schauben ſtat der Fenſter, um bei oͤffentlicher Verſamlung in den Lehrſtunden die kuͤhle<lb/> Luft durchzulaſſen. Jnwendig halten zwei Reihen Pfeiler den Soͤller; und der Raum iſt<lb/> in verſchiedene Klaſſen und Baͤnke abgetheilt. Jn der Mitte ſteht ein kuͤnſtlich geſchnizter<lb/> und verguldeter Lehrſtuhl, einige Stuffen uͤber den Boden erhaben, und von eben der<lb/> Form, wie in unſern Kirchen. Auf dieſem Stuhle pflegt in gewiſſen Stunden ſich ein al-<lb/> tet Pfaf einzufinden, und ſeinen Zuhoͤrern (welche meiſtens aus Studenten oder jungen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Moͤn-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0118]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
die linke Schulter haͤngt ihnen bis zum Nabel hinunter ein eng zuſammengefaltenes Tuch
von eben dieſer Farbe. Die Ohrlaͤplein ſind mit einem Ris durchloͤchert, und ſo lang, daß
ſie bis auf die Schulter reichen. Das Haupthaar iſt kraus, und die Scheitel hinauf zwei-
mal uͤber einander gebunden. Doch kan man nicht recht erkennen, ob es nicht vielmehr ei-
ne Muͤtze oder Zierrath ſeyn ſol? Die rechte Hand liegt auf dem rechten Knie, die linke
ruht im Schooße. Den mitlern und Oberplaz nimt in dieſer Lage ein Goͤtze von uͤber-
menſchlicher Groͤße ein, mit einem uͤberhangenden Himmel oder Krone, welcher den erſten
Lehrer oder Stifter ihrer Religion vorſtelt. Sie nennen ihn Prah, d. i. den Heiligen,
oder Prah Pudi Djan, d. i. den Heiligen von hoher Abkunft; oder auch mit einem be-
ſondern Namen Sammona Khodum, oder wie es die Peguer ausſprechen, Sammo-
na Khutama, d. i. einen Menſchen ohne Affekten. Die Sineſer und Japaner nennen
ihn Sjaka oder Saka; die Zingaleſen *) Budhum oder Budha. Dieſer Prah fin-
det ſich in einigen Tempeln in ganz abentheurlicher Groͤße. Außer der Stadt in einem
peguſiſchen Tempel (Tſjan pnun tſim in peguſcher Sprache genant) ſizt einer ſtark
verguldet auf einem erhabenen Boden, der hundert und zwanzig Fus in der Laͤnge hat.
Die japaniſche Hauptſtadt Miako wird uns kuͤnftig noch mit einem andern bekant machen,
welcher dieſem an Groͤße und Schoͤnheit nicht nachgiebt. Die erwaͤhnte Lage des Goͤtzen
iſt gerade diejenige, in welcher er und nach ſeinem Muſter auch ſeine Anhaͤnger ſich
allemal zu ſtellen pflegten, wenn ſie goͤtlichen Dingen nachgruͤbelten, oder ſich im Enthu-
ſiasmus befanden. Auch noch jezt muͤſſen die Prieſter von dieſer Religionsparthei taͤglich
einige Stunden in dieſer Stellung niederſitzen, wenn ſie nach ihren Regeln im Enthuſias-
mus, im Nachſinnen und Andacht ſich uͤben. Sie gehen auch beſtaͤndig in der Kleidung
der Goͤtzen einher, nur haben ſie den Kopf ganz glat geſchoren. Das Geſicht ſchuͤtzen ſie
durch einen runden Sonnenwedel von Palmholz oder Blaͤttern vor der Hitze.
Neben den Tempeln wohnen dann die Moͤnche in ſehr ſchlechten Kloſterhaͤuſern,
und haben zur Seite ein oͤffentliches Prah Khdi oder Lehr- und Predigthaus. Es iſt ge-
meiniglich ein hoͤlzernes Gebaͤude von mitlerer Groͤße, den Tempeln nicht unaͤhnlich, an
den Dachraͤnden verguldet, mit Treppen von wenigen Stuffen; und mit vielen hoͤlzernen
Schauben ſtat der Fenſter, um bei oͤffentlicher Verſamlung in den Lehrſtunden die kuͤhle
Luft durchzulaſſen. Jnwendig halten zwei Reihen Pfeiler den Soͤller; und der Raum iſt
in verſchiedene Klaſſen und Baͤnke abgetheilt. Jn der Mitte ſteht ein kuͤnſtlich geſchnizter
und verguldeter Lehrſtuhl, einige Stuffen uͤber den Boden erhaben, und von eben der
Form, wie in unſern Kirchen. Auf dieſem Stuhle pflegt in gewiſſen Stunden ſich ein al-
tet Pfaf einzufinden, und ſeinen Zuhoͤrern (welche meiſtens aus Studenten oder jungen
Moͤn-
*) Oder Singaleſen ſind die urſpruͤnglichen Einwohner der Jnſel Selam (Ceylon).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |