Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.1. Ich ritt von Sir Drunkner nach Hause. Sir Drunkner hatte Energie; ein gewöhnliches philosophisches Räuschchen widerstand ihm, wie dem Löwen der Sieg über eine Maus; der Wein mußte mit seinem Verstande so gewaltig und nicht selten glücklicher als die Giganten mit den Göttern kämpfen, wenn er sich wohlbefinden sollte. Wir hatten uns auf dem Kaffeehause kennen gelernt; er hatte mich nach Altona eingeladen, und ich mit dem kräftigen Britten so heldenmäßig getrunken, daß mir gerade noch so viel Gleichgewicht blieb, auf meinem Falben zu hängen, und so viel Besinnung, den Weg nach Hamburg ohne Boten zu finden. Es war ein schöner, kühler Maimorgen; ich sog begierig die stärkende Luft, die mir entgegen duftete, in meine erhitzte Lunge ein, während mein Falber in kurzem Galopp mich forttrug, und ahndete Schlaf bis an den hellen Mittag, und Träume so hold und erquickend, wie der dämmernde Tag um mich her. In meines Vaters Comtoir war Licht. Es nahm mich Wunder, weil es erst um drei war, und ich ging hinein. Mein Vater saß vor seinem Schreibtisch; neben 1. Ich ritt von Sir Drunkner nach Hause. Sir Drunkner hatte Energie; ein gewöhnliches philosophisches Räuschchen widerstand ihm, wie dem Löwen der Sieg über eine Maus; der Wein mußte mit seinem Verstande so gewaltig und nicht selten glücklicher als die Giganten mit den Göttern kämpfen, wenn er sich wohlbefinden sollte. Wir hatten uns auf dem Kaffeehause kennen gelernt; er hatte mich nach Altona eingeladen, und ich mit dem kräftigen Britten so heldenmäßig getrunken, daß mir gerade noch so viel Gleichgewicht blieb, auf meinem Falben zu hängen, und so viel Besinnung, den Weg nach Hamburg ohne Boten zu finden. Es war ein schöner, kühler Maimorgen; ich sog begierig die stärkende Luft, die mir entgegen duftete, in meine erhitzte Lunge ein, während mein Falber in kurzem Galopp mich forttrug, und ahndete Schlaf bis an den hellen Mittag, und Träume so hold und erquickend, wie der dämmernde Tag um mich her. In meines Vaters Comtoir war Licht. Es nahm mich Wunder, weil es erst um drei war, und ich ging hinein. Mein Vater saß vor seinem Schreibtisch; neben <TEI> <text> <pb facs="#f0006"/> <body> <div type="chapter" n="1"> <head>1.</head> <p>Ich ritt von Sir Drunkner nach Hause. Sir Drunkner hatte Energie; ein gewöhnliches philosophisches Räuschchen widerstand ihm, wie dem Löwen der Sieg über eine Maus; der Wein mußte mit seinem Verstande so gewaltig und nicht selten glücklicher als die Giganten mit den Göttern kämpfen, wenn er sich wohlbefinden sollte. Wir hatten uns auf dem Kaffeehause kennen gelernt; er hatte mich nach Altona eingeladen, und ich mit dem kräftigen Britten so heldenmäßig getrunken, daß mir gerade noch so viel Gleichgewicht blieb, auf meinem Falben zu hängen, und so viel Besinnung, den Weg nach Hamburg ohne Boten zu finden.</p><lb/> <p>Es war ein schöner, kühler Maimorgen; ich sog begierig die stärkende Luft, die mir entgegen duftete, in meine erhitzte Lunge ein, während mein Falber in kurzem Galopp mich forttrug, und ahndete Schlaf bis an den hellen Mittag, und Träume so hold und erquickend, wie der dämmernde Tag um mich her. In meines Vaters Comtoir war Licht. Es nahm mich Wunder, weil es erst um drei war, und ich ging hinein. Mein Vater saß vor seinem Schreibtisch; neben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0006]
1. Ich ritt von Sir Drunkner nach Hause. Sir Drunkner hatte Energie; ein gewöhnliches philosophisches Räuschchen widerstand ihm, wie dem Löwen der Sieg über eine Maus; der Wein mußte mit seinem Verstande so gewaltig und nicht selten glücklicher als die Giganten mit den Göttern kämpfen, wenn er sich wohlbefinden sollte. Wir hatten uns auf dem Kaffeehause kennen gelernt; er hatte mich nach Altona eingeladen, und ich mit dem kräftigen Britten so heldenmäßig getrunken, daß mir gerade noch so viel Gleichgewicht blieb, auf meinem Falben zu hängen, und so viel Besinnung, den Weg nach Hamburg ohne Boten zu finden.
Es war ein schöner, kühler Maimorgen; ich sog begierig die stärkende Luft, die mir entgegen duftete, in meine erhitzte Lunge ein, während mein Falber in kurzem Galopp mich forttrug, und ahndete Schlaf bis an den hellen Mittag, und Träume so hold und erquickend, wie der dämmernde Tag um mich her. In meines Vaters Comtoir war Licht. Es nahm mich Wunder, weil es erst um drei war, und ich ging hinein. Mein Vater saß vor seinem Schreibtisch; neben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/6 |
Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/6>, abgerufen am 16.02.2025. |