Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.17. Endlich! rief Angelique und zog mich bei der Hand zum Tisch, wo der Geistliche stand, mit Gewalt; aber mein Gesicht war zu Victoiren hingewandt, die hocherröthend und unendlich schöner, als sie mir je erschienen war, ihre Augen ernsthaft auf mich heftete. Ihre Liebe scheint der Peitsche zu bedürfen, sagte Angelique. Fangen Sie nur immer an, Mr. La Tournelle. Ich erwachte aus meiner Betäubung; ohne zu wissen, was ich that, entriß ich Angeliquen meine Hand und blickte erschrocken den Geistlichen an, der lächelnd schwieg. Victoire stand unbeweglich. An ihrem Finger blitzte mein Solitair, und die Armbänder, die ich in Orleans verkauft hatte, an ihrer Hand. Aller Augen waren auf mich gerichtet, und ich glaubte unter die Erde sinken zu müssen. Ich bitte Sie, Cousin, rief Angelique, lassen Sie sich mit Victoiren trauen. So lange mein Bräutigam noch eine Schwester ledig sieht, denkt er, es sei Schuldigkeit, an ihr auch seine Liebe zu versuchen. Der Cousin ging zu ihr hin. Länger hielt ich mich nicht -- ich flog vom Tische weg, zu Victoiren, und ergriff ihre Hand, die sie mir, erröthend, mit einem zärtlichen Blicke überließ. Ist es möglich? sagte ich, ich habe keine Ansprüche auf Ihre Verzeihung, aber mit den mächtigen Gefühlen, die Sie mich 17. Endlich! rief Angelique und zog mich bei der Hand zum Tisch, wo der Geistliche stand, mit Gewalt; aber mein Gesicht war zu Victoiren hingewandt, die hocherröthend und unendlich schöner, als sie mir je erschienen war, ihre Augen ernsthaft auf mich heftete. Ihre Liebe scheint der Peitsche zu bedürfen, sagte Angelique. Fangen Sie nur immer an, Mr. La Tournelle. Ich erwachte aus meiner Betäubung; ohne zu wissen, was ich that, entriß ich Angeliquen meine Hand und blickte erschrocken den Geistlichen an, der lächelnd schwieg. Victoire stand unbeweglich. An ihrem Finger blitzte mein Solitair, und die Armbänder, die ich in Orleans verkauft hatte, an ihrer Hand. Aller Augen waren auf mich gerichtet, und ich glaubte unter die Erde sinken zu müssen. Ich bitte Sie, Cousin, rief Angelique, lassen Sie sich mit Victoiren trauen. So lange mein Bräutigam noch eine Schwester ledig sieht, denkt er, es sei Schuldigkeit, an ihr auch seine Liebe zu versuchen. Der Cousin ging zu ihr hin. Länger hielt ich mich nicht — ich flog vom Tische weg, zu Victoiren, und ergriff ihre Hand, die sie mir, erröthend, mit einem zärtlichen Blicke überließ. Ist es möglich? sagte ich, ich habe keine Ansprüche auf Ihre Verzeihung, aber mit den mächtigen Gefühlen, die Sie mich <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0057"/> <div type="chapter" n="17"> <head>17.</head> <p>Endlich! rief Angelique und zog mich bei der Hand zum Tisch, wo der Geistliche stand, mit Gewalt; aber mein Gesicht war zu Victoiren hingewandt, die hocherröthend und unendlich schöner, als sie mir je erschienen war, ihre Augen ernsthaft auf mich heftete.</p><lb/> <p>Ihre Liebe scheint der Peitsche zu bedürfen, sagte Angelique. Fangen Sie nur immer an, Mr. La Tournelle.</p><lb/> <p>Ich erwachte aus meiner Betäubung; ohne zu wissen, was ich that, entriß ich Angeliquen meine Hand und blickte erschrocken den Geistlichen an, der lächelnd schwieg.</p><lb/> <p>Victoire stand unbeweglich. An ihrem Finger blitzte mein Solitair, und die Armbänder, die ich in Orleans verkauft hatte, an ihrer Hand. Aller Augen waren auf mich gerichtet, und ich glaubte unter die Erde sinken zu müssen.</p><lb/> <p>Ich bitte Sie, Cousin, rief Angelique, lassen Sie sich mit Victoiren trauen. So lange mein Bräutigam noch eine Schwester ledig sieht, denkt er, es sei Schuldigkeit, an ihr auch seine Liebe zu versuchen.</p><lb/> <p>Der Cousin ging zu ihr hin. Länger hielt ich mich nicht — ich flog vom Tische weg, zu Victoiren, und ergriff ihre Hand, die sie mir, erröthend, mit einem zärtlichen Blicke überließ. Ist es möglich? sagte ich, ich habe keine Ansprüche auf Ihre Verzeihung, aber mit den mächtigen Gefühlen, die Sie mich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
17. Endlich! rief Angelique und zog mich bei der Hand zum Tisch, wo der Geistliche stand, mit Gewalt; aber mein Gesicht war zu Victoiren hingewandt, die hocherröthend und unendlich schöner, als sie mir je erschienen war, ihre Augen ernsthaft auf mich heftete.
Ihre Liebe scheint der Peitsche zu bedürfen, sagte Angelique. Fangen Sie nur immer an, Mr. La Tournelle.
Ich erwachte aus meiner Betäubung; ohne zu wissen, was ich that, entriß ich Angeliquen meine Hand und blickte erschrocken den Geistlichen an, der lächelnd schwieg.
Victoire stand unbeweglich. An ihrem Finger blitzte mein Solitair, und die Armbänder, die ich in Orleans verkauft hatte, an ihrer Hand. Aller Augen waren auf mich gerichtet, und ich glaubte unter die Erde sinken zu müssen.
Ich bitte Sie, Cousin, rief Angelique, lassen Sie sich mit Victoiren trauen. So lange mein Bräutigam noch eine Schwester ledig sieht, denkt er, es sei Schuldigkeit, an ihr auch seine Liebe zu versuchen.
Der Cousin ging zu ihr hin. Länger hielt ich mich nicht — ich flog vom Tische weg, zu Victoiren, und ergriff ihre Hand, die sie mir, erröthend, mit einem zärtlichen Blicke überließ. Ist es möglich? sagte ich, ich habe keine Ansprüche auf Ihre Verzeihung, aber mit den mächtigen Gefühlen, die Sie mich
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/57>, abgerufen am 17.07.2024. |