Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Herzen tausend Mal die Stunde, wo ich Mr. Gerson's Haus betreten und diese Schwestern kennen gelernt hatte, die ihre Vollkommenheiten nur mir zur Plage besaßen. Ich bitte Sie, Cousin Cicisbeo, sagte Angelique und deutete mit dem Finger auf mich, betrachten Sie diesen armen Sünder. Sein Vater schickt ihn aus Hamburg, weil ihn die Weiber dort so genau kennen, daß ihn keine mag. Drei Schwestern, die Kleinode von ganz Frankreich, harren auf den Hamburger Meß- und Märzbräutigam, wie Sklavinnen in Smyrna auf den Käufer. O, denkt er, die danken Gott, wenn ich komme, früh oder spät -- und macht einen Abstecher von drei Wochen, um sich erst noch ein Mal recht auszutoben, eh' er ein Hausvater wird. Das Reisegeld ist weg, und er ist klug genug, statt des Hungertodes in Paris die fette Küche und den reichen Keller des unbekannten Schwiegervaters zu erkiesen. Aber wie hinkommen? Der Brautschmuck muß aushelfen, so viel die Pariser Freundinnen davon übrig gelassen haben. Guter Gott! rief ich -- Schweigen Sie. Dieser Herr soll Sie kennen lernen. Er kömmt, und sieht die Erste. Sie gefällt seinen Augen wohl, und die Schönste in ganz Bordeaux wird seine Braut. Ich komme, er hört mich. Durch seine Ohren fasse ich ihn. Wie ungerecht! Herzen tausend Mal die Stunde, wo ich Mr. Gerson's Haus betreten und diese Schwestern kennen gelernt hatte, die ihre Vollkommenheiten nur mir zur Plage besaßen. Ich bitte Sie, Cousin Cicisbeo, sagte Angelique und deutete mit dem Finger auf mich, betrachten Sie diesen armen Sünder. Sein Vater schickt ihn aus Hamburg, weil ihn die Weiber dort so genau kennen, daß ihn keine mag. Drei Schwestern, die Kleinode von ganz Frankreich, harren auf den Hamburger Meß- und Märzbräutigam, wie Sklavinnen in Smyrna auf den Käufer. O, denkt er, die danken Gott, wenn ich komme, früh oder spät — und macht einen Abstecher von drei Wochen, um sich erst noch ein Mal recht auszutoben, eh' er ein Hausvater wird. Das Reisegeld ist weg, und er ist klug genug, statt des Hungertodes in Paris die fette Küche und den reichen Keller des unbekannten Schwiegervaters zu erkiesen. Aber wie hinkommen? Der Brautschmuck muß aushelfen, so viel die Pariser Freundinnen davon übrig gelassen haben. Guter Gott! rief ich — Schweigen Sie. Dieser Herr soll Sie kennen lernen. Er kömmt, und sieht die Erste. Sie gefällt seinen Augen wohl, und die Schönste in ganz Bordeaux wird seine Braut. Ich komme, er hört mich. Durch seine Ohren fasse ich ihn. Wie ungerecht! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="15"> <p><pb facs="#f0053"/> Herzen tausend Mal die Stunde, wo ich Mr. Gerson's Haus betreten und diese Schwestern kennen gelernt hatte, die ihre Vollkommenheiten nur mir zur Plage besaßen.</p><lb/> <p>Ich bitte Sie, Cousin Cicisbeo, sagte Angelique und deutete mit dem Finger auf mich, betrachten Sie diesen armen Sünder. Sein Vater schickt ihn aus Hamburg, weil ihn die Weiber dort so genau kennen, daß ihn keine mag. Drei Schwestern, die Kleinode von ganz Frankreich, harren auf den Hamburger Meß- und Märzbräutigam, wie Sklavinnen in Smyrna auf den Käufer. O, denkt er, die danken Gott, wenn ich komme, früh oder spät — und macht einen Abstecher von drei Wochen, um sich erst noch ein Mal recht auszutoben, eh' er ein Hausvater wird. Das Reisegeld ist weg, und er ist klug genug, statt des Hungertodes in Paris die fette Küche und den reichen Keller des unbekannten Schwiegervaters zu erkiesen. Aber wie hinkommen? Der Brautschmuck muß aushelfen, so viel die Pariser Freundinnen davon übrig gelassen haben.</p><lb/> <p>Guter Gott! rief ich —</p><lb/> <p>Schweigen Sie. Dieser Herr soll Sie kennen lernen. Er kömmt, und sieht die Erste. Sie gefällt seinen Augen wohl, und die Schönste in ganz Bordeaux wird seine Braut. Ich komme, er hört mich. Durch seine Ohren fasse ich ihn.</p><lb/> <p>Wie ungerecht!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
Herzen tausend Mal die Stunde, wo ich Mr. Gerson's Haus betreten und diese Schwestern kennen gelernt hatte, die ihre Vollkommenheiten nur mir zur Plage besaßen.
Ich bitte Sie, Cousin Cicisbeo, sagte Angelique und deutete mit dem Finger auf mich, betrachten Sie diesen armen Sünder. Sein Vater schickt ihn aus Hamburg, weil ihn die Weiber dort so genau kennen, daß ihn keine mag. Drei Schwestern, die Kleinode von ganz Frankreich, harren auf den Hamburger Meß- und Märzbräutigam, wie Sklavinnen in Smyrna auf den Käufer. O, denkt er, die danken Gott, wenn ich komme, früh oder spät — und macht einen Abstecher von drei Wochen, um sich erst noch ein Mal recht auszutoben, eh' er ein Hausvater wird. Das Reisegeld ist weg, und er ist klug genug, statt des Hungertodes in Paris die fette Küche und den reichen Keller des unbekannten Schwiegervaters zu erkiesen. Aber wie hinkommen? Der Brautschmuck muß aushelfen, so viel die Pariser Freundinnen davon übrig gelassen haben.
Guter Gott! rief ich —
Schweigen Sie. Dieser Herr soll Sie kennen lernen. Er kömmt, und sieht die Erste. Sie gefällt seinen Augen wohl, und die Schönste in ganz Bordeaux wird seine Braut. Ich komme, er hört mich. Durch seine Ohren fasse ich ihn.
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/53>, abgerufen am 16.07.2024. |