den Künstler in seiner eigensten Schaffensthätigkeit dar, ver- senkt in sein Modell. Abgesehn von den Armen ist die Haltung dieses Situationsbildnisses von den sonstigen handlungslosen Porträts wenig verschieden.
Der Cardinal Borja.
Zu Anfang des Jahres 1636 kehrte ein spanischer Cardinal nach 22jährigem Aufenthalt in Rom in die Hauptstadt zurück. Er war, wie die Spanier immer, sehr ungern von der heiligen Stadt -- und seinen Hoffnungen dort -- geschieden; aber der Empfang der ihm am Hofe zu Theil wurde, war wol geeignet, die Bitter- keit seines -- soll man sagen Exils? -- zu versüssen.
Gaspar Borja y Velasco, geboren zu Villalpando in Leon am 13. April 1582, ein Sohn D. Francisco's, Herzogs von Gan- dia, schon in seinem 29. Jahre (1611) auf Vorschlag des Königs von Urban VIII zum Cardinal erhoben, gehörte einer Familie an, welche der Kirche zwei Päbste, darunter den auf St. Peters Stuhl unerreichten Alexander VI und einen Heiligen geschenkt hat, den dritten General der Jesuiten. Die Herzöge von Gandia stammten von dem zweiten Sohn Rodrigo Borjas, Don Juan.
Als im Jahre 1625 zur Feier der Kanonisation Francisco Borja's, dessen Abschied von der Welt so oft von spanischen Malern dargestellt worden ist 1), die Ueberführung des Leibes in das Professhaus zu Madrid stattfand, trugen (nach Khevenhiller's Erzählung) 46 Urenkel und Ururenkel aus vierzehn fürstlichen Häusern seine Bahre und Fahne, und Abends wurde ein Maskenrennen gehalten, dessen Theilnehmer fast alle in Bluts- verwandt- und Schwägerschaft mit des Heiligen Descendenten standen. Der Exminister und nunmehrige Kardinal Lerma, selbst ein Ururenkel, hatte die Standarte getragen, auf welcher das Familienwappen (der Ochse) und darüber der Name Jesus gestickt war, mit dem Lemma: Ut portet nomen meum, "anzuzei- gen, dass Gott seine Kirche allbereit ihrer zweien von diesem Hause anvertraut". Jedermann erinnerte sich hier der Prophe- zeiung des hl. Vincenz Ferrer "Ter mugiet bos". Nach einigen
1) Z. B. von Goya in der Seo von Valencia. Das Gemälde in Staffordhouse, sein Empfang durch den Ordensstifter an der Schwelle des Jesuitencollegs in Rom, hat mit Velazquez nichts zu thun; es ist ein recht gleichgültiges Bild in der breiten, dunklen, wolligstumpfen Art der späteren spanischen Schule.
Fünftes Buch.
den Künstler in seiner eigensten Schaffensthätigkeit dar, ver- senkt in sein Modell. Abgesehn von den Armen ist die Haltung dieses Situationsbildnisses von den sonstigen handlungslosen Porträts wenig verschieden.
Der Cardinal Borja.
Zu Anfang des Jahres 1636 kehrte ein spanischer Cardinal nach 22jährigem Aufenthalt in Rom in die Hauptstadt zurück. Er war, wie die Spanier immer, sehr ungern von der heiligen Stadt — und seinen Hoffnungen dort — geschieden; aber der Empfang der ihm am Hofe zu Theil wurde, war wol geeignet, die Bitter- keit seines — soll man sagen Exils? — zu versüssen.
Gaspar Borja y Velasco, geboren zu Villalpando in Leon am 13. April 1582, ein Sohn D. Francisco’s, Herzogs von Gan- día, schon in seinem 29. Jahre (1611) auf Vorschlag des Königs von Urban VIII zum Cardinal erhoben, gehörte einer Familie an, welche der Kirche zwei Päbste, darunter den auf St. Peters Stuhl unerreichten Alexander VI und einen Heiligen geschenkt hat, den dritten General der Jesuiten. Die Herzöge von Gandía stammten von dem zweiten Sohn Rodrigo Borjas, Don Juan.
Als im Jahre 1625 zur Feier der Kanonisation Francisco Borja’s, dessen Abschied von der Welt so oft von spanischen Malern dargestellt worden ist 1), die Ueberführung des Leibes in das Professhaus zu Madrid stattfand, trugen (nach Khevenhiller’s Erzählung) 46 Urenkel und Ururenkel aus vierzehn fürstlichen Häusern seine Bahre und Fahne, und Abends wurde ein Maskenrennen gehalten, dessen Theilnehmer fast alle in Bluts- verwandt- und Schwägerschaft mit des Heiligen Descendenten standen. Der Exminister und nunmehrige Kardinal Lerma, selbst ein Ururenkel, hatte die Standarte getragen, auf welcher das Familienwappen (der Ochse) und darüber der Name Jesus gestickt war, mit dem Lemma: Ut portet nomen meum, „anzuzei- gen, dass Gott seine Kirche allbereit ihrer zweien von diesem Hause anvertraut“. Jedermann erinnerte sich hier der Prophe- zeiung des hl. Vincenz Ferrer „Ter mugiet bos“. Nach einigen
1) Z. B. von Goya in der Seo von Valencia. Das Gemälde in Staffordhouse, sein Empfang durch den Ordensstifter an der Schwelle des Jesuitencollegs in Rom, hat mit Velazquez nichts zu thun; es ist ein recht gleichgültiges Bild in der breiten, dunklen, wolligstumpfen Art der späteren spanischen Schule.
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Fünftes Buch.
den Künstler in seiner eigensten Schaffensthätigkeit dar, ver-
senkt in sein Modell. Abgesehn von den Armen ist die Haltung
dieses Situationsbildnisses von den sonstigen handlungslosen
Porträts wenig verschieden.
Der Cardinal Borja.
Zu Anfang des Jahres 1636 kehrte ein spanischer Cardinal
nach 22jährigem Aufenthalt in Rom in die Hauptstadt zurück. Er
war, wie die Spanier immer, sehr ungern von der heiligen Stadt
— und seinen Hoffnungen dort — geschieden; aber der Empfang
der ihm am Hofe zu Theil wurde, war wol geeignet, die Bitter-
keit seines — soll man sagen Exils? — zu versüssen.
Gaspar Borja y Velasco, geboren zu Villalpando in Leon
am 13. April 1582, ein Sohn D. Francisco’s, Herzogs von Gan-
día, schon in seinem 29. Jahre (1611) auf Vorschlag des Königs
von Urban VIII zum Cardinal erhoben, gehörte einer Familie
an, welche der Kirche zwei Päbste, darunter den auf St. Peters
Stuhl unerreichten Alexander VI und einen Heiligen geschenkt
hat, den dritten General der Jesuiten. Die Herzöge von Gandía
stammten von dem zweiten Sohn Rodrigo Borjas, Don Juan.
Als im Jahre 1625 zur Feier der Kanonisation Francisco
Borja’s, dessen Abschied von der Welt so oft von spanischen
Malern dargestellt worden ist 1), die Ueberführung des Leibes in
das Professhaus zu Madrid stattfand, trugen (nach Khevenhiller’s
Erzählung) 46 Urenkel und Ururenkel aus vierzehn fürstlichen
Häusern seine Bahre und Fahne, und Abends wurde ein
Maskenrennen gehalten, dessen Theilnehmer fast alle in Bluts-
verwandt- und Schwägerschaft mit des Heiligen Descendenten
standen. Der Exminister und nunmehrige Kardinal Lerma, selbst
ein Ururenkel, hatte die Standarte getragen, auf welcher das
Familienwappen (der Ochse) und darüber der Name Jesus
gestickt war, mit dem Lemma: Ut portet nomen meum, „anzuzei-
gen, dass Gott seine Kirche allbereit ihrer zweien von diesem
Hause anvertraut“. Jedermann erinnerte sich hier der Prophe-
zeiung des hl. Vincenz Ferrer „Ter mugiet bos“. Nach einigen
1) Z. B. von Goya in der Seo von Valencia. Das Gemälde in Staffordhouse,
sein Empfang durch den Ordensstifter an der Schwelle des Jesuitencollegs in Rom,
hat mit Velazquez nichts zu thun; es ist ein recht gleichgültiges Bild in der breiten,
dunklen, wolligstumpfen Art der späteren spanischen Schule.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/74>, abgerufen am 04.03.2025.
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