Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Fünftes Buch. ist ohne Zweifel das anziehendere; keine Galerie wird sobaldhoffen dürfen, ihm ein gleichwerthiges an die Seite stellen zu können. Das Gemälde lässt sich nur bis auf die Sammlung des Se- Auf hellgrauem Grunde tritt die Gestalt, fast in Form zweier Die Züge drücken Entschiedenheit des Charakters aus. 1) The gentlemanliness of the painter is reflected so to say in the picture,
its refinement, its freedom from affectation, appear in the absence of anything like self-consciousness on the part of the sitter, so that we infer the perfect mastery and consummate ease with which the artist worked. Athenaeum 1871, I, 118. Fünftes Buch. ist ohne Zweifel das anziehendere; keine Galerie wird sobaldhoffen dürfen, ihm ein gleichwerthiges an die Seite stellen zu können. Das Gemälde lässt sich nur bis auf die Sammlung des Se- Auf hellgrauem Grunde tritt die Gestalt, fast in Form zweier Die Züge drücken Entschiedenheit des Charakters aus. 1) The gentlemanliness of the painter is reflected so to say in the picture,
its refinement, its freedom from affectation, appear in the absence of anything like self-consciousness on the part of the sitter, so that we infer the perfect mastery and consummate ease with which the artist worked. Athenæum 1871, I, 118. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" n="28"/><fw place="top" type="header">Fünftes Buch.</fw><lb/> ist ohne Zweifel das anziehendere; keine Galerie wird sobald<lb/> hoffen dürfen, ihm ein gleichwerthiges an die Seite stellen zu<lb/> können.</p><lb/> <p>Das Gemälde lässt sich nur bis auf die Sammlung des Se-<lb/> bastian Martinez in Cadiz zurückverfolgen, obwol es von A. Ponz<lb/> in deren Beschreibung (Viage XVIII, 20 ff.) nicht erwähnt wird.<lb/> Es kam aus der Salamanca-Galerie im Jahre 1867 für 98,000 Francs<lb/> an Lord Ward Dudley. (1,37 × 1,00.)</p><lb/> <p>Auf hellgrauem Grunde tritt die Gestalt, fast in Form zweier<lb/> übereinandergestellter Kegel, sehr plastisch hervor. Stellung<lb/> und Geberden sind die konventionellen, aus den königlichen<lb/> Damenporträts bekannten; auch die Form des Reifrocks und<lb/> der Frisur ist dieselbe, sie reicht von dem dritten bis ins fünfte<lb/> Jahrzent des Jahrhunderts. Ihre Bewegung hat die Ungezwungen-<lb/> heit vornehmer Erziehung; doch glaubt man in der stolzen<lb/> Haltung, dem festen Griff an die Lehne des rothen Sessels und<lb/> im Ausdruck mehr Temperament zu erkennen als bei jenen. Der<lb/> lebhafte Blick der braunen Augen, das Spiel um den Mund hat<lb/> etwas munteres, triumphirendes, schalkhaftes <note place="foot" n="1)">The gentlemanliness of the painter is reflected so to say in the picture,<lb/> its refinement, its freedom from affectation, appear in the absence of anything like<lb/> self-consciousness on the part of the sitter, so that we infer the perfect mastery and<lb/> consummate ease with which the artist worked. Athenæum 1871, I, 118.</note>, das von dem<lb/> kalten Ernst der Hoheiten und Majestäten abweicht. Welche<lb/> Dame aber müsste auch ein solcher Staat nicht guter Laune<lb/> machen!</p><lb/> <p>Die Züge drücken Entschiedenheit des Charakters aus.<lb/> Hohe, gerade Stirn, grossgeschnittene Augenhöhlen, durch starke<lb/> Brauen und Schatten betont, tiefliegende nicht grosse, intelligente<lb/> Augen von derselben Farbe, eingezogene Nase mit starker, keck<lb/> hervortretender Spitze, ein schön geformter, langer, sehr be-<lb/> stimmter Mund, volles rundes Kinn. Ein Kopf von mehr breiten<lb/> Verhältnissen, welche durch den über der Stirn hochaufgethürmten,<lb/> rötlichblonden Schopf und das über Schläfen und Wangen quel-<lb/> lende Gelocke etwas ausgeglichen werden. Nur ein schwacher<lb/> Hauch röthet die Wangen. Dies echt spanische Gesicht entsprach<lb/> dortigen Schönheitsbegriffen wol mehr als unseren. Calderon,<lb/> der in der „Tochter der Luft“ sein Ideal ausgemalt hat, verlangt<lb/> zwar schwarze Augen, aber das Haar zwischen schwarz und<lb/> blond, und den Mund (<hi rendition="#i">corte del alma</hi>) gross.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0048]
Fünftes Buch.
ist ohne Zweifel das anziehendere; keine Galerie wird sobald
hoffen dürfen, ihm ein gleichwerthiges an die Seite stellen zu
können.
Das Gemälde lässt sich nur bis auf die Sammlung des Se-
bastian Martinez in Cadiz zurückverfolgen, obwol es von A. Ponz
in deren Beschreibung (Viage XVIII, 20 ff.) nicht erwähnt wird.
Es kam aus der Salamanca-Galerie im Jahre 1867 für 98,000 Francs
an Lord Ward Dudley. (1,37 × 1,00.)
Auf hellgrauem Grunde tritt die Gestalt, fast in Form zweier
übereinandergestellter Kegel, sehr plastisch hervor. Stellung
und Geberden sind die konventionellen, aus den königlichen
Damenporträts bekannten; auch die Form des Reifrocks und
der Frisur ist dieselbe, sie reicht von dem dritten bis ins fünfte
Jahrzent des Jahrhunderts. Ihre Bewegung hat die Ungezwungen-
heit vornehmer Erziehung; doch glaubt man in der stolzen
Haltung, dem festen Griff an die Lehne des rothen Sessels und
im Ausdruck mehr Temperament zu erkennen als bei jenen. Der
lebhafte Blick der braunen Augen, das Spiel um den Mund hat
etwas munteres, triumphirendes, schalkhaftes 1), das von dem
kalten Ernst der Hoheiten und Majestäten abweicht. Welche
Dame aber müsste auch ein solcher Staat nicht guter Laune
machen!
Die Züge drücken Entschiedenheit des Charakters aus.
Hohe, gerade Stirn, grossgeschnittene Augenhöhlen, durch starke
Brauen und Schatten betont, tiefliegende nicht grosse, intelligente
Augen von derselben Farbe, eingezogene Nase mit starker, keck
hervortretender Spitze, ein schön geformter, langer, sehr be-
stimmter Mund, volles rundes Kinn. Ein Kopf von mehr breiten
Verhältnissen, welche durch den über der Stirn hochaufgethürmten,
rötlichblonden Schopf und das über Schläfen und Wangen quel-
lende Gelocke etwas ausgeglichen werden. Nur ein schwacher
Hauch röthet die Wangen. Dies echt spanische Gesicht entsprach
dortigen Schönheitsbegriffen wol mehr als unseren. Calderon,
der in der „Tochter der Luft“ sein Ideal ausgemalt hat, verlangt
zwar schwarze Augen, aber das Haar zwischen schwarz und
blond, und den Mund (corte del alma) gross.
1) The gentlemanliness of the painter is reflected so to say in the picture,
its refinement, its freedom from affectation, appear in the absence of anything like
self-consciousness on the part of the sitter, so that we infer the perfect mastery and
consummate ease with which the artist worked. Athenæum 1871, I, 118.
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