Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Siebentes Buch. genommen im Ordenskleid des goldnen Vliess, im alten Prunkvon Burgund also; ganz eingetaucht steht er in das verschie- denartige Prachtroth des Mantels, des Vorhangs, der Decke. Die Krone liegt auf dem Löwentisch. Ein Spiegel zeigt die hintere Seite der Gestalt, durch die Thür öffnen sich andre Ge- mächer des Labyrinths des Alcazar. Umringt von diesem Pomp, der für Leute ganz anderer Statur erfunden war, steht der welke Jüngling da, die schwere Stirn hat die rundlichen Formen der Kindheit behalten, trübe, hoffnungslos blicken die blauen Augen mit gerötheten Rändern ins Leere; der unförmliche Mund macht den Eindruck, als wolle der Organismus aus den Fugen gehn. Der schwere goldgestickte Mantel scheint ihn niederzuziehen; die Krone, wenn er sie aufsetzte, den weichen Schädel eindrücken zu müssen, der leuchtende Purpur seine Augen zu schmerzen: er macht das blasse Antlitz noch fahler; die langen blonden Haare erinnern an Childerich III, mit dem Unterschied dass sie falsch sind. -- Der Nachfolger Carrenno's war Claudio Coello (23. Au- Claudio Coello war ein Meister in der Farbe und noch mehr Siebentes Buch. genommen im Ordenskleid des goldnen Vliess, im alten Prunkvon Burgund also; ganz eingetaucht steht er in das verschie- denartige Prachtroth des Mantels, des Vorhangs, der Decke. Die Krone liegt auf dem Löwentisch. Ein Spiegel zeigt die hintere Seite der Gestalt, durch die Thür öffnen sich andre Ge- mächer des Labyrinths des Alcazar. Umringt von diesem Pomp, der für Leute ganz anderer Statur erfunden war, steht der welke Jüngling da, die schwere Stirn hat die rundlichen Formen der Kindheit behalten, trübe, hoffnungslos blicken die blauen Augen mit gerötheten Rändern ins Leere; der unförmliche Mund macht den Eindruck, als wolle der Organismus aus den Fugen gehn. Der schwere goldgestickte Mantel scheint ihn niederzuziehen; die Krone, wenn er sie aufsetzte, den weichen Schädel eindrücken zu müssen, der leuchtende Purpur seine Augen zu schmerzen: er macht das blasse Antlitz noch fahler; die langen blonden Haare erinnern an Childerich III, mit dem Unterschied dass sie falsch sind. — Der Nachfolger Carreño’s war Claudio Coello (23. 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Die heilige Conver-<lb/> sation im Pradomuseum (Nr. 702) mit Sankt Ludwig, wird als<lb/> Frucht seiner Studien in den königlichen Schlössern bezeichnet.<lb/> Hier ist nichts von Todesmattigkeit, Todesdunkel: es ist ein Bild<lb/> wie Rubens’ Maria in der Rosenlaube, voll festlicher Bewegung,<lb/> strahlendem Sonnenlicht, Azurblau und wonniger Dämmerung.<lb/> Anders beschaffen ist das Werk, dem hier ganz eigens ein Platz<lb/> gebührt. Es ist die letzte grosse Hervorbringung der alten<lb/> spanischen Schule, die auch im Escorial zu Grabe geht; in ihm<lb/> leuchtet die Ueberlieferung, der Geist des Velazquez noch ein-<lb/> mal auf. Der König hatte hier für eine in den niederländischen<lb/> Religionskriegen profanirte und im Reliquienschatz seit 1592 auf-<lb/> bewahrte Hostie einen Retablo aus kostbaren Steinen für den<lb/> Altar der Sakristei gestiftet, ihm sollte das Gemälde als Vorhang<lb/> dienen. Der Augenblick ist gewählt, wo der Prior de los Santos<lb/> dem an der Spitze der Procession seines Hofs vor ihm knieen-<lb/> den Könige mit der Monstranz den Segen ertheilt. — Wie das<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [392/0418]
Siebentes Buch.
genommen im Ordenskleid des goldnen Vliess, im alten Prunk
von Burgund also; ganz eingetaucht steht er in das verschie-
denartige Prachtroth des Mantels, des Vorhangs, der Decke.
Die Krone liegt auf dem Löwentisch. Ein Spiegel zeigt die
hintere Seite der Gestalt, durch die Thür öffnen sich andre Ge-
mächer des Labyrinths des Alcazar. Umringt von diesem Pomp,
der für Leute ganz anderer Statur erfunden war, steht der welke
Jüngling da, die schwere Stirn hat die rundlichen Formen der
Kindheit behalten, trübe, hoffnungslos blicken die blauen Augen
mit gerötheten Rändern ins Leere; der unförmliche Mund macht
den Eindruck, als wolle der Organismus aus den Fugen gehn. Der
schwere goldgestickte Mantel scheint ihn niederzuziehen; die
Krone, wenn er sie aufsetzte, den weichen Schädel eindrücken
zu müssen, der leuchtende Purpur seine Augen zu schmerzen:
er macht das blasse Antlitz noch fahler; die langen blonden
Haare erinnern an Childerich III, mit dem Unterschied dass sie
falsch sind. —
Der Nachfolger Carreño’s war Claudio Coello (23. Au-
gust 1684). Dieser letzte nationale Bildnissmaler der Dynastie
war von Stamm ein Portugiese, wie der erste, Sanchez Coello.
Er starb aus Gram, nach der Ankunft Luca Giordano’s. Wir
sind in einer Zeit angelangt, wo uns öfter „Letzte“ begegnen,
letzte Fürsten eines Hauses, letzte Maler einer Schule.
Claudio Coello war ein Meister in der Farbe und noch mehr
in Lichtwirkungen der verschiedensten Art. Die heilige Conver-
sation im Pradomuseum (Nr. 702) mit Sankt Ludwig, wird als
Frucht seiner Studien in den königlichen Schlössern bezeichnet.
Hier ist nichts von Todesmattigkeit, Todesdunkel: es ist ein Bild
wie Rubens’ Maria in der Rosenlaube, voll festlicher Bewegung,
strahlendem Sonnenlicht, Azurblau und wonniger Dämmerung.
Anders beschaffen ist das Werk, dem hier ganz eigens ein Platz
gebührt. Es ist die letzte grosse Hervorbringung der alten
spanischen Schule, die auch im Escorial zu Grabe geht; in ihm
leuchtet die Ueberlieferung, der Geist des Velazquez noch ein-
mal auf. Der König hatte hier für eine in den niederländischen
Religionskriegen profanirte und im Reliquienschatz seit 1592 auf-
bewahrte Hostie einen Retablo aus kostbaren Steinen für den
Altar der Sakristei gestiftet, ihm sollte das Gemälde als Vorhang
dienen. Der Augenblick ist gewählt, wo der Prior de los Santos
dem an der Spitze der Procession seines Hofs vor ihm knieen-
den Könige mit der Monstranz den Segen ertheilt. — Wie das
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