Glücklicher war der Maler in seinem wahrscheinlich letzten kirchlichen Bild -- dem einzigen Mönchsstück unter seinen Werken: dem Besuch Antonius des Abts bei Paulus dem Ein- siedler. Diess Gemälde war bestimmt für den Altar des Orato- riums in der S. Antonius-Einsiedelei am Westende des Parks von Buen Retiro, einer Gründung der Portugiesen; es wurde im Jahre 1659 aufgestellt.
Das Bild hatte einen reichen Goldrahmen, damals eine seltenere Auszeichnung, mit flachem Bogenabschluss, später hat man ihn entfernt, und die Zwickel mit dem Pinsel ausgefüllt. Eine Skizze führt der Catalog der spanischen Louvresammlung auf (Nr. 286), sie war nichts als eine verkleinerte Kopie, und ist jetzt in England 1).
Greise Einsiedler der Wüste waren ein Lieblingsthema der Epigonenzeit, von Tintoretto und dem jüngern Palma bis auf Guido und Rubens. Diesen Urvätern des asketischen Spiritualis- mus wurde damals eine sehr materielle Wirklichkeit gegeben; es waren Bravourstücke in Darstellung des Verfalls der sterblichen Hülle. Ihre mächtigen Skelette, bekleidet mit dem faltenreichen Leder des Alters, versinnlichten zugleich die Ertödtung des Fleisches und die Rüstigkeit gegenüber den Schrecken der Wüste, dem Teufel und den asketischen Paroxysmen. Um die heil. Hieronymus, Antonius und Franciscus, die damals aus der Manufaktur Spagnoletto's in Neapel hervorgingen, stritten sich die Kabinette aller Länder.
Velazquez hat ähnliche Modelle benutzt, sonst aber einen eigenen Weg eingeschlagen. Er wollte die Patriarchen des Mönchs- thums, gegen seine Gewohnheit, der Landschaft unterordnen. Er glaubte mindestens ebenso beredt durch den Schauplatz als durch Gestalten und Geberden sprechen zu sollen. Durch jene Natur, in welcher die Askese der Essener und Anachoreten, diese Anpassung der Religion an die Wüste, erwachsen ist; durch eine Landschaft, in deren Mitte uns die erhabenen Extra- vaganzen dieser Heroen der Weltflucht natürlich erscheinen.
weissen Lichtern und lila (colombrino) Schatten, Mantel von Brokat oder einer ernsten Farbe; hellblaue Tunica und hellvioletten Mantel; Christus hat den rothen Mantel.
1) Im Jahre 1879 bei Mr. Beaumont, Piccadilly; sie stammt aus der Galerie Louis Philipp's (Nr. 286) und erzielte £ 25.
Die Einsiedler.
Die Einsiedler.
Glücklicher war der Maler in seinem wahrscheinlich letzten kirchlichen Bild — dem einzigen Mönchsstück unter seinen Werken: dem Besuch Antonius des Abts bei Paulus dem Ein- siedler. Diess Gemälde war bestimmt für den Altar des Orato- riums in der S. Antonius-Einsiedelei am Westende des Parks von Buen Retiro, einer Gründung der Portugiesen; es wurde im Jahre 1659 aufgestellt.
Das Bild hatte einen reichen Goldrahmen, damals eine seltenere Auszeichnung, mit flachem Bogenabschluss, später hat man ihn entfernt, und die Zwickel mit dem Pinsel ausgefüllt. Eine Skizze führt der Catalog der spanischen Louvresammlung auf (Nr. 286), sie war nichts als eine verkleinerte Kopie, und ist jetzt in England 1).
Greise Einsiedler der Wüste waren ein Lieblingsthema der Epigonenzeit, von Tintoretto und dem jüngern Palma bis auf Guido und Rubens. Diesen Urvätern des asketischen Spiritualis- mus wurde damals eine sehr materielle Wirklichkeit gegeben; es waren Bravourstücke in Darstellung des Verfalls der sterblichen Hülle. Ihre mächtigen Skelette, bekleidet mit dem faltenreichen Leder des Alters, versinnlichten zugleich die Ertödtung des Fleisches und die Rüstigkeit gegenüber den Schrecken der Wüste, dem Teufel und den asketischen Paroxysmen. Um die heil. Hieronymus, Antonius und Franciscus, die damals aus der Manufaktur Spagnoletto’s in Neapel hervorgingen, stritten sich die Kabinette aller Länder.
Velazquez hat ähnliche Modelle benutzt, sonst aber einen eigenen Weg eingeschlagen. Er wollte die Patriarchen des Mönchs- thums, gegen seine Gewohnheit, der Landschaft unterordnen. Er glaubte mindestens ebenso beredt durch den Schauplatz als durch Gestalten und Geberden sprechen zu sollen. Durch jene Natur, in welcher die Askese der Essener und Anachoreten, diese Anpassung der Religion an die Wüste, erwachsen ist; durch eine Landschaft, in deren Mitte uns die erhabenen Extra- vaganzen dieser Heroen der Weltflucht natürlich erscheinen.
weissen Lichtern und lila (colombrino) Schatten, Mantel von Brokat oder einer ernsten Farbe; hellblaue Tunica und hellvioletten Mantel; Christus hat den rothen Mantel.
1) Im Jahre 1879 bei Mr. Beaumont, Piccadilly; sie stammt aus der Galerie Louis Philipp’s (Nr. 286) und erzielte £ 25.
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Die Einsiedler.
Die Einsiedler.
Glücklicher war der Maler in seinem wahrscheinlich letzten
kirchlichen Bild — dem einzigen Mönchsstück unter seinen
Werken: dem Besuch Antonius des Abts bei Paulus dem Ein-
siedler. Diess Gemälde war bestimmt für den Altar des Orato-
riums in der S. Antonius-Einsiedelei am Westende des Parks
von Buen Retiro, einer Gründung der Portugiesen; es wurde im
Jahre 1659 aufgestellt.
Das Bild hatte einen reichen Goldrahmen, damals eine
seltenere Auszeichnung, mit flachem Bogenabschluss, später hat
man ihn entfernt, und die Zwickel mit dem Pinsel ausgefüllt.
Eine Skizze führt der Catalog der spanischen Louvresammlung
auf (Nr. 286), sie war nichts als eine verkleinerte Kopie, und ist
jetzt in England 1).
Greise Einsiedler der Wüste waren ein Lieblingsthema der
Epigonenzeit, von Tintoretto und dem jüngern Palma bis auf
Guido und Rubens. Diesen Urvätern des asketischen Spiritualis-
mus wurde damals eine sehr materielle Wirklichkeit gegeben; es
waren Bravourstücke in Darstellung des Verfalls der sterblichen
Hülle. Ihre mächtigen Skelette, bekleidet mit dem faltenreichen
Leder des Alters, versinnlichten zugleich die Ertödtung des
Fleisches und die Rüstigkeit gegenüber den Schrecken der
Wüste, dem Teufel und den asketischen Paroxysmen. Um die
heil. Hieronymus, Antonius und Franciscus, die damals aus der
Manufaktur Spagnoletto’s in Neapel hervorgingen, stritten sich
die Kabinette aller Länder.
Velazquez hat ähnliche Modelle benutzt, sonst aber einen
eigenen Weg eingeschlagen. Er wollte die Patriarchen des Mönchs-
thums, gegen seine Gewohnheit, der Landschaft unterordnen.
Er glaubte mindestens ebenso beredt durch den Schauplatz als
durch Gestalten und Geberden sprechen zu sollen. Durch jene
Natur, in welcher die Askese der Essener und Anachoreten,
diese Anpassung der Religion an die Wüste, erwachsen ist;
durch eine Landschaft, in deren Mitte uns die erhabenen Extra-
vaganzen dieser Heroen der Weltflucht natürlich erscheinen.
1)
1) Im Jahre 1879 bei Mr. Beaumont, Piccadilly; sie stammt aus der Galerie
Louis Philipp’s (Nr. 286) und erzielte £ 25.
1) weissen Lichtern und lila (colombrino) Schatten, Mantel von Brokat oder einer ernsten
Farbe; hellblaue Tunica und hellvioletten Mantel; Christus hat den rothen Mantel.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/403>, abgerufen am 03.03.2025.
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