einer Reproduktion, z. B. einer Photographie, wol für Velazquez halten könnte, während man vor dem Original zweifelhaft wird, und endlich mit entschiedenem Unglauben fortgeht.
Die Silhouette des schwarzen Mannes auf dem leeren hellen Grund, die hauptsächlich durch den weiten über die Schulter ge- worfenen Mantel zu Stande kommt, die massive Gestalt balan- cirt auf dem dünnen Postament der sich theilweis deckenden Beine: eine umgekehrte Pyramide, der Griff der Linken am Mantel, die vortreffliche Malerei des schwarzen Wams von ge- blümtem Sammt, u. a., das sind Einzelheiten die sich ähnlich bei dem Meister finden. Die Zweifel gründen sich auf das Fehlen der ihm eigenthümlichen Handschrift, Palette und selbst Grun- dirung.
Aber auch die Chronologie stellt der Benennung Schwierig- keiten entgegen. Dem Stil nach würde man es recht früh setzen, aber vor der Mitte des Jahrhunderts könnte der Maler dem Condottiere nur auf der ersten italienischen Reise begegnet sein, die jedoch vor den Barberinischen Krieg fällt. Eine passende Gelegenheit böte sich später in Madrid.
Als man nach dem Abschluss des westphälischen Friedens wieder etwas Zug in den unglücklichen Catalonischen Krieg bringen wollte, bewarb sich Borro von Wien aus um einen Führerposten. Er stellte die guten Dienste vor, die ein deutsches Regiment thun könne, und da er des doppelten Rufs von Bravour und Glück sich erfreute, so beeilte man sich auf seine Anträge einzugehen. Er erschien am 15. Sep- tember 1649 in Madrid, wo er beim kaiserlichen Gesandten ab- stieg, und am Hof "mit aussergewöhnlicher Höflichkeit" aufge- nommen wurde. Er erhielt den Rang eines "Maestre de Campo und Generals einer der Flotten von Spanien" mit hohem Gehalt. Im Mai 1650 begab er sich auf den Kriegsschauplatz, und seine Erfolge in dem sehr verfahrenen Feldzug waren der Art, dass es in Madrid "wie ein Wunder erschien". Aber er überwarf sich mit dem Oberkommandeur und kam im Sommer 1651 nach der Hauptstadt zurück, entschlossen die spanischen Dienste auf- zugeben1). Grade zu dieser Zeit war Velazquez aus Italien zu- rückgekehrt. Aber wie passte nach den Lorbern des katalo- nischen Feldzugs die Erinnerung an die Thaten im kleinen Krieg
1) Nach Depeschen der venezianischen und toskanischen Gesandten aus diesen Jahren.
Siebentes Buch.
einer Reproduktion, z. B. einer Photographie, wol für Velazquez halten könnte, während man vor dem Original zweifelhaft wird, und endlich mit entschiedenem Unglauben fortgeht.
Die Silhouette des schwarzen Mannes auf dem leeren hellen Grund, die hauptsächlich durch den weiten über die Schulter ge- worfenen Mantel zu Stande kommt, die massive Gestalt balan- cirt auf dem dünnen Postament der sich theilweis deckenden Beine: eine umgekehrte Pyramide, der Griff der Linken am Mantel, die vortreffliche Malerei des schwarzen Wams von ge- blümtem Sammt, u. a., das sind Einzelheiten die sich ähnlich bei dem Meister finden. Die Zweifel gründen sich auf das Fehlen der ihm eigenthümlichen Handschrift, Palette und selbst Grun- dirung.
Aber auch die Chronologie stellt der Benennung Schwierig- keiten entgegen. Dem Stil nach würde man es recht früh setzen, aber vor der Mitte des Jahrhunderts könnte der Maler dem Condottiere nur auf der ersten italienischen Reise begegnet sein, die jedoch vor den Barberinischen Krieg fällt. Eine passende Gelegenheit böte sich später in Madrid.
Als man nach dem Abschluss des westphälischen Friedens wieder etwas Zug in den unglücklichen Catalonischen Krieg bringen wollte, bewarb sich Borro von Wien aus um einen Führerposten. Er stellte die guten Dienste vor, die ein deutsches Regiment thun könne, und da er des doppelten Rufs von Bravour und Glück sich erfreute, so beeilte man sich auf seine Anträge einzugehen. Er erschien am 15. Sep- tember 1649 in Madrid, wo er beim kaiserlichen Gesandten ab- stieg, und am Hof „mit aussergewöhnlicher Höflichkeit“ aufge- nommen wurde. Er erhielt den Rang eines „Maestre de Campo und Generals einer der Flotten von Spanien“ mit hohem Gehalt. Im Mai 1650 begab er sich auf den Kriegsschauplatz, und seine Erfolge in dem sehr verfahrenen Feldzug waren der Art, dass es in Madrid „wie ein Wunder erschien“. Aber er überwarf sich mit dem Oberkommandeur und kam im Sommer 1651 nach der Hauptstadt zurück, entschlossen die spanischen Dienste auf- zugeben1). Grade zu dieser Zeit war Velazquez aus Italien zu- rückgekehrt. Aber wie passte nach den Lorbern des katalo- nischen Feldzugs die Erinnerung an die Thaten im kleinen Krieg
1) Nach Depeschen der venezianischen und toskanischen Gesandten aus diesen Jahren.
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Siebentes Buch.
einer Reproduktion, z. B. einer Photographie, wol für Velazquez
halten könnte, während man vor dem Original zweifelhaft wird,
und endlich mit entschiedenem Unglauben fortgeht.
Die Silhouette des schwarzen Mannes auf dem leeren hellen
Grund, die hauptsächlich durch den weiten über die Schulter ge-
worfenen Mantel zu Stande kommt, die massive Gestalt balan-
cirt auf dem dünnen Postament der sich theilweis deckenden
Beine: eine umgekehrte Pyramide, der Griff der Linken am
Mantel, die vortreffliche Malerei des schwarzen Wams von ge-
blümtem Sammt, u. a., das sind Einzelheiten die sich ähnlich bei
dem Meister finden. Die Zweifel gründen sich auf das Fehlen
der ihm eigenthümlichen Handschrift, Palette und selbst Grun-
dirung.
Aber auch die Chronologie stellt der Benennung Schwierig-
keiten entgegen. Dem Stil nach würde man es recht früh
setzen, aber vor der Mitte des Jahrhunderts könnte der Maler
dem Condottiere nur auf der ersten italienischen Reise begegnet
sein, die jedoch vor den Barberinischen Krieg fällt. Eine passende
Gelegenheit böte sich später in Madrid.
Als man nach dem Abschluss des westphälischen Friedens
wieder etwas Zug in den unglücklichen Catalonischen Krieg
bringen wollte, bewarb sich Borro von Wien aus um einen
Führerposten. Er stellte die guten Dienste vor, die ein
deutsches Regiment thun könne, und da er des doppelten
Rufs von Bravour und Glück sich erfreute, so beeilte man
sich auf seine Anträge einzugehen. Er erschien am 15. Sep-
tember 1649 in Madrid, wo er beim kaiserlichen Gesandten ab-
stieg, und am Hof „mit aussergewöhnlicher Höflichkeit“ aufge-
nommen wurde. Er erhielt den Rang eines „Maestre de Campo
und Generals einer der Flotten von Spanien“ mit hohem Gehalt.
Im Mai 1650 begab er sich auf den Kriegsschauplatz, und seine
Erfolge in dem sehr verfahrenen Feldzug waren der Art, dass
es in Madrid „wie ein Wunder erschien“. Aber er überwarf
sich mit dem Oberkommandeur und kam im Sommer 1651 nach
der Hauptstadt zurück, entschlossen die spanischen Dienste auf-
zugeben 1). Grade zu dieser Zeit war Velazquez aus Italien zu-
rückgekehrt. Aber wie passte nach den Lorbern des katalo-
nischen Feldzugs die Erinnerung an die Thaten im kleinen Krieg
1) Nach Depeschen der venezianischen und toskanischen Gesandten aus
diesen Jahren.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/376>, abgerufen am 27.11.2024.
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