Bei dem Stiergefechte zu Ehren des Herzogs von Modena (1638) sassen sie um das Königspaar am Fuss des Throns, in der Tracht altkastilischer Könige.
Es kam auch vor, dass kluge Leute mit der Maske der Schalkheit spielten, um sich mehr Freiheit und Einfluss zu ver- schaffen. In der spätern Zeit Philipp IV war ein Ayuda de Camara durch sein Talent eine der einflussreichsten Personen am Hof geworden, Emanuel Gomez. Er war in Italien und Florenz gewesen und galt bei den Diplomaten sogar für einen profunden Politiker und Menschenkenner, man weihte ihn ein in hohe Heiratsprojecte, um Fühler auszustrecken, wie damals als der Herzog von Modena sich um die Tochter D. Luis de Haro's be- werben wollte. Seine besondre Gabe war eine ergötzliche, zu- weilen verwegene Nachahmung von Stimmen und Gesten (reme- dar); damit unterhielt er des Königs melancholische Majestät, sogar auf deren eigene Kosten; ja er kopirte den päbstlichen Nuntius wie er in der Palastkapelle funktionirte in dessen Ge- genwart. Dem König erzählte er was in der Stadt vorging und bei Hofe geredet wurde; die Grossen, die pretendientes und die Gesandten bewarben sich um die Gunst ihn an ihrer Tafel zu sehn, weil er leicht ein Wörtchen zur rechten Zeit fallen lassen konnte, wofür er sich dann nicht bloss mit Banketten be- lohnen liess1). Der toskanische Gesandte Vieri Castiglione zahlte ihm im Jahre 1661 bei einer Audienz sechs pezzi da otto.
Da nie soviel Grund zu allgemeiner und privater Unzufrie- denheit gewesen war, so fehlte es nicht an Stoff zu Bosheiten. Tirso hält ein neues burgundisches Hofamt für zweckmässig, für das Schimpfen über Missbräuche; er schlägt den Titel Mur- muratiel vor. Lope schildert im Peregrino en su patria, wie dem philosophischen Beobachter dieser Cosas de Espanna zuletzt die Grenzen beider Reiche sich verwirren. Er bringt seine Liebenden in das Irrenhospital zu Valencia, und nimmt dann Anlass, bald in einem Poem die Narrheiten zu sammeln, die von uns, die frei herumgehn, begangen werden; bald die Tiefen des Wissens vom Empyreum, von Jagd und natürlich Musik aus dem Munde der Patienten zu lehren, sodass Jemand meint, wenn alle Narren in Spanien so gelehrt seien, so wolle er seine Kinder Ignoranten werden lassen.
Aber damals schon fehlte es nicht an Stimmen, welche das
1) Conte Franc. Ottonelli an den Herzog von Modena, 23. April 1652.
Siebentes Buch.
Bei dem Stiergefechte zu Ehren des Herzogs von Modena (1638) sassen sie um das Königspaar am Fuss des Throns, in der Tracht altkastilischer Könige.
Es kam auch vor, dass kluge Leute mit der Maske der Schalkheit spielten, um sich mehr Freiheit und Einfluss zu ver- schaffen. In der spätern Zeit Philipp IV war ein Ayuda de Cámara durch sein Talent eine der einflussreichsten Personen am Hof geworden, Emanuel Gomez. Er war in Italien und Florenz gewesen und galt bei den Diplomaten sogar für einen profunden Politiker und Menschenkenner, man weihte ihn ein in hohe Heiratsprojecte, um Fühler auszustrecken, wie damals als der Herzog von Modena sich um die Tochter D. Luis de Haro’s be- werben wollte. Seine besondre Gabe war eine ergötzliche, zu- weilen verwegene Nachahmung von Stimmen und Gesten (reme- dar); damit unterhielt er des Königs melancholische Majestät, sogar auf deren eigene Kosten; ja er kopirte den päbstlichen Nuntius wie er in der Palastkapelle funktionirte in dessen Ge- genwart. Dem König erzählte er was in der Stadt vorging und bei Hofe geredet wurde; die Grossen, die pretendientes und die Gesandten bewarben sich um die Gunst ihn an ihrer Tafel zu sehn, weil er leicht ein Wörtchen zur rechten Zeit fallen lassen konnte, wofür er sich dann nicht bloss mit Banketten be- lohnen liess1). Der toskanische Gesandte Vieri Castiglione zahlte ihm im Jahre 1661 bei einer Audienz sechs pezzi da otto.
Da nie soviel Grund zu allgemeiner und privater Unzufrie- denheit gewesen war, so fehlte es nicht an Stoff zu Bosheiten. Tirso hält ein neues burgundisches Hofamt für zweckmässig, für das Schimpfen über Missbräuche; er schlägt den Titel Mur- muratiel vor. Lope schildert im Peregrino en su patria, wie dem philosophischen Beobachter dieser Cosas de España zuletzt die Grenzen beider Reiche sich verwirren. Er bringt seine Liebenden in das Irrenhospital zu Valencia, und nimmt dann Anlass, bald in einem Poem die Narrheiten zu sammeln, die von uns, die frei herumgehn, begangen werden; bald die Tiefen des Wissens vom Empyreum, von Jagd und natürlich Musik aus dem Munde der Patienten zu lehren, sodass Jemand meint, wenn alle Narren in Spanien so gelehrt seien, so wolle er seine Kinder Ignoranten werden lassen.
Aber damals schon fehlte es nicht an Stimmen, welche das
1) Conte Franc. Ottonelli an den Herzog von Modena, 23. April 1652.
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Bei dem Stiergefechte zu Ehren des Herzogs von Modena (1638)
sassen sie um das Königspaar am Fuss des Throns, in der Tracht
altkastilischer Könige.
Es kam auch vor, dass kluge Leute mit der Maske der
Schalkheit spielten, um sich mehr Freiheit und Einfluss zu ver-
schaffen. In der spätern Zeit Philipp IV war ein Ayuda de
Cámara durch sein Talent eine der einflussreichsten Personen am
Hof geworden, Emanuel Gomez. Er war in Italien und Florenz
gewesen und galt bei den Diplomaten sogar für einen profunden
Politiker und Menschenkenner, man weihte ihn ein in hohe
Heiratsprojecte, um Fühler auszustrecken, wie damals als der
Herzog von Modena sich um die Tochter D. Luis de Haro’s be-
werben wollte. Seine besondre Gabe war eine ergötzliche, zu-
weilen verwegene Nachahmung von Stimmen und Gesten (reme-
dar); damit unterhielt er des Königs melancholische Majestät,
sogar auf deren eigene Kosten; ja er kopirte den päbstlichen
Nuntius wie er in der Palastkapelle funktionirte in dessen Ge-
genwart. Dem König erzählte er was in der Stadt vorging
und bei Hofe geredet wurde; die Grossen, die pretendientes und
die Gesandten bewarben sich um die Gunst ihn an ihrer Tafel
zu sehn, weil er leicht ein Wörtchen zur rechten Zeit fallen
lassen konnte, wofür er sich dann nicht bloss mit Banketten be-
lohnen liess 1). Der toskanische Gesandte Vieri Castiglione zahlte
ihm im Jahre 1661 bei einer Audienz sechs pezzi da otto.
Da nie soviel Grund zu allgemeiner und privater Unzufrie-
denheit gewesen war, so fehlte es nicht an Stoff zu Bosheiten.
Tirso hält ein neues burgundisches Hofamt für zweckmässig,
für das Schimpfen über Missbräuche; er schlägt den Titel Mur-
muratiel vor. Lope schildert im Peregrino en su patria, wie
dem philosophischen Beobachter dieser Cosas de España zuletzt
die Grenzen beider Reiche sich verwirren. Er bringt seine
Liebenden in das Irrenhospital zu Valencia, und nimmt dann
Anlass, bald in einem Poem die Narrheiten zu sammeln, die von
uns, die frei herumgehn, begangen werden; bald die Tiefen des
Wissens vom Empyreum, von Jagd und natürlich Musik aus dem
Munde der Patienten zu lehren, sodass Jemand meint, wenn alle
Narren in Spanien so gelehrt seien, so wolle er seine Kinder
Ignoranten werden lassen.
Aber damals schon fehlte es nicht an Stimmen, welche das
1) Conte Franc. Ottonelli an den Herzog von Modena, 23. April 1652.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/366>, abgerufen am 27.11.2024.
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