Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Die lustigen Personen.
sich von selbst. Dieser Edle schreibt seinem Herzog Vincenzo
Gonzaga, an den er sich unterzeichnet Vostro affizionato como
padre
: "Ich habe mich mit Rittern meines Gewerbes hier ge-
messen, und habe ihnen die Palme der Schandbarkeit (infamia)
abgewonnen. Aber mit den Kavalieren wird mir, fürchte ich,
der Sieg unmöglich werden, denn statt mir Geld zu geben, be-
zahlen sie mich mit Gravität." Der Gevatter könne seiner Treue
und Rückkehr gewiss sein, und wenn ihm der König von Spanien
alles gebe was er habe. Der Gesandte empfiehlt ihn bei der Ab-
reise dem Herzog, "er werde ihm volle Auskunft geben können
vom spanischen Hof, da er in kurzer Zeit alles günstige
und widrige Glück durch-
gemacht habe".

Aber nie hatte das
Narrenwesen soviel zu
bedeuten gehabt wie unter
Philipp IV, der zugleich
schwermüthig und frivol
war. Die Langeweile eines
Königs kann kolossaler
und gefährlicher werden
als die gewöhnlicher
Sterblichen, für Minister,
Lakaien und Unterthanen
und für den Frieden der
Welt. Calderon, im "Arzt
seiner Ehre", bringt einen
König auf die Bühne, der
seinem Narren hundert
Scudi bietet für jedes mal,
wenn er ihn zum Lachen

[Abbildung]

El Primo.

bringt, gelingt ihm diess einen Monat lang nicht, so wird ihm ein
Zahn ausgebrochen. Philipp IV gehörte zu den grossen Herrn,
von denen Erasmus im Lob der Narrheit sagt, dass sie ohne
ihre Narren weder essen noch trinken, ja überhaupt keine Stunde
ausfüllen können. Sie erscheinen im Theater, bei Festen, und
Audienzen an seiner Seite, sie haben überall freien Eintritt:

Que, en fe de hombre de placer,
Debe de haberse tomado
Licencia de entrar aqui.

(Afectos de odio y amor II.)

Die lustigen Personen.
sich von selbst. Dieser Edle schreibt seinem Herzog Vincenzo
Gonzaga, an den er sich unterzeichnet Vostro affizionato como
padre
: „Ich habe mich mit Rittern meines Gewerbes hier ge-
messen, und habe ihnen die Palme der Schandbarkeit (infamia)
abgewonnen. Aber mit den Kavalieren wird mir, fürchte ich,
der Sieg unmöglich werden, denn statt mir Geld zu geben, be-
zahlen sie mich mit Gravität.“ Der Gevatter könne seiner Treue
und Rückkehr gewiss sein, und wenn ihm der König von Spanien
alles gebe was er habe. Der Gesandte empfiehlt ihn bei der Ab-
reise dem Herzog, „er werde ihm volle Auskunft geben können
vom spanischen Hof, da er in kurzer Zeit alles günstige
und widrige Glück durch-
gemacht habe“.

Aber nie hatte das
Narrenwesen soviel zu
bedeuten gehabt wie unter
Philipp IV, der zugleich
schwermüthig und frivol
war. Die Langeweile eines
Königs kann kolossaler
und gefährlicher werden
als die gewöhnlicher
Sterblichen, für Minister,
Lakaien und Unterthanen
und für den Frieden der
Welt. Calderon, im „Arzt
seiner Ehre“, bringt einen
König auf die Bühne, der
seinem Narren hundert
Scudi bietet für jedes mal,
wenn er ihn zum Lachen

[Abbildung]

El Primo.

bringt, gelingt ihm diess einen Monat lang nicht, so wird ihm ein
Zahn ausgebrochen. Philipp IV gehörte zu den grossen Herrn,
von denen Erasmus im Lob der Narrheit sagt, dass sie ohne
ihre Narren weder essen noch trinken, ja überhaupt keine Stunde
ausfüllen können. Sie erscheinen im Theater, bei Festen, und
Audienzen an seiner Seite, sie haben überall freien Eintritt:

Que, en fé de hombre de placer,
Debe de haberse tomado
Licencia de entrar aqui.

(Afectos de odio y amor II.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0365" n="341"/><fw place="top" type="header">Die lustigen Personen.</fw><lb/>
sich von selbst. Dieser Edle schreibt seinem Herzog Vincenzo<lb/>
Gonzaga, an den er sich unterzeichnet <hi rendition="#i">Vostro affizionato como<lb/>
padre</hi>: &#x201E;Ich habe mich mit Rittern meines Gewerbes hier ge-<lb/>
messen, und habe ihnen die Palme der Schandbarkeit (<hi rendition="#i">infamia</hi>)<lb/>
abgewonnen. Aber mit den Kavalieren wird mir, fürchte ich,<lb/>
der Sieg unmöglich werden, denn statt mir Geld zu geben, be-<lb/>
zahlen sie mich mit Gravität.&#x201C; Der Gevatter könne seiner Treue<lb/>
und Rückkehr gewiss sein, und wenn ihm der König von Spanien<lb/>
alles gebe was er habe. Der Gesandte empfiehlt ihn bei der Ab-<lb/>
reise dem Herzog, &#x201E;er werde ihm volle Auskunft geben können<lb/>
vom spanischen Hof, da er in kurzer Zeit alles günstige<lb/>
und widrige Glück durch-<lb/>
gemacht habe&#x201C;.</p><lb/>
            <p>Aber nie hatte das<lb/>
Narrenwesen soviel zu<lb/>
bedeuten gehabt wie unter<lb/>
Philipp IV, der zugleich<lb/>
schwermüthig und frivol<lb/>
war. Die Langeweile eines<lb/>
Königs kann kolossaler<lb/>
und gefährlicher werden<lb/>
als die gewöhnlicher<lb/>
Sterblichen, für Minister,<lb/>
Lakaien und Unterthanen<lb/>
und für den Frieden der<lb/>
Welt. Calderon, im &#x201E;Arzt<lb/>
seiner Ehre&#x201C;, bringt einen<lb/>
König auf die Bühne, der<lb/>
seinem Narren hundert<lb/>
Scudi bietet für jedes mal,<lb/>
wenn er ihn zum Lachen<lb/><figure><p>El Primo.</p></figure><lb/>
bringt, gelingt ihm diess einen Monat lang nicht, so wird ihm ein<lb/>
Zahn ausgebrochen. Philipp IV gehörte zu den grossen Herrn,<lb/>
von denen Erasmus im Lob der Narrheit sagt, dass sie ohne<lb/>
ihre Narren weder essen noch trinken, ja überhaupt keine Stunde<lb/>
ausfüllen können. Sie erscheinen im Theater, bei Festen, und<lb/>
Audienzen an seiner Seite, sie haben überall freien Eintritt:</p><lb/>
            <cit rendition="#et">
              <quote> <hi rendition="#i">Que, en fé de hombre de placer,<lb/>
Debe de haberse tomado<lb/>
Licencia de entrar aqui.</hi> </quote><lb/>
              <bibl> (Afectos de odio y amor II.)</bibl>
            </cit><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0365] Die lustigen Personen. sich von selbst. Dieser Edle schreibt seinem Herzog Vincenzo Gonzaga, an den er sich unterzeichnet Vostro affizionato como padre: „Ich habe mich mit Rittern meines Gewerbes hier ge- messen, und habe ihnen die Palme der Schandbarkeit (infamia) abgewonnen. Aber mit den Kavalieren wird mir, fürchte ich, der Sieg unmöglich werden, denn statt mir Geld zu geben, be- zahlen sie mich mit Gravität.“ Der Gevatter könne seiner Treue und Rückkehr gewiss sein, und wenn ihm der König von Spanien alles gebe was er habe. Der Gesandte empfiehlt ihn bei der Ab- reise dem Herzog, „er werde ihm volle Auskunft geben können vom spanischen Hof, da er in kurzer Zeit alles günstige und widrige Glück durch- gemacht habe“. Aber nie hatte das Narrenwesen soviel zu bedeuten gehabt wie unter Philipp IV, der zugleich schwermüthig und frivol war. Die Langeweile eines Königs kann kolossaler und gefährlicher werden als die gewöhnlicher Sterblichen, für Minister, Lakaien und Unterthanen und für den Frieden der Welt. Calderon, im „Arzt seiner Ehre“, bringt einen König auf die Bühne, der seinem Narren hundert Scudi bietet für jedes mal, wenn er ihn zum Lachen [Abbildung El Primo.] bringt, gelingt ihm diess einen Monat lang nicht, so wird ihm ein Zahn ausgebrochen. Philipp IV gehörte zu den grossen Herrn, von denen Erasmus im Lob der Narrheit sagt, dass sie ohne ihre Narren weder essen noch trinken, ja überhaupt keine Stunde ausfüllen können. Sie erscheinen im Theater, bei Festen, und Audienzen an seiner Seite, sie haben überall freien Eintritt: Que, en fé de hombre de placer, Debe de haberse tomado Licencia de entrar aqui. (Afectos de odio y amor II.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/365
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/365>, abgerufen am 27.11.2024.