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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.

Zwanzig Bühnen waren an den Strassenmündungen errichtet
für Nationaltänze und Possen. Die Brunnen der Puerta del Sol
und des Stadthauses spielten. Vor San Felipe sah man in Nischen
die vergoldeten Statuen der Ahnen, von Carl V und Ferdinand I
an, nebst ihren Thaten in Malereien; auch die polychromirten und
bekleideten Statuen des Herrscherpaars fehlten nicht. Von dem
Platz S. Maria aus betrat sie die Kirche, empfangen von dem
Patriarchen beider Indien. Auf dem Palastplatz standen zwei Tri-
umphwagen mit der Statue des Mercur, der Hymen sein Amt abtrat,
umgeben von Fackelträgern und Musikanten. Diese nahmen sie in
die Mitte und brachten sie zum Thor, wo der König ihr entgegen-
trat. Clarendon fand ihn sehr kräftig und von Farbe, obwol
nicht ohne die Spuren seiner frühern Lebensführung. Beim
grossen Maskenrennen verdiente er sich noch einmal den lauten
Applaus der hierin kompetenten Zuschauer; er war noch immer
der erste Reiter seines Reichs. --

Der Gegenstand dieser Feste war eine kleine, kindische,
unwissende und eigensinnige Person. Das platte Gesichtchen,
in dem der Verstand noch schlummerte, zeigte keine schönen
Linien, das einzige was man behielt, war der Familienzug
um den Mund. Allein Dank ihren vierzehn Jahren bemerkte
man hauptsächlich die frische Farbe, die blonden Haare und die
klaren blauen Augen.

Die Camarera mayor hatten viel Arbeit, ihr das formlose
deutsche Wesen abzugewöhnen (il costume sincero d' Allemagna):
für eine Königin von Spanien schicke es sich nicht über die
Spässe des Hofzwergs so laut zu lachen. Sie meinte, dann solle
man ihr diesen unwiderstehlichen Humoristen ganz wegnehmen;
sie hätte auch sagen können: Warum es sich dann für die Ma-
jestät schicke, vom Hanswurst unzertrennlich zu sein? Ihre Unter-
haltungen waren überhaupt nicht geistreich: beim Carneval von
1651 wurde eine Schaar Mäuse unter die Hofdamen losgelassen;
die Erfinderin dieses Scherzes wurde reich belohnt.

Philipp IV, der einst die liebenswürdige, kluge, charak-
tervolle, graziöse und sogar hübschere Isabella vernachläs-
sigt hatte, machte der in jeder Beziehung unbedeutendern Ma-
rianne mit der zärtlichen Beharrlichkeit des alternden Mannes
den Hof; er wurde sogar ein guter Ehemann, denn jetzt
musste alles an die Erlangung eines Thronerben gesetzt werden.
Dieser königlichen Verliebtheit verdanken wir ihre zahlreichen
Bildnisse.

Siebentes Buch.

Zwanzig Bühnen waren an den Strassenmündungen errichtet
für Nationaltänze und Possen. Die Brunnen der Puerta del Sol
und des Stadthauses spielten. Vor San Felipe sah man in Nischen
die vergoldeten Statuen der Ahnen, von Carl V und Ferdinand I
an, nebst ihren Thaten in Malereien; auch die polychromirten und
bekleideten Statuen des Herrscherpaars fehlten nicht. Von dem
Platz S. Maria aus betrat sie die Kirche, empfangen von dem
Patriarchen beider Indien. Auf dem Palastplatz standen zwei Tri-
umphwagen mit der Statue des Mercur, der Hymen sein Amt abtrat,
umgeben von Fackelträgern und Musikanten. Diese nahmen sie in
die Mitte und brachten sie zum Thor, wo der König ihr entgegen-
trat. Clarendon fand ihn sehr kräftig und von Farbe, obwol
nicht ohne die Spuren seiner frühern Lebensführung. Beim
grossen Maskenrennen verdiente er sich noch einmal den lauten
Applaus der hierin kompetenten Zuschauer; er war noch immer
der erste Reiter seines Reichs. —

Der Gegenstand dieser Feste war eine kleine, kindische,
unwissende und eigensinnige Person. Das platte Gesichtchen,
in dem der Verstand noch schlummerte, zeigte keine schönen
Linien, das einzige was man behielt, war der Familienzug
um den Mund. Allein Dank ihren vierzehn Jahren bemerkte
man hauptsächlich die frische Farbe, die blonden Haare und die
klaren blauen Augen.

Die Camarera mayor hatten viel Arbeit, ihr das formlose
deutsche Wesen abzugewöhnen (il costume sincero d’ Allemagna):
für eine Königin von Spanien schicke es sich nicht über die
Spässe des Hofzwergs so laut zu lachen. Sie meinte, dann solle
man ihr diesen unwiderstehlichen Humoristen ganz wegnehmen;
sie hätte auch sagen können: Warum es sich dann für die Ma-
jestät schicke, vom Hanswurst unzertrennlich zu sein? Ihre Unter-
haltungen waren überhaupt nicht geistreich: beim Carneval von
1651 wurde eine Schaar Mäuse unter die Hofdamen losgelassen;
die Erfinderin dieses Scherzes wurde reich belohnt.

Philipp IV, der einst die liebenswürdige, kluge, charak-
tervolle, graziöse und sogar hübschere Isabella vernachläs-
sigt hatte, machte der in jeder Beziehung unbedeutendern Ma-
rianne mit der zärtlichen Beharrlichkeit des alternden Mannes
den Hof; er wurde sogar ein guter Ehemann, denn jetzt
musste alles an die Erlangung eines Thronerben gesetzt werden.
Dieser königlichen Verliebtheit verdanken wir ihre zahlreichen
Bildnisse.

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[288/0308] Siebentes Buch. Zwanzig Bühnen waren an den Strassenmündungen errichtet für Nationaltänze und Possen. Die Brunnen der Puerta del Sol und des Stadthauses spielten. Vor San Felipe sah man in Nischen die vergoldeten Statuen der Ahnen, von Carl V und Ferdinand I an, nebst ihren Thaten in Malereien; auch die polychromirten und bekleideten Statuen des Herrscherpaars fehlten nicht. Von dem Platz S. Maria aus betrat sie die Kirche, empfangen von dem Patriarchen beider Indien. Auf dem Palastplatz standen zwei Tri- umphwagen mit der Statue des Mercur, der Hymen sein Amt abtrat, umgeben von Fackelträgern und Musikanten. Diese nahmen sie in die Mitte und brachten sie zum Thor, wo der König ihr entgegen- trat. Clarendon fand ihn sehr kräftig und von Farbe, obwol nicht ohne die Spuren seiner frühern Lebensführung. Beim grossen Maskenrennen verdiente er sich noch einmal den lauten Applaus der hierin kompetenten Zuschauer; er war noch immer der erste Reiter seines Reichs. — Der Gegenstand dieser Feste war eine kleine, kindische, unwissende und eigensinnige Person. Das platte Gesichtchen, in dem der Verstand noch schlummerte, zeigte keine schönen Linien, das einzige was man behielt, war der Familienzug um den Mund. Allein Dank ihren vierzehn Jahren bemerkte man hauptsächlich die frische Farbe, die blonden Haare und die klaren blauen Augen. Die Camarera mayor hatten viel Arbeit, ihr das formlose deutsche Wesen abzugewöhnen (il costume sincero d’ Allemagna): für eine Königin von Spanien schicke es sich nicht über die Spässe des Hofzwergs so laut zu lachen. Sie meinte, dann solle man ihr diesen unwiderstehlichen Humoristen ganz wegnehmen; sie hätte auch sagen können: Warum es sich dann für die Ma- jestät schicke, vom Hanswurst unzertrennlich zu sein? Ihre Unter- haltungen waren überhaupt nicht geistreich: beim Carneval von 1651 wurde eine Schaar Mäuse unter die Hofdamen losgelassen; die Erfinderin dieses Scherzes wurde reich belohnt. Philipp IV, der einst die liebenswürdige, kluge, charak- tervolle, graziöse und sogar hübschere Isabella vernachläs- sigt hatte, machte der in jeder Beziehung unbedeutendern Ma- rianne mit der zärtlichen Beharrlichkeit des alternden Mannes den Hof; er wurde sogar ein guter Ehemann, denn jetzt musste alles an die Erlangung eines Thronerben gesetzt werden. Dieser königlichen Verliebtheit verdanken wir ihre zahlreichen Bildnisse.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/308>, abgerufen am 25.11.2024.