damals war sein Amt, bei einer so förmlichen Nation, nicht ohne Dornen. Erwägt man, dass Feste und Reisen einen grossen Theil der Einkünfte verschlangen, so wird klar, dass der Palast- marschall auch im Finanzfach kein Dilettant sein durfte. Man liest, dass in den Jahren 1654--56 die blossen Reisen des Hofs in Castilien über 400,000 pezze gekostet hatten1).
Die Bewerbungen richteten sich an den Verwaltungsrath des Königlichen Hauses (bureo), sechs Herren unter Vorsitz des Mayordomo mayor. Nach dem Bericht (16. Februar 1652) hätte Velazquez wenig Aussicht gehabt. Nur einen Bewerber em- pfehlen sie einstimmig: Gaspar de Fuensalida, damals Chef des Wachszimmers (Cereria), seit 1627 im Amt, der älteste unter den jefes de los oficios. Er kannte unsern Maler seit seiner Ankunft in Madrid, und hat sich bei einer späteren Gelegenheit sehr freundschaftlich über ihn ausgesprochen. Der Marques de Ariza nennt Velazquez gar nicht. Der nächstbegünstigte ist Francisco de Roxas, Jahre lang Juwelenbewahrer des Cardinalinfanten und Hausmarschall des Prinzen; er ist Velazquez' Nachfolger geworden. Dem Grafen Pundonrrostro zu Folge hat er stets mit viel Wahr- heit, Pünktlichkeit und Zufriedenheit gedient. Die andern sind Simon Rodriguez und Alonso Carbonel, einmal wird Joseph Nieto, Hausmarschall der Königin und Guardadamas genannt, den Velazquez im Gemälde der Meninas angebracht hat. Fünf der Herrn empfehlen zwar unsern Maler, aber keiner an erster Stelle; doch bestätigt der Graf von Ysinguien, der ihn an letzter Stelle aufführt, den von ihm selbst für sich geltend gemachten Empfeh- lungsgrund, "dass er viele Jahre für Ausschmückung und Ord- nung der Wohnung S. M. mit der Gewissenhaftigkeit und dem Erfolg (acierto) gewirkt habe, der S. M. bekannt sei".
Der König schrieb an den Rand: Nombro a Velazquez (Ich ernenne Velazquez).
Aus den Akten des Amtes im Palastarchiv geht nun hervor, dass der Schlossmarschall mit einer Reihe zum Theil recht niedriger Dinge sich zu befassen hatte, wobei er überdiess bald den Erinnerungen und Befehlen vorgesetzter Hofbeamten nach- zukommen, bald gegen Anklagen der untersten Dienerschaft sich vor dem Könige zu verantworten hatte2).
1) Domenego Zane, Depesche vom 19. April 1656.
2) Zum Theil mitgetheilt in Zarco del Valle, Documentos ineditos. Madrid 1870, S. 405 ff. Im folgenden sind auch ungedruckte Dokumente des Archivs be- nutzt worden.
Siebentes Buch.
damals war sein Amt, bei einer so förmlichen Nation, nicht ohne Dornen. Erwägt man, dass Feste und Reisen einen grossen Theil der Einkünfte verschlangen, so wird klar, dass der Palast- marschall auch im Finanzfach kein Dilettant sein durfte. Man liest, dass in den Jahren 1654—56 die blossen Reisen des Hofs in Castilien über 400,000 pezze gekostet hatten1).
Die Bewerbungen richteten sich an den Verwaltungsrath des Königlichen Hauses (bureo), sechs Herren unter Vorsitz des Mayordomo mayor. Nach dem Bericht (16. Februar 1652) hätte Velazquez wenig Aussicht gehabt. Nur einen Bewerber em- pfehlen sie einstimmig: Gaspar de Fuensalida, damals Chef des Wachszimmers (Cerería), seit 1627 im Amt, der älteste unter den jefes de los oficios. Er kannte unsern Maler seit seiner Ankunft in Madrid, und hat sich bei einer späteren Gelegenheit sehr freundschaftlich über ihn ausgesprochen. Der Marques de Ariza nennt Velazquez gar nicht. Der nächstbegünstigte ist Francisco de Roxas, Jahre lang Juwelenbewahrer des Cardinalinfanten und Hausmarschall des Prinzen; er ist Velazquez’ Nachfolger geworden. Dem Grafen Puñonrrostro zu Folge hat er stets mit viel Wahr- heit, Pünktlichkeit und Zufriedenheit gedient. Die andern sind Simon Rodriguez und Alonso Carbonel, einmal wird Joseph Nieto, Hausmarschall der Königin und Guardadamas genannt, den Velazquez im Gemälde der Meninas angebracht hat. Fünf der Herrn empfehlen zwar unsern Maler, aber keiner an erster Stelle; doch bestätigt der Graf von Ysinguien, der ihn an letzter Stelle aufführt, den von ihm selbst für sich geltend gemachten Empfeh- lungsgrund, „dass er viele Jahre für Ausschmückung und Ord- nung der Wohnung S. M. mit der Gewissenhaftigkeit und dem Erfolg (acierto) gewirkt habe, der S. M. bekannt sei“.
Der König schrieb an den Rand: Nombro á Velazquez (Ich ernenne Velazquez).
Aus den Akten des Amtes im Palastarchiv geht nun hervor, dass der Schlossmarschall mit einer Reihe zum Theil recht niedriger Dinge sich zu befassen hatte, wobei er überdiess bald den Erinnerungen und Befehlen vorgesetzter Hofbeamten nach- zukommen, bald gegen Anklagen der untersten Dienerschaft sich vor dem Könige zu verantworten hatte2).
1) Domenego Zane, Depesche vom 19. April 1656.
2) Zum Theil mitgetheilt in Zarco del Valle, Documentos inéditos. Madrid 1870, S. 405 ff. Im folgenden sind auch ungedruckte Dokumente des Archivs be- nutzt worden.
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Siebentes Buch.
damals war sein Amt, bei einer so förmlichen Nation, nicht ohne
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marschall auch im Finanzfach kein Dilettant sein durfte. Man
liest, dass in den Jahren 1654—56 die blossen Reisen des Hofs
in Castilien über 400,000 pezze gekostet hatten 1).
Die Bewerbungen richteten sich an den Verwaltungsrath
des Königlichen Hauses (bureo), sechs Herren unter Vorsitz des
Mayordomo mayor. Nach dem Bericht (16. Februar 1652) hätte
Velazquez wenig Aussicht gehabt. Nur einen Bewerber em-
pfehlen sie einstimmig: Gaspar de Fuensalida, damals Chef des
Wachszimmers (Cerería), seit 1627 im Amt, der älteste unter den
jefes de los oficios. Er kannte unsern Maler seit seiner Ankunft
in Madrid, und hat sich bei einer späteren Gelegenheit sehr
freundschaftlich über ihn ausgesprochen. Der Marques de Ariza
nennt Velazquez gar nicht. Der nächstbegünstigte ist Francisco
de Roxas, Jahre lang Juwelenbewahrer des Cardinalinfanten und
Hausmarschall des Prinzen; er ist Velazquez’ Nachfolger geworden.
Dem Grafen Puñonrrostro zu Folge hat er stets mit viel Wahr-
heit, Pünktlichkeit und Zufriedenheit gedient. Die andern sind
Simon Rodriguez und Alonso Carbonel, einmal wird Joseph Nieto,
Hausmarschall der Königin und Guardadamas genannt, den
Velazquez im Gemälde der Meninas angebracht hat. Fünf der
Herrn empfehlen zwar unsern Maler, aber keiner an erster Stelle;
doch bestätigt der Graf von Ysinguien, der ihn an letzter Stelle
aufführt, den von ihm selbst für sich geltend gemachten Empfeh-
lungsgrund, „dass er viele Jahre für Ausschmückung und Ord-
nung der Wohnung S. M. mit der Gewissenhaftigkeit und dem
Erfolg (acierto) gewirkt habe, der S. M. bekannt sei“.
Der König schrieb an den Rand: Nombro á Velazquez (Ich
ernenne Velazquez).
Aus den Akten des Amtes im Palastarchiv geht nun hervor,
dass der Schlossmarschall mit einer Reihe zum Theil recht
niedriger Dinge sich zu befassen hatte, wobei er überdiess bald
den Erinnerungen und Befehlen vorgesetzter Hofbeamten nach-
zukommen, bald gegen Anklagen der untersten Dienerschaft
sich vor dem Könige zu verantworten hatte 2).
1) Domenego Zane, Depesche vom 19. April 1656.
2) Zum Theil mitgetheilt in Zarco del Valle, Documentos inéditos. Madrid
1870, S. 405 ff. Im folgenden sind auch ungedruckte Dokumente des Archivs be-
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/238>, abgerufen am 16.07.2024.
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