Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Rom im Jahre 1650.
majestätischen Bau, genannt Palazzo Pamfilio mitsammt der
Kirche bauen lassen." Zur Kirche S. Agnese wurde indess erst
zwei Jahre später der Grundstein gelegt. Der Obelisk, auf dessen
Inschrift 1651 steht, ist bereits aufgerichtet. Der alte Circus
agonalis war von dem Römer Carlo Rainaldi, dem Sohne des
Erbauers des Palasts, zu einem Peristyl von laubumwundenen Pfo-
sten mit Spitzgiebeln umgeschaffen worden, in dem zweitausend
Lichter brannten. Den Obelisken umschloss ein vierthürmiges
Castell, auf dem die Musikchöre standen; andre vier befanden sich
auf den Bühnen in der Peripherie. In der Längenachse flankirten
diese guglia zwei nachgeahmte Nadeln, die Feuergarben empor-
strahlten; die Thürme des Collegio Romano und der Anima antwor-
teten. Diese zahllosen Lichter gewährten im Glanz des Morgens
ein eigenes Schauspiel: die Luft schien mit aufgelöstem Gold ge-
sättigt. Da wo später der von Bernini modellirte Brunnen des
"Tritone pesce" oder Neptun hinkam, und am gegenüberliegenden
Ende erhoben sich zwei Triumphbogen, gestiftet von den Ca-
stiliern und Aragonesen, bekrönt mit Obelisken und Kuppeln,
die an die spanische Königskrone erinnerten; in dem einen stand
eine Statue des Auferstandenen, in dem andern die der Maria,
der er am Ostermorgen erscheint.

Links an der Stelle, wo sich bald darauf die Fassade von
S. Agnese, ein Werk jenes Rainaldi und des Borromini erhob,
hatten drei treugebliebene Portugiesen einen Altar mit dem
Wappen ihres Landes errichtet. Zur Rechten sieht man die
Renaissancefassade der einstigen spanischen Nationalkirche von
S. Jago und Ildefonso. Aus ihr tritt die Procession, eröffnet
durch den Gesandten, Herzog von Infantado, und bewegt sich in
der Umrisslinie des alten Cirkus an den Häusern her. Die An-
dacht wird sie nicht verhindern, die Blicke nach den Balkons
des Palasts Pamfili zu wenden, die man von dichten Reihen
Damen besetzt sieht. Unter ihnen befindet sich die grösste
Merkwürdigkeit Roms, die Schwägerin Seiner Heiligkeit, die
Papessa (wie sie Pasquin nannte): Donna Olimpia Maidalchini1).

Das Jubiläum hatte Bewegung auch in die Künstlerwelt
gebracht. In den letzten Zeiten war angestrengt für Eröffnun-
gen und Enthüllungen gearbeitet worden. Obenan stand die
Modernisirung des Innern der Laterankirche durch Borromini;
man rühmte, dass er ohne an Mauern und Grundriss zu rühren,

1) Fr. Cancellieri, 11 mercato, il lago ed il pal. Panfiliano. Roma 1811 p. 108.

Rom im Jahre 1650.
majestätischen Bau, genannt Palazzo Pamfilio mitsammt der
Kirche bauen lassen.“ Zur Kirche S. Agnese wurde indess erst
zwei Jahre später der Grundstein gelegt. Der Obelisk, auf dessen
Inschrift 1651 steht, ist bereits aufgerichtet. Der alte Circus
agonalis war von dem Römer Carlo Rainaldi, dem Sohne des
Erbauers des Palasts, zu einem Peristyl von laubumwundenen Pfo-
sten mit Spitzgiebeln umgeschaffen worden, in dem zweitausend
Lichter brannten. Den Obelisken umschloss ein vierthürmiges
Castell, auf dem die Musikchöre standen; andre vier befanden sich
auf den Bühnen in der Peripherie. In der Längenachse flankirten
diese guglia zwei nachgeahmte Nadeln, die Feuergarben empor-
strahlten; die Thürme des Collegio Romano und der Anima antwor-
teten. Diese zahllosen Lichter gewährten im Glanz des Morgens
ein eigenes Schauspiel: die Luft schien mit aufgelöstem Gold ge-
sättigt. Da wo später der von Bernini modellirte Brunnen des
Tritone pesce“ oder Neptun hinkam, und am gegenüberliegenden
Ende erhoben sich zwei Triumphbogen, gestiftet von den Ca-
stiliern und Aragonesen, bekrönt mit Obelisken und Kuppeln,
die an die spanische Königskrone erinnerten; in dem einen stand
eine Statue des Auferstandenen, in dem andern die der Maria,
der er am Ostermorgen erscheint.

Links an der Stelle, wo sich bald darauf die Fassade von
S. Agnese, ein Werk jenes Rainaldi und des Borromini erhob,
hatten drei treugebliebene Portugiesen einen Altar mit dem
Wappen ihres Landes errichtet. Zur Rechten sieht man die
Renaissancefassade der einstigen spanischen Nationalkirche von
S. Jago und Ildefonso. Aus ihr tritt die Procession, eröffnet
durch den Gesandten, Herzog von Infantado, und bewegt sich in
der Umrisslinie des alten Cirkus an den Häusern her. Die An-
dacht wird sie nicht verhindern, die Blicke nach den Balkons
des Palasts Pamfili zu wenden, die man von dichten Reihen
Damen besetzt sieht. Unter ihnen befindet sich die grösste
Merkwürdigkeit Roms, die Schwägerin Seiner Heiligkeit, die
Papessa (wie sie Pasquin nannte): Donna Olimpia Maidalchini1).

Das Jubiläum hatte Bewegung auch in die Künstlerwelt
gebracht. In den letzten Zeiten war angestrengt für Eröffnun-
gen und Enthüllungen gearbeitet worden. Obenan stand die
Modernisirung des Innern der Laterankirche durch Borromini;
man rühmte, dass er ohne an Mauern und Grundriss zu rühren,

1) Fr. Cancellieri, 11 mercato, il lago ed il pal. Panfiliano. Roma 1811 p. 108.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="167"/><fw place="top" type="header">Rom im Jahre 1650.</fw><lb/>
majestätischen Bau, genannt Palazzo Pamfilio mitsammt der<lb/>
Kirche bauen lassen.&#x201C; Zur Kirche S. Agnese wurde indess erst<lb/>
zwei Jahre später der Grundstein gelegt. Der Obelisk, auf dessen<lb/>
Inschrift 1651 steht, ist bereits aufgerichtet. Der alte Circus<lb/>
agonalis war von dem Römer Carlo Rainaldi, dem Sohne des<lb/>
Erbauers des Palasts, zu einem Peristyl von laubumwundenen Pfo-<lb/>
sten mit Spitzgiebeln umgeschaffen worden, in dem zweitausend<lb/>
Lichter brannten. Den Obelisken umschloss ein vierthürmiges<lb/>
Castell, auf dem die Musikchöre standen; andre vier befanden sich<lb/>
auf den Bühnen in der Peripherie. In der Längenachse flankirten<lb/>
diese <hi rendition="#i">guglia</hi> zwei nachgeahmte Nadeln, die Feuergarben empor-<lb/>
strahlten; die Thürme des Collegio Romano und der Anima antwor-<lb/>
teten. Diese zahllosen Lichter gewährten im Glanz des Morgens<lb/>
ein eigenes Schauspiel: die Luft schien mit aufgelöstem Gold ge-<lb/>
sättigt. Da wo später der von Bernini modellirte Brunnen des<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">Tritone pesce</hi>&#x201C; oder Neptun hinkam, und am gegenüberliegenden<lb/>
Ende erhoben sich zwei Triumphbogen, gestiftet von den Ca-<lb/>
stiliern und Aragonesen, bekrönt mit Obelisken und Kuppeln,<lb/>
die an die spanische Königskrone erinnerten; in dem einen stand<lb/>
eine Statue des Auferstandenen, in dem andern die der Maria,<lb/>
der er am Ostermorgen erscheint.</p><lb/>
          <p>Links an der Stelle, wo sich bald darauf die Fassade von<lb/>
S. Agnese, ein Werk jenes Rainaldi und des Borromini erhob,<lb/>
hatten drei treugebliebene Portugiesen einen Altar mit dem<lb/>
Wappen ihres Landes errichtet. Zur Rechten sieht man die<lb/>
Renaissancefassade der einstigen spanischen Nationalkirche von<lb/>
S. Jago und Ildefonso. Aus ihr tritt die Procession, eröffnet<lb/>
durch den Gesandten, Herzog von Infantado, und bewegt sich in<lb/>
der Umrisslinie des alten Cirkus an den Häusern her. Die An-<lb/>
dacht wird sie nicht verhindern, die Blicke nach den Balkons<lb/>
des Palasts Pamfili zu wenden, die man von dichten Reihen<lb/>
Damen besetzt sieht. Unter ihnen befindet sich die grösste<lb/>
Merkwürdigkeit Roms, die Schwägerin Seiner Heiligkeit, die<lb/><hi rendition="#i">Papessa</hi> (wie sie Pasquin nannte): Donna Olimpia Maidalchini<note place="foot" n="1)">Fr. Cancellieri, 11 mercato, il lago ed il pal. Panfiliano. Roma 1811 p. 108.</note>.</p><lb/>
          <p>Das Jubiläum hatte Bewegung auch in die Künstlerwelt<lb/>
gebracht. In den letzten Zeiten war angestrengt für Eröffnun-<lb/>
gen und Enthüllungen gearbeitet worden. Obenan stand die<lb/>
Modernisirung des Innern der Laterankirche durch Borromini;<lb/>
man rühmte, dass er ohne an Mauern und Grundriss zu rühren,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0187] Rom im Jahre 1650. majestätischen Bau, genannt Palazzo Pamfilio mitsammt der Kirche bauen lassen.“ Zur Kirche S. Agnese wurde indess erst zwei Jahre später der Grundstein gelegt. Der Obelisk, auf dessen Inschrift 1651 steht, ist bereits aufgerichtet. Der alte Circus agonalis war von dem Römer Carlo Rainaldi, dem Sohne des Erbauers des Palasts, zu einem Peristyl von laubumwundenen Pfo- sten mit Spitzgiebeln umgeschaffen worden, in dem zweitausend Lichter brannten. Den Obelisken umschloss ein vierthürmiges Castell, auf dem die Musikchöre standen; andre vier befanden sich auf den Bühnen in der Peripherie. In der Längenachse flankirten diese guglia zwei nachgeahmte Nadeln, die Feuergarben empor- strahlten; die Thürme des Collegio Romano und der Anima antwor- teten. Diese zahllosen Lichter gewährten im Glanz des Morgens ein eigenes Schauspiel: die Luft schien mit aufgelöstem Gold ge- sättigt. Da wo später der von Bernini modellirte Brunnen des „Tritone pesce“ oder Neptun hinkam, und am gegenüberliegenden Ende erhoben sich zwei Triumphbogen, gestiftet von den Ca- stiliern und Aragonesen, bekrönt mit Obelisken und Kuppeln, die an die spanische Königskrone erinnerten; in dem einen stand eine Statue des Auferstandenen, in dem andern die der Maria, der er am Ostermorgen erscheint. Links an der Stelle, wo sich bald darauf die Fassade von S. Agnese, ein Werk jenes Rainaldi und des Borromini erhob, hatten drei treugebliebene Portugiesen einen Altar mit dem Wappen ihres Landes errichtet. Zur Rechten sieht man die Renaissancefassade der einstigen spanischen Nationalkirche von S. Jago und Ildefonso. Aus ihr tritt die Procession, eröffnet durch den Gesandten, Herzog von Infantado, und bewegt sich in der Umrisslinie des alten Cirkus an den Häusern her. Die An- dacht wird sie nicht verhindern, die Blicke nach den Balkons des Palasts Pamfili zu wenden, die man von dichten Reihen Damen besetzt sieht. Unter ihnen befindet sich die grösste Merkwürdigkeit Roms, die Schwägerin Seiner Heiligkeit, die Papessa (wie sie Pasquin nannte): Donna Olimpia Maidalchini 1). Das Jubiläum hatte Bewegung auch in die Künstlerwelt gebracht. In den letzten Zeiten war angestrengt für Eröffnun- gen und Enthüllungen gearbeitet worden. Obenan stand die Modernisirung des Innern der Laterankirche durch Borromini; man rühmte, dass er ohne an Mauern und Grundriss zu rühren, 1) Fr. Cancellieri, 11 mercato, il lago ed il pal. Panfiliano. Roma 1811 p. 108.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/187
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/187>, abgerufen am 23.11.2024.