Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Castell von Pamplona.
Manieren van Dycks. -- Das Gemälde besteht also aus vier
horizontalen Schichten: der ruhige, lichte Tageshimmel, das
graue Häusermeer, der dunkelgrüne durchsichtige Strom und die
mit den bunten Menschen bedeckten Ufer. Zu dieser Ruhe und
Heiterkeit tritt ein Kontrast, der aber hinter der Schwelle des
Gesehenen steht, in den aufsteigenden Erinnerungen: der zer-
störenden Ueberfluthung der vorhergegangenen Jahre, des ge-
genwärtigen Kriegtobens im Süden, und der einstigen Macht
der Kapitale des nordspanischen Reichs. Die verfallende alte
Stadt und ihr moderner Besuch, die frivole thatlose Hofgesell-
schaft Philipp IV bilden uns die Zeiten ab, wo Reiche ge-
gründet, und die wo sie verloren werden.

Diese Vedute, die ein Andenken vom Ehrentage des Kron-
prinzen sein sollte, konnte später nur peinliche Empfindungen
wecken. Nach seinem Tode vollendet, ist sie nie in die könig-
lichen Wohnzimmer aufgenommen worden. Sie wurde in die
Gänge (transitos) über dem Schatzhaus verwiesen; zu Palomino's
Zeit war sie in dem Gang nach der Encarnacion.

Das Castell von Pamplona.

Ein bisher räthselhaftes Gemälde, welches sicher derselben
Reise des Hofs nach dem Norden seinen Ursprung verdankt,
befindet sich in Apsley House (Curtis 61, Landschaft mit Fort;
etwa 18" x 24"). Auch hier haben wir eine Vedute, diesmal ein
Castell umgeben von gewaltigen Bergen; eine königliche Einfahrt
im Mittelgrund, und vorn sich verlustigende Gesellschaft bunt
vermischt mit provinziellen Kostümfiguren. W. Burger nennt
sie ein Meisterstück, die Hand ist jedoch nicht die des Meisters,
wol aber seiner Schule. Das Bild ist auf grobe Leinwand gemalt,
trotz des derben Farbenauftrags ist das bunte figürliche und land-
schaftliche Detail charakteristisch bestimmt und erkennbar.

Nun hing zur Zeit Carl II im Durchgang über dem Schatz-
haus eine Ansicht "des Castells von Pamplona, mit Landschaft
und vielem Volk jener Gegenden, dem Einzug König Philipp IV
zusehend, mit dem Wappen von Navarra1)." Cean Bermudez sah
es noch im neuen Palast im Cuarto del Rey. Vielleicht steckt es

1) Otro lienzo de 4 varas de largo y poco menos de alto pintado el Castillo de
Pamplona con un pais y mucha gente de aquellos trajes mirando la entrada del
Rey Nro Sr Don Phelipe IV con las Armas Reales de Navarra, Original de J. B.
del Mazo. Taxirt zu 400 doblones, hundert mehr als Zaragoza. Transitos angostos
II. 10

Das Castell von Pamplona.
Manieren van Dycks. — Das Gemälde besteht also aus vier
horizontalen Schichten: der ruhige, lichte Tageshimmel, das
graue Häusermeer, der dunkelgrüne durchsichtige Strom und die
mit den bunten Menschen bedeckten Ufer. Zu dieser Ruhe und
Heiterkeit tritt ein Kontrast, der aber hinter der Schwelle des
Gesehenen steht, in den aufsteigenden Erinnerungen: der zer-
störenden Ueberfluthung der vorhergegangenen Jahre, des ge-
genwärtigen Kriegtobens im Süden, und der einstigen Macht
der Kapitale des nordspanischen Reichs. Die verfallende alte
Stadt und ihr moderner Besuch, die frivole thatlose Hofgesell-
schaft Philipp IV bilden uns die Zeiten ab, wo Reiche ge-
gründet, und die wo sie verloren werden.

Diese Vedute, die ein Andenken vom Ehrentage des Kron-
prinzen sein sollte, konnte später nur peinliche Empfindungen
wecken. Nach seinem Tode vollendet, ist sie nie in die könig-
lichen Wohnzimmer aufgenommen worden. Sie wurde in die
Gänge (tránsitos) über dem Schatzhaus verwiesen; zu Palomino’s
Zeit war sie in dem Gang nach der Encarnacion.

Das Castell von Pamplona.

Ein bisher räthselhaftes Gemälde, welches sicher derselben
Reise des Hofs nach dem Norden seinen Ursprung verdankt,
befindet sich in Apsley House (Curtis 61, Landschaft mit Fort;
etwa 18″ × 24″). Auch hier haben wir eine Vedute, diesmal ein
Castell umgeben von gewaltigen Bergen; eine königliche Einfahrt
im Mittelgrund, und vorn sich verlustigende Gesellschaft bunt
vermischt mit provinziellen Kostümfiguren. W. Burger nennt
sie ein Meisterstück, die Hand ist jedoch nicht die des Meisters,
wol aber seiner Schule. Das Bild ist auf grobe Leinwand gemalt,
trotz des derben Farbenauftrags ist das bunte figürliche und land-
schaftliche Detail charakteristisch bestimmt und erkennbar.

Nun hing zur Zeit Carl II im Durchgang über dem Schatz-
haus eine Ansicht „des Castells von Pamplona, mit Landschaft
und vielem Volk jener Gegenden, dem Einzug König Philipp IV
zusehend, mit dem Wappen von Navarra1).“ Cean Bermudez sah
es noch im neuen Palast im Cuarto del Rey. Vielleicht steckt es

1) Otro lienzo de 4 varas de largo y poco menos de alto pintado el Castillo de
Pamplona con un pais y mucha gente de aquellos trajes mirando la entrada del
Rey Nro Sr Don Phelipe IV con las Armas Reales de Navarra, Original de J. B.
del Mazo. Taxirt zu 400 doblones, hundert mehr als Zaragoza. Transitos angostos
II. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0165" n="145"/><fw place="top" type="header">Das Castell von Pamplona.</fw><lb/>
Manieren van Dycks. &#x2014; Das Gemälde besteht also aus vier<lb/>
horizontalen Schichten: der ruhige, lichte Tageshimmel, das<lb/>
graue Häusermeer, der dunkelgrüne durchsichtige Strom und die<lb/>
mit den bunten Menschen bedeckten Ufer. Zu dieser Ruhe und<lb/>
Heiterkeit tritt ein Kontrast, der aber hinter der Schwelle des<lb/>
Gesehenen steht, in den aufsteigenden Erinnerungen: der zer-<lb/>
störenden Ueberfluthung der vorhergegangenen Jahre, des ge-<lb/>
genwärtigen Kriegtobens im Süden, und der einstigen Macht<lb/>
der Kapitale des nordspanischen Reichs. Die verfallende alte<lb/>
Stadt und ihr moderner Besuch, die frivole thatlose Hofgesell-<lb/>
schaft Philipp IV bilden uns die Zeiten ab, wo Reiche ge-<lb/>
gründet, und die wo sie verloren werden.</p><lb/>
            <p>Diese Vedute, die ein Andenken vom Ehrentage des Kron-<lb/>
prinzen sein sollte, konnte später nur peinliche Empfindungen<lb/>
wecken. Nach seinem Tode vollendet, ist sie nie in die könig-<lb/>
lichen Wohnzimmer aufgenommen worden. Sie wurde in die<lb/>
Gänge (<hi rendition="#i">tránsitos</hi>) über dem Schatzhaus verwiesen; zu Palomino&#x2019;s<lb/>
Zeit war sie in dem Gang nach der Encarnacion.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Das Castell von Pamplona.</hi> </head><lb/>
            <p>Ein bisher räthselhaftes Gemälde, welches sicher derselben<lb/>
Reise des Hofs nach dem Norden seinen Ursprung verdankt,<lb/>
befindet sich in Apsley House (Curtis 61, Landschaft mit Fort;<lb/>
etwa 18&#x2033; × 24&#x2033;). Auch hier haben wir eine Vedute, diesmal ein<lb/>
Castell umgeben von gewaltigen Bergen; eine königliche Einfahrt<lb/>
im Mittelgrund, und vorn sich verlustigende Gesellschaft bunt<lb/>
vermischt mit provinziellen Kostümfiguren. W. Burger nennt<lb/>
sie ein Meisterstück, die Hand ist jedoch nicht die des Meisters,<lb/>
wol aber seiner Schule. Das Bild ist auf grobe Leinwand gemalt,<lb/>
trotz des derben Farbenauftrags ist das bunte figürliche und land-<lb/>
schaftliche Detail charakteristisch bestimmt und erkennbar.</p><lb/>
            <p>Nun hing zur Zeit Carl II im Durchgang über dem Schatz-<lb/>
haus eine Ansicht &#x201E;des Castells von Pamplona, mit Landschaft<lb/>
und vielem Volk jener Gegenden, dem Einzug König Philipp IV<lb/>
zusehend, mit dem Wappen von Navarra<note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="1)">Otro lienzo de 4 varas de largo y poco menos de alto pintado el Castillo de<lb/>
Pamplona con un pais y mucha gente de aquellos trajes mirando la entrada del<lb/>
Rey N<hi rendition="#sup">ro</hi> S<hi rendition="#sup">r</hi> Don Phelipe IV con las Armas Reales de Navarra, Original de J. B.<lb/>
del Mazo. Taxirt zu 400 doblones, hundert mehr als Zaragoza. Transitos angostos</note>.&#x201C; Cean Bermudez sah<lb/>
es noch im neuen Palast im <hi rendition="#i">Cuarto del Rey</hi>. Vielleicht steckt es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 10</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0165] Das Castell von Pamplona. Manieren van Dycks. — Das Gemälde besteht also aus vier horizontalen Schichten: der ruhige, lichte Tageshimmel, das graue Häusermeer, der dunkelgrüne durchsichtige Strom und die mit den bunten Menschen bedeckten Ufer. Zu dieser Ruhe und Heiterkeit tritt ein Kontrast, der aber hinter der Schwelle des Gesehenen steht, in den aufsteigenden Erinnerungen: der zer- störenden Ueberfluthung der vorhergegangenen Jahre, des ge- genwärtigen Kriegtobens im Süden, und der einstigen Macht der Kapitale des nordspanischen Reichs. Die verfallende alte Stadt und ihr moderner Besuch, die frivole thatlose Hofgesell- schaft Philipp IV bilden uns die Zeiten ab, wo Reiche ge- gründet, und die wo sie verloren werden. Diese Vedute, die ein Andenken vom Ehrentage des Kron- prinzen sein sollte, konnte später nur peinliche Empfindungen wecken. Nach seinem Tode vollendet, ist sie nie in die könig- lichen Wohnzimmer aufgenommen worden. Sie wurde in die Gänge (tránsitos) über dem Schatzhaus verwiesen; zu Palomino’s Zeit war sie in dem Gang nach der Encarnacion. Das Castell von Pamplona. Ein bisher räthselhaftes Gemälde, welches sicher derselben Reise des Hofs nach dem Norden seinen Ursprung verdankt, befindet sich in Apsley House (Curtis 61, Landschaft mit Fort; etwa 18″ × 24″). Auch hier haben wir eine Vedute, diesmal ein Castell umgeben von gewaltigen Bergen; eine königliche Einfahrt im Mittelgrund, und vorn sich verlustigende Gesellschaft bunt vermischt mit provinziellen Kostümfiguren. W. Burger nennt sie ein Meisterstück, die Hand ist jedoch nicht die des Meisters, wol aber seiner Schule. Das Bild ist auf grobe Leinwand gemalt, trotz des derben Farbenauftrags ist das bunte figürliche und land- schaftliche Detail charakteristisch bestimmt und erkennbar. Nun hing zur Zeit Carl II im Durchgang über dem Schatz- haus eine Ansicht „des Castells von Pamplona, mit Landschaft und vielem Volk jener Gegenden, dem Einzug König Philipp IV zusehend, mit dem Wappen von Navarra 1).“ Cean Bermudez sah es noch im neuen Palast im Cuarto del Rey. Vielleicht steckt es 1) Otro lienzo de 4 varas de largo y poco menos de alto pintado el Castillo de Pamplona con un pais y mucha gente de aquellos trajes mirando la entrada del Rey Nro Sr Don Phelipe IV con las Armas Reales de Navarra, Original de J. B. del Mazo. Taxirt zu 400 doblones, hundert mehr als Zaragoza. Transitos angostos II. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/165
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/165>, abgerufen am 22.12.2024.