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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Prinz Balthasar Carlos.
im Kopf des Reiterbilds; die Landschaft trägt den unzweifel-
haften Stempel seiner Hand. Das plumpe Kissen mit dem
Federhut, die wunderlich hässliche Silhouette des hellrosa Vor-
hangs mit dem in den Himmel einschneidenden spitzen Zipfel
ist freilich mehr im Geschmack eines Kammerdieners als
eines Künstlers; aber Vernachlässigung malerischer Redaction bei
etikettemässigen Stellungen und Arrangements im Vertrauen
auf die Macht des Pinsels und der Wahrheit ist bei Velazquez
nicht selten. Wenn das Jägerbild des sechsjährigen ganz anders
aussieht, so hat das seinen guten Grund. Dieses war eine
ganz freie Composition, wie die herrliche Hochgebirgslandschaft
allein schon ankündigt, unseres ein Gelegenheitsbild, im Pardo
vielleicht an einem der grossen Tage des Prinzen befohlen und
ausgeführt. Daher die Magerkeit der Farbe, die seinen Skizzen
eigen ist; und die vermisste Freiheit der Hand, weil er sich in
jedem Detail an Oertlichkeit und Wirklichkeit halten sollte.
Die Landschaft ist mehr als sonst Vedute: die Aussicht auf
die Jagdgründe des Pardo mit dem gelben Hügel, dem Unter-
holz von Steineichen vorn und dem blauen Höhenzug, ist eine
sorgfältige Naturstudie.

Man könnte sich den Anlass so vorstellen. Nach dem
Schluss der Jagd hat er sich für eine Festlichkeit umkleiden
lassen und ist im Begriff eine kleine Ovation zu erwarten. Daher
die Verbindung von Salon- und Jägerbildniss. Diese kann aber
auch gewählt sein, weil man das Gemälde zum Geschenke be-
stimmt hatte.

Es giebt eine Wiederholung der Figur, die das für seinen
Verehrer, den Onkel in Flandern gemalte Bildniss sein
könnte. Es ist das Porträt in der Sammlung des Duke of
Abercorn, 1837 von Sir George Warrender für £ 410 ge-
kauft (621/2" x 521/2"). Hier hat er den schwarzen gestickten
Federhut aufgesetzt, und sich mit einem Gefolge von drei
Jagdhunden umgeben. Zwei sind wiederholt aus dem Ma-
drider Jägerbildniss, aber der braune Windhund hat einen
Kameraden bekommen. Sollten diess die beiden vom Onkel
geschenkten galguillos sein? Im Frühjahr 1639 läuft aus
Brüssel ein Dankbrief ein für ein übersandtes Gemälde des
Velazquez. "Das Bildniss des Prinzen, den Gott behüte, ist
herrlich, ich war ganz toll (loco) vor Vergnügen und küsse E. M.
die Hand für diess Andenken und die durch solche Sendung
mir erwiesene Gunst. Gott schütze ihn, er ist ein holder Knabe,

Der Prinz Balthasar Carlos.
im Kopf des Reiterbilds; die Landschaft trägt den unzweifel-
haften Stempel seiner Hand. Das plumpe Kissen mit dem
Federhut, die wunderlich hässliche Silhouette des hellrosa Vor-
hangs mit dem in den Himmel einschneidenden spitzen Zipfel
ist freilich mehr im Geschmack eines Kammerdieners als
eines Künstlers; aber Vernachlässigung malerischer Redaction bei
etikettemässigen Stellungen und Arrangements im Vertrauen
auf die Macht des Pinsels und der Wahrheit ist bei Velazquez
nicht selten. Wenn das Jägerbild des sechsjährigen ganz anders
aussieht, so hat das seinen guten Grund. Dieses war eine
ganz freie Composition, wie die herrliche Hochgebirgslandschaft
allein schon ankündigt, unseres ein Gelegenheitsbild, im Pardo
vielleicht an einem der grossen Tage des Prinzen befohlen und
ausgeführt. Daher die Magerkeit der Farbe, die seinen Skizzen
eigen ist; und die vermisste Freiheit der Hand, weil er sich in
jedem Detail an Oertlichkeit und Wirklichkeit halten sollte.
Die Landschaft ist mehr als sonst Vedute: die Aussicht auf
die Jagdgründe des Pardo mit dem gelben Hügel, dem Unter-
holz von Steineichen vorn und dem blauen Höhenzug, ist eine
sorgfältige Naturstudie.

Man könnte sich den Anlass so vorstellen. Nach dem
Schluss der Jagd hat er sich für eine Festlichkeit umkleiden
lassen und ist im Begriff eine kleine Ovation zu erwarten. Daher
die Verbindung von Salon- und Jägerbildniss. Diese kann aber
auch gewählt sein, weil man das Gemälde zum Geschenke be-
stimmt hatte.

Es giebt eine Wiederholung der Figur, die das für seinen
Verehrer, den Onkel in Flandern gemalte Bildniss sein
könnte. Es ist das Porträt in der Sammlung des Duke of
Abercorn, 1837 von Sir George Warrender für £ 410 ge-
kauft (62½″ × 52½″). Hier hat er den schwarzen gestickten
Federhut aufgesetzt, und sich mit einem Gefolge von drei
Jagdhunden umgeben. Zwei sind wiederholt aus dem Ma-
drider Jägerbildniss, aber der braune Windhund hat einen
Kameraden bekommen. Sollten diess die beiden vom Onkel
geschenkten galguillos sein? Im Frühjahr 1639 läuft aus
Brüssel ein Dankbrief ein für ein übersandtes Gemälde des
Velazquez. „Das Bildniss des Prinzen, den Gott behüte, ist
herrlich, ich war ganz toll (loco) vor Vergnügen und küsse E. M.
die Hand für diess Andenken und die durch solche Sendung
mir erwiesene Gunst. Gott schütze ihn, er ist ein holder Knabe,

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[135/0155] Der Prinz Balthasar Carlos. im Kopf des Reiterbilds; die Landschaft trägt den unzweifel- haften Stempel seiner Hand. Das plumpe Kissen mit dem Federhut, die wunderlich hässliche Silhouette des hellrosa Vor- hangs mit dem in den Himmel einschneidenden spitzen Zipfel ist freilich mehr im Geschmack eines Kammerdieners als eines Künstlers; aber Vernachlässigung malerischer Redaction bei etikettemässigen Stellungen und Arrangements im Vertrauen auf die Macht des Pinsels und der Wahrheit ist bei Velazquez nicht selten. Wenn das Jägerbild des sechsjährigen ganz anders aussieht, so hat das seinen guten Grund. Dieses war eine ganz freie Composition, wie die herrliche Hochgebirgslandschaft allein schon ankündigt, unseres ein Gelegenheitsbild, im Pardo vielleicht an einem der grossen Tage des Prinzen befohlen und ausgeführt. Daher die Magerkeit der Farbe, die seinen Skizzen eigen ist; und die vermisste Freiheit der Hand, weil er sich in jedem Detail an Oertlichkeit und Wirklichkeit halten sollte. Die Landschaft ist mehr als sonst Vedute: die Aussicht auf die Jagdgründe des Pardo mit dem gelben Hügel, dem Unter- holz von Steineichen vorn und dem blauen Höhenzug, ist eine sorgfältige Naturstudie. Man könnte sich den Anlass so vorstellen. Nach dem Schluss der Jagd hat er sich für eine Festlichkeit umkleiden lassen und ist im Begriff eine kleine Ovation zu erwarten. Daher die Verbindung von Salon- und Jägerbildniss. Diese kann aber auch gewählt sein, weil man das Gemälde zum Geschenke be- stimmt hatte. Es giebt eine Wiederholung der Figur, die das für seinen Verehrer, den Onkel in Flandern gemalte Bildniss sein könnte. Es ist das Porträt in der Sammlung des Duke of Abercorn, 1837 von Sir George Warrender für £ 410 ge- kauft (62½″ × 52½″). Hier hat er den schwarzen gestickten Federhut aufgesetzt, und sich mit einem Gefolge von drei Jagdhunden umgeben. Zwei sind wiederholt aus dem Ma- drider Jägerbildniss, aber der braune Windhund hat einen Kameraden bekommen. Sollten diess die beiden vom Onkel geschenkten galguillos sein? Im Frühjahr 1639 läuft aus Brüssel ein Dankbrief ein für ein übersandtes Gemälde des Velazquez. „Das Bildniss des Prinzen, den Gott behüte, ist herrlich, ich war ganz toll (loco) vor Vergnügen und küsse E. M. die Hand für diess Andenken und die durch solche Sendung mir erwiesene Gunst. Gott schütze ihn, er ist ein holder Knabe,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/155>, abgerufen am 23.11.2024.