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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Prinz Balthasar Carlos.
rothen caballerizas mit grauem Ziegeldach herausgetreten; man
unterscheidet deutlich die Züge und das Kostüm Philipps in
schwarzem Wams, Federhut und Lederstiefeln, Isabella in Be-
gleitung der kleinen Infantin, in der Mitte hinter ihnen zwei
Damen, eine in Klostertracht. Neben dem alten Stallmeister
steht jetzt Olivares, den Hut in der Linken, mit weisser Schärpe,
Hose, Strümpfen und Schuhen: er fungirt hier als cavallerizo
mayor
des Prinzen; der Walter der Reitbahn tritt auf ihn zu
und überreicht ihm eine Lanze; dahinter ein Kahlkopf mit
grossen abstehenden Ohren, weisser Halskrause, in unterwürfiger
Stellung. Alle wieder schemenhaft und doch kenntlich hinge-
haucht; in mehreren Entfernungen nach der Tiefe ganz deutlich
abgetönt. Hätte doch Velazquez mehr solche Bildchen erdacht
und ausgeführt, die spanische Schule würde Cabinetstücke haben,
die den Vergleich mit Niemanden zu scheuen brauchten.

Diess Bild kam aus der Sammlung Welbore Ellis Agar
1806 an den Earl Grosvenor. Ist es das zu Palomino's Zeit im
Besitz des Neffen, des Conde Duque, Marques de Heliche be-
findliche, hochgeschätzte Gemälde? Nach seinen Worten würde
man an eine viel grössere Leinwand denken1). In der That
wäre aus diesem Embryo ein herrliches Bild zu machen gewesen.
Es ist ein Vorspiel der Meninas und ein Gegenstück in freier
Luft zu jenem Zimmerstück.

Das grosse Reiterbild des galoppirenden Knaben (S. 107)
führt uns das Resultat der Erziehung des Herzog-Stallmeisters vor.

Der kleine Waidmann. Schon bei früherer Gelegenheit ist
berichtet worden, wie der sechsjährige Prinz es schon dahin
gebracht hatte, neben Vater und Oheim in stilgemässem Jäger-
kostüm und keckem Jägeranstand gemalt zu werden, zwischen
seinen Jagdhunden (I, 389)2). Aus dem zarten runden Kindskopf
ist bereits ein frischer derber Knabe geworden, die Züge sehr
zu ihrem Vortheil verändert durch die stählende Aufregung des
Reviers mit den wilden Schluchten, dem scharfen Luftzug von
der Sierra. Wer diess trotzig muthige Männlein sah, musste
der Meinung sein, der alte Stamm habe sich verjüngt. Die Mi-

1) Otro Quadro pinto, grandemente Historiado, con el Retrato de este Principe,
a quien ensennaba a andar a Cavallo Don Gaspar de Guzman, su Cavallerizo
Mayor ... Esta Pintura tiene oy la Casa del Sennor Marques de Liche, su sobrino,
con singular aprecio, y estimacion. Palomino, Museo III, 332.
2) Eine misslungene Kopie, ziemlich frei, war in der Akademieausstellung
von 1886, Lord Berwick gehörig.

Der Prinz Balthasar Carlos.
rothen caballerizas mit grauem Ziegeldach herausgetreten; man
unterscheidet deutlich die Züge und das Kostüm Philipps in
schwarzem Wams, Federhut und Lederstiefeln, Isabella in Be-
gleitung der kleinen Infantin, in der Mitte hinter ihnen zwei
Damen, eine in Klostertracht. Neben dem alten Stallmeister
steht jetzt Olivares, den Hut in der Linken, mit weisser Schärpe,
Hose, Strümpfen und Schuhen: er fungirt hier als cavallerizo
mayor
des Prinzen; der Walter der Reitbahn tritt auf ihn zu
und überreicht ihm eine Lanze; dahinter ein Kahlkopf mit
grossen abstehenden Ohren, weisser Halskrause, in unterwürfiger
Stellung. Alle wieder schemenhaft und doch kenntlich hinge-
haucht; in mehreren Entfernungen nach der Tiefe ganz deutlich
abgetönt. Hätte doch Velazquez mehr solche Bildchen erdacht
und ausgeführt, die spanische Schule würde Cabinetstücke haben,
die den Vergleich mit Niemanden zu scheuen brauchten.

Diess Bild kam aus der Sammlung Welbore Ellis Agar
1806 an den Earl Grosvenor. Ist es das zu Palomino’s Zeit im
Besitz des Neffen, des Conde Duque, Marques de Heliche be-
findliche, hochgeschätzte Gemälde? Nach seinen Worten würde
man an eine viel grössere Leinwand denken1). In der That
wäre aus diesem Embryo ein herrliches Bild zu machen gewesen.
Es ist ein Vorspiel der Meninas und ein Gegenstück in freier
Luft zu jenem Zimmerstück.

Das grosse Reiterbild des galoppirenden Knaben (S. 107)
führt uns das Resultat der Erziehung des Herzog-Stallmeisters vor.

Der kleine Waidmann. Schon bei früherer Gelegenheit ist
berichtet worden, wie der sechsjährige Prinz es schon dahin
gebracht hatte, neben Vater und Oheim in stilgemässem Jäger-
kostüm und keckem Jägeranstand gemalt zu werden, zwischen
seinen Jagdhunden (I, 389)2). Aus dem zarten runden Kindskopf
ist bereits ein frischer derber Knabe geworden, die Züge sehr
zu ihrem Vortheil verändert durch die stählende Aufregung des
Reviers mit den wilden Schluchten, dem scharfen Luftzug von
der Sierra. Wer diess trotzig muthige Männlein sah, musste
der Meinung sein, der alte Stamm habe sich verjüngt. Die Mi-

1) Otro Quadro pintó, grandemente Historiado, con el Retrato de este Principe,
à quien enseñaba à andar à Cavallo Don Gaspar de Guzman, su Cavallerizo
Mayor … Esta Pintura tiene oy la Casa del Señor Marques de Liche, su sobrino,
con singular aprecio, y estimacion. Palomino, Museo III, 332.
2) Eine misslungene Kopie, ziemlich frei, war in der Akademieausstellung
von 1886, Lord Berwick gehörig.
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[133/0153] Der Prinz Balthasar Carlos. rothen caballerizas mit grauem Ziegeldach herausgetreten; man unterscheidet deutlich die Züge und das Kostüm Philipps in schwarzem Wams, Federhut und Lederstiefeln, Isabella in Be- gleitung der kleinen Infantin, in der Mitte hinter ihnen zwei Damen, eine in Klostertracht. Neben dem alten Stallmeister steht jetzt Olivares, den Hut in der Linken, mit weisser Schärpe, Hose, Strümpfen und Schuhen: er fungirt hier als cavallerizo mayor des Prinzen; der Walter der Reitbahn tritt auf ihn zu und überreicht ihm eine Lanze; dahinter ein Kahlkopf mit grossen abstehenden Ohren, weisser Halskrause, in unterwürfiger Stellung. Alle wieder schemenhaft und doch kenntlich hinge- haucht; in mehreren Entfernungen nach der Tiefe ganz deutlich abgetönt. Hätte doch Velazquez mehr solche Bildchen erdacht und ausgeführt, die spanische Schule würde Cabinetstücke haben, die den Vergleich mit Niemanden zu scheuen brauchten. Diess Bild kam aus der Sammlung Welbore Ellis Agar 1806 an den Earl Grosvenor. Ist es das zu Palomino’s Zeit im Besitz des Neffen, des Conde Duque, Marques de Heliche be- findliche, hochgeschätzte Gemälde? Nach seinen Worten würde man an eine viel grössere Leinwand denken 1). In der That wäre aus diesem Embryo ein herrliches Bild zu machen gewesen. Es ist ein Vorspiel der Meninas und ein Gegenstück in freier Luft zu jenem Zimmerstück. Das grosse Reiterbild des galoppirenden Knaben (S. 107) führt uns das Resultat der Erziehung des Herzog-Stallmeisters vor. Der kleine Waidmann. Schon bei früherer Gelegenheit ist berichtet worden, wie der sechsjährige Prinz es schon dahin gebracht hatte, neben Vater und Oheim in stilgemässem Jäger- kostüm und keckem Jägeranstand gemalt zu werden, zwischen seinen Jagdhunden (I, 389) 2). Aus dem zarten runden Kindskopf ist bereits ein frischer derber Knabe geworden, die Züge sehr zu ihrem Vortheil verändert durch die stählende Aufregung des Reviers mit den wilden Schluchten, dem scharfen Luftzug von der Sierra. Wer diess trotzig muthige Männlein sah, musste der Meinung sein, der alte Stamm habe sich verjüngt. Die Mi- 1) Otro Quadro pintó, grandemente Historiado, con el Retrato de este Principe, à quien enseñaba à andar à Cavallo Don Gaspar de Guzman, su Cavallerizo Mayor … Esta Pintura tiene oy la Casa del Señor Marques de Liche, su sobrino, con singular aprecio, y estimacion. Palomino, Museo III, 332. 2) Eine misslungene Kopie, ziemlich frei, war in der Akademieausstellung von 1886, Lord Berwick gehörig.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/153>, abgerufen am 27.11.2024.