Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Buch.
Letzte Bildnisse des Conde Duque.

Von Bildnissen des Olivares aus den letzten Jahren seiner
Macht sind mindestens drei bekannt, an welchem Velazquez mehr
oder weniger Antheil hat; dazu kommen drei bis vier Kupfer-
stiche, von welchen zwei sogar ihm selbst zugeschrieben worden
sind, und mehrere Kopien.

Bei allen ist die Entstehung nach dem Sturz des Ministers
(Januar 1643) ausgeschlossen. Bei dem allgemeinen und dauern-
den Abscheu, dem sein Andenken verfiel, wird Nachfrage und
Angebot der keineswegs einnehmenden Gestalt aufgehört haben.
Da er aber schwerlich andern als seinem Günstling gesessen hat
und bei seinem drangvoll vielbeschäftigten Leben nicht allzu
oft, so werden bis dahin die mehr oder weniger aufrichtigen
Verehrer sich an diesen gewandt haben, und ebenso er selbst,
wenn er Jemanden sein Bild schenken wollte. Dann wird eine
Wiederholung nach einem im Schloss aufbewahrten Original oder
einer Skizze veranstaltet worden sein.

Dies wird nun auch durch die Beschaffenheit der Bildnisse
bestätigt. Es sind darin Nüancen im Ausdruck, im Ton, je nach-
dem mehr oder weniger Farben auf die Palette genommen wur-
den, man sieht ihn ganz oder halb oder als Büste: aber Umrisse,
Züge, Modellirung, Einzelheiten stimmen so überein, wie bei me-
chanischer Vervielfältigung kaum mehr der Fall sein könnte. Alle
gehen also auf ein Vorbild zurück, es sind Atelierbilder mit mehr
oder weniger Antheil des Meisters. Aber dieses Vorbild wüsste
ich unter den vorhandenen Exemplaren nicht zu bezeichnen.
Auch das Original des Stichs von Hermann Panneels ist nicht
bekannt1). Dagegen haben wir in Deutschland eine gut gemalte
Replik in dem aus Modena stammenden Bildniss der Dresdener
Galerie (622). Der Minister, Halbfigur, mit dem grossen grünen
Alcantarakreuz auf Rock und Mantel, steht an der rechten Seite
des Rahmens und empfängt oder überreicht einen Brief. Aus
den schwach geröteten Zügen ist der Situation angemessen alles
Finstere weggeglättet. Im Gürtel ist der goldene Schlüssel an-

1) Es wurde gearbeitet zu dem Werke von J. A. Tapia y Robles, Ilustra-
cion del Re nombre de grande. Madrid 1638. Die Büste befindet sich in einem
ovalen Rahmen mit gerollten Verzierungen, Wappen und Oelzweigen. Oben steht:
Sicut oliva fructifera. Psalm 51. Unten: Ex Archetypo Velazquez -- Herman
Panneels f. Matriti 1638. In Linienmanier mit Punkten.
Fünftes Buch.
Letzte Bildnisse des Conde Duque.

Von Bildnissen des Olivares aus den letzten Jahren seiner
Macht sind mindestens drei bekannt, an welchem Velazquez mehr
oder weniger Antheil hat; dazu kommen drei bis vier Kupfer-
stiche, von welchen zwei sogar ihm selbst zugeschrieben worden
sind, und mehrere Kopien.

Bei allen ist die Entstehung nach dem Sturz des Ministers
(Januar 1643) ausgeschlossen. Bei dem allgemeinen und dauern-
den Abscheu, dem sein Andenken verfiel, wird Nachfrage und
Angebot der keineswegs einnehmenden Gestalt aufgehört haben.
Da er aber schwerlich andern als seinem Günstling gesessen hat
und bei seinem drangvoll vielbeschäftigten Leben nicht allzu
oft, so werden bis dahin die mehr oder weniger aufrichtigen
Verehrer sich an diesen gewandt haben, und ebenso er selbst,
wenn er Jemanden sein Bild schenken wollte. Dann wird eine
Wiederholung nach einem im Schloss aufbewahrten Original oder
einer Skizze veranstaltet worden sein.

Dies wird nun auch durch die Beschaffenheit der Bildnisse
bestätigt. Es sind darin Nüancen im Ausdruck, im Ton, je nach-
dem mehr oder weniger Farben auf die Palette genommen wur-
den, man sieht ihn ganz oder halb oder als Büste: aber Umrisse,
Züge, Modellirung, Einzelheiten stimmen so überein, wie bei me-
chanischer Vervielfältigung kaum mehr der Fall sein könnte. Alle
gehen also auf ein Vorbild zurück, es sind Atelierbilder mit mehr
oder weniger Antheil des Meisters. Aber dieses Vorbild wüsste
ich unter den vorhandenen Exemplaren nicht zu bezeichnen.
Auch das Original des Stichs von Hermann Panneels ist nicht
bekannt1). Dagegen haben wir in Deutschland eine gut gemalte
Replik in dem aus Modena stammenden Bildniss der Dresdener
Galerie (622). Der Minister, Halbfigur, mit dem grossen grünen
Alcántarakreuz auf Rock und Mantel, steht an der rechten Seite
des Rahmens und empfängt oder überreicht einen Brief. Aus
den schwach geröteten Zügen ist der Situation angemessen alles
Finstere weggeglättet. Im Gürtel ist der goldene Schlüssel an-

1) Es wurde gearbeitet zu dem Werke von J. A. Tapia y Robles, Ilustra-
cion del Re nombre de grande. Madrid 1638. Die Büste befindet sich in einem
ovalen Rahmen mit gerollten Verzierungen, Wappen und Oelzweigen. Oben steht:
Sicut oliva fructifera. Psalm 51. Unten: Ex Archetypo Velazquez — Herman
Panneels f. Matriti 1638. In Linienmanier mit Punkten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0138" n="118"/>
          <fw place="top" type="header">Fünftes Buch.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Letzte Bildnisse des Conde Duque.</hi> </head><lb/>
            <p>Von Bildnissen des Olivares aus den letzten Jahren seiner<lb/>
Macht sind mindestens drei bekannt, an welchem Velazquez mehr<lb/>
oder weniger Antheil hat; dazu kommen drei bis vier Kupfer-<lb/>
stiche, von welchen zwei sogar ihm selbst zugeschrieben worden<lb/>
sind, und mehrere Kopien.</p><lb/>
            <p>Bei allen ist die Entstehung nach dem Sturz des Ministers<lb/>
(Januar 1643) ausgeschlossen. Bei dem allgemeinen und dauern-<lb/>
den Abscheu, dem sein Andenken verfiel, wird Nachfrage und<lb/>
Angebot der keineswegs einnehmenden Gestalt aufgehört haben.<lb/>
Da er aber schwerlich andern als seinem Günstling gesessen hat<lb/>
und bei seinem drangvoll vielbeschäftigten Leben nicht allzu<lb/>
oft, so werden bis dahin die mehr oder weniger aufrichtigen<lb/>
Verehrer sich an diesen gewandt haben, und ebenso er selbst,<lb/>
wenn er Jemanden sein Bild schenken wollte. Dann wird eine<lb/>
Wiederholung nach einem im Schloss aufbewahrten Original oder<lb/>
einer Skizze veranstaltet worden sein.</p><lb/>
            <p>Dies wird nun auch durch die Beschaffenheit der Bildnisse<lb/>
bestätigt. Es sind darin Nüancen im Ausdruck, im Ton, je nach-<lb/>
dem mehr oder weniger Farben auf die Palette genommen wur-<lb/>
den, man sieht ihn ganz oder halb oder als Büste: aber Umrisse,<lb/>
Züge, Modellirung, Einzelheiten stimmen so überein, wie bei me-<lb/>
chanischer Vervielfältigung kaum mehr der Fall sein könnte. Alle<lb/>
gehen also auf ein Vorbild zurück, es sind Atelierbilder mit mehr<lb/>
oder weniger Antheil des Meisters. Aber dieses Vorbild wüsste<lb/>
ich unter den vorhandenen Exemplaren nicht zu bezeichnen.<lb/>
Auch das Original des Stichs von Hermann Panneels ist nicht<lb/>
bekannt<note place="foot" n="1)">Es wurde gearbeitet zu dem Werke von J. A. Tapia y Robles, Ilustra-<lb/>
cion del Re nombre de grande. Madrid 1638. Die Büste befindet sich in einem<lb/>
ovalen Rahmen mit gerollten Verzierungen, Wappen und Oelzweigen. Oben steht:<lb/>
Sicut oliva fructifera. Psalm 51. Unten: Ex Archetypo Velazquez &#x2014; Herman<lb/>
Panneels f. Matriti 1638. In Linienmanier mit Punkten.</note>. Dagegen haben wir in Deutschland eine gut gemalte<lb/>
Replik in dem aus Modena stammenden Bildniss der Dresdener<lb/>
Galerie (622). Der Minister, Halbfigur, mit dem grossen grünen<lb/>
Alcántarakreuz auf Rock und Mantel, steht an der rechten Seite<lb/>
des Rahmens und empfängt oder überreicht einen Brief. Aus<lb/>
den schwach geröteten Zügen ist der Situation angemessen alles<lb/>
Finstere weggeglättet. Im Gürtel ist der goldene Schlüssel an-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0138] Fünftes Buch. Letzte Bildnisse des Conde Duque. Von Bildnissen des Olivares aus den letzten Jahren seiner Macht sind mindestens drei bekannt, an welchem Velazquez mehr oder weniger Antheil hat; dazu kommen drei bis vier Kupfer- stiche, von welchen zwei sogar ihm selbst zugeschrieben worden sind, und mehrere Kopien. Bei allen ist die Entstehung nach dem Sturz des Ministers (Januar 1643) ausgeschlossen. Bei dem allgemeinen und dauern- den Abscheu, dem sein Andenken verfiel, wird Nachfrage und Angebot der keineswegs einnehmenden Gestalt aufgehört haben. Da er aber schwerlich andern als seinem Günstling gesessen hat und bei seinem drangvoll vielbeschäftigten Leben nicht allzu oft, so werden bis dahin die mehr oder weniger aufrichtigen Verehrer sich an diesen gewandt haben, und ebenso er selbst, wenn er Jemanden sein Bild schenken wollte. Dann wird eine Wiederholung nach einem im Schloss aufbewahrten Original oder einer Skizze veranstaltet worden sein. Dies wird nun auch durch die Beschaffenheit der Bildnisse bestätigt. Es sind darin Nüancen im Ausdruck, im Ton, je nach- dem mehr oder weniger Farben auf die Palette genommen wur- den, man sieht ihn ganz oder halb oder als Büste: aber Umrisse, Züge, Modellirung, Einzelheiten stimmen so überein, wie bei me- chanischer Vervielfältigung kaum mehr der Fall sein könnte. Alle gehen also auf ein Vorbild zurück, es sind Atelierbilder mit mehr oder weniger Antheil des Meisters. Aber dieses Vorbild wüsste ich unter den vorhandenen Exemplaren nicht zu bezeichnen. Auch das Original des Stichs von Hermann Panneels ist nicht bekannt 1). Dagegen haben wir in Deutschland eine gut gemalte Replik in dem aus Modena stammenden Bildniss der Dresdener Galerie (622). Der Minister, Halbfigur, mit dem grossen grünen Alcántarakreuz auf Rock und Mantel, steht an der rechten Seite des Rahmens und empfängt oder überreicht einen Brief. Aus den schwach geröteten Zügen ist der Situation angemessen alles Finstere weggeglättet. Im Gürtel ist der goldene Schlüssel an- 1) Es wurde gearbeitet zu dem Werke von J. A. Tapia y Robles, Ilustra- cion del Re nombre de grande. Madrid 1638. Die Büste befindet sich in einem ovalen Rahmen mit gerollten Verzierungen, Wappen und Oelzweigen. Oben steht: Sicut oliva fructifera. Psalm 51. Unten: Ex Archetypo Velazquez — Herman Panneels f. Matriti 1638. In Linienmanier mit Punkten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/138
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/138>, abgerufen am 04.12.2024.