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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Reiterbild des Prinzen.
Kämme aber umglänzt noch Schnee. Kein Baum bezeichnet den
Vordergrund.

Auf diesem kühlen satten Grund stehen Pferd und Reiter mit
ihrem braun, gelb, roth und dunkelgrünen Akkord. Der Gold-
glanz klingt wider in dem Silber von Wolken, Schnee und Nebel.
Wie ein Seidengewebe von Metallfäden durchwirkt; wie ein
Concert von Guitarren und Mandolinen. Nur das Gesicht ist ganz
weich und licht, mit dünner Farbe gemalt; der fest in die Ferne
gerichtete Blick der dunklen Augen drückt die ruhige Wonne
der wogenden Bewegung des Galopps aus. Die tiefe Stille der
Natur und die vorübersausende, metallklirrende Gestalt giebt
einen zweiten Kontrast. Als hätte der Schlag eines Magierstabs
in der Einsamkeit und Stille der weiten Wildniss das Kind auf
dem Ross aus der Erde hervorgezaubert.

Diess Gemälde ist wol das vollkommenste Beispiel des mitt-
lern Stils, mehr als irgend eines geeignet einen Maasstab dessen
zu geben, was er auf der Höhe seiner Kraft wollte und
konnte. Patriotische Glorifikationen, die ihn als Coloristen über
Rubens und Tizian stellen, werden hier verständlich. Sehr
zum Vortheil hat es dem Gemälde gereicht, dass es aus
einem Guss und mit grösster Sicherheit und Leichtigkeit ohne
Schwanken gearbeitet und ganz, auch von ihm selbst, unberührt
geblieben ist. Mit Neid wird jeder Maler die Dauer seiner
Farben betrachten. Man wünschte sich Maler zu sein, um
diess feine und dünne Gewebe auflösen zu können, wo auf
hellem Grunde (?) lange breite Züge des Borstenpinsels die
grossen Flächen für den Einschlag mannichfaltiger, meist halb-
deckender Uebermalungen anzetteln, welche in allen Graden des
Durchscheinenden bis zu den opaken toques die Lokalfarbe bald
dämpfen und kühlen, bald entzünden, bald mit Glanzpunkten be-
streuen1).

1) Das Gemälde sah Palomino im Salon dorado (d. h. Salon de los Reinos)
in Buen Retiro über dem Eingang, zu dessen Seiten sich die Reiterbilder der
Eltern befanden (III, 332). Das kleine Bild in Dulwich College ist keine Skizze,
sondern eine trübe alte Kopie, ohne Spur der Farben- und Lichtwirkung des Ur-
bilds. Die beste Reproduction (die gemalten eingeschlossen) ist das Schwarzkunst-
blatt von Richard Earlom, 1784 von Boydell herausgegeben. Eine grössere eben-
falls geringe Kopie war in der Salamanca-Sammlung und ist jetzt im Palast des
Herzogs von Fernan Nundez. Das Reiterbild in der Ermitage (426) stellt nicht
D. Balthasar, vielleicht Carl II. dar.

Das Reiterbild des Prinzen.
Kämme aber umglänzt noch Schnee. Kein Baum bezeichnet den
Vordergrund.

Auf diesem kühlen satten Grund stehen Pferd und Reiter mit
ihrem braun, gelb, roth und dunkelgrünen Akkord. Der Gold-
glanz klingt wider in dem Silber von Wolken, Schnee und Nebel.
Wie ein Seidengewebe von Metallfäden durchwirkt; wie ein
Concert von Guitarren und Mandolinen. Nur das Gesicht ist ganz
weich und licht, mit dünner Farbe gemalt; der fest in die Ferne
gerichtete Blick der dunklen Augen drückt die ruhige Wonne
der wogenden Bewegung des Galopps aus. Die tiefe Stille der
Natur und die vorübersausende, metallklirrende Gestalt giebt
einen zweiten Kontrast. Als hätte der Schlag eines Magierstabs
in der Einsamkeit und Stille der weiten Wildniss das Kind auf
dem Ross aus der Erde hervorgezaubert.

Diess Gemälde ist wol das vollkommenste Beispiel des mitt-
lern Stils, mehr als irgend eines geeignet einen Maasstab dessen
zu geben, was er auf der Höhe seiner Kraft wollte und
konnte. Patriotische Glorifikationen, die ihn als Coloristen über
Rubens und Tizian stellen, werden hier verständlich. Sehr
zum Vortheil hat es dem Gemälde gereicht, dass es aus
einem Guss und mit grösster Sicherheit und Leichtigkeit ohne
Schwanken gearbeitet und ganz, auch von ihm selbst, unberührt
geblieben ist. Mit Neid wird jeder Maler die Dauer seiner
Farben betrachten. Man wünschte sich Maler zu sein, um
diess feine und dünne Gewebe auflösen zu können, wo auf
hellem Grunde (?) lange breite Züge des Borstenpinsels die
grossen Flächen für den Einschlag mannichfaltiger, meist halb-
deckender Uebermalungen anzetteln, welche in allen Graden des
Durchscheinenden bis zu den opaken toques die Lokalfarbe bald
dämpfen und kühlen, bald entzünden, bald mit Glanzpunkten be-
streuen1).

1) Das Gemälde sah Palomino im Salon dorado (d. h. Salon de los Reinos)
in Buen Retiro über dem Eingang, zu dessen Seiten sich die Reiterbilder der
Eltern befanden (III, 332). Das kleine Bild in Dulwich College ist keine Skizze,
sondern eine trübe alte Kopie, ohne Spur der Farben- und Lichtwirkung des Ur-
bilds. Die beste Reproduction (die gemalten eingeschlossen) ist das Schwarzkunst-
blatt von Richard Earlom, 1784 von Boydell herausgegeben. Eine grössere eben-
falls geringe Kopie war in der Salamanca-Sammlung und ist jetzt im Palast des
Herzogs von Fernan Nuñez. Das Reiterbild in der Ermitage (426) stellt nicht
D. Balthasar, vielleicht Carl II. dar.
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[109/0129] Das Reiterbild des Prinzen. Kämme aber umglänzt noch Schnee. Kein Baum bezeichnet den Vordergrund. Auf diesem kühlen satten Grund stehen Pferd und Reiter mit ihrem braun, gelb, roth und dunkelgrünen Akkord. Der Gold- glanz klingt wider in dem Silber von Wolken, Schnee und Nebel. Wie ein Seidengewebe von Metallfäden durchwirkt; wie ein Concert von Guitarren und Mandolinen. Nur das Gesicht ist ganz weich und licht, mit dünner Farbe gemalt; der fest in die Ferne gerichtete Blick der dunklen Augen drückt die ruhige Wonne der wogenden Bewegung des Galopps aus. Die tiefe Stille der Natur und die vorübersausende, metallklirrende Gestalt giebt einen zweiten Kontrast. Als hätte der Schlag eines Magierstabs in der Einsamkeit und Stille der weiten Wildniss das Kind auf dem Ross aus der Erde hervorgezaubert. Diess Gemälde ist wol das vollkommenste Beispiel des mitt- lern Stils, mehr als irgend eines geeignet einen Maasstab dessen zu geben, was er auf der Höhe seiner Kraft wollte und konnte. Patriotische Glorifikationen, die ihn als Coloristen über Rubens und Tizian stellen, werden hier verständlich. Sehr zum Vortheil hat es dem Gemälde gereicht, dass es aus einem Guss und mit grösster Sicherheit und Leichtigkeit ohne Schwanken gearbeitet und ganz, auch von ihm selbst, unberührt geblieben ist. Mit Neid wird jeder Maler die Dauer seiner Farben betrachten. Man wünschte sich Maler zu sein, um diess feine und dünne Gewebe auflösen zu können, wo auf hellem Grunde (?) lange breite Züge des Borstenpinsels die grossen Flächen für den Einschlag mannichfaltiger, meist halb- deckender Uebermalungen anzetteln, welche in allen Graden des Durchscheinenden bis zu den opaken toques die Lokalfarbe bald dämpfen und kühlen, bald entzünden, bald mit Glanzpunkten be- streuen 1). 1) Das Gemälde sah Palomino im Salon dorado (d. h. Salon de los Reinos) in Buen Retiro über dem Eingang, zu dessen Seiten sich die Reiterbilder der Eltern befanden (III, 332). Das kleine Bild in Dulwich College ist keine Skizze, sondern eine trübe alte Kopie, ohne Spur der Farben- und Lichtwirkung des Ur- bilds. Die beste Reproduction (die gemalten eingeschlossen) ist das Schwarzkunst- blatt von Richard Earlom, 1784 von Boydell herausgegeben. Eine grössere eben- falls geringe Kopie war in der Salamanca-Sammlung und ist jetzt im Palast des Herzogs von Fernan Nuñez. Das Reiterbild in der Ermitage (426) stellt nicht D. Balthasar, vielleicht Carl II. dar.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/129>, abgerufen am 24.11.2024.