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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
los (denn das Licht kommt, wie die Schlagschatten zeigen, von vorn)
in zart blonden Ton, doch von bestimmter Zeichnung; seidenweiches
goldblondes Haar; das Rund der Iris die einzige kräftige Note. Diese
blonde Gesichtsfarbe wird kontrastlich betont durch das silberschim-
mernde Costüm und das dunkle Rot des Grundes. Die Hände stecken
in Lederhandschuhen; man denkt an Quevedo's grausame Spott-
rede, dass ein König, der sich von andern regieren lässt, nur ein Hand-
schuh ist.

Alles ausser dem Kopf ist rein impressionistisch gemacht, ohne
dass doch überall die richtige Impression erreicht ist. Allerdings, die
weissen Farbenklexe (als hätte er den Pinsel abgewischt), schablonen-
haft roh ausgestreut auf dem todten Braun, geben den Eindruck von
Silberbrokat mit erstaunlich naiven Mitteln. Wenn man das Bild früher
im Dämmerlicht des Hamiltonpalastes zwischen zwei Fenstern sah, so
machte es bloss dadurch einen vielverheissenden Effekt. Aber seit es
dem Licht der Nationalgalerie erschlossen ist, kann man nicht sagen,
dass mehr als dieser Schein darin war. Denn dieser "superbe" Velaz-
quez hat weder Rundung noch Haltung, weder Modellirung noch Ver-
kürzung. Der Monarch scheint eher zu hängen als zu stehn. Umsonst
sind die Theile die sich abheben sollen mit dicken Druckern und
dunklen Farben umschrieben; es bleibt eine ausgestopfte zusammen-
genähte Puppe. Der Kopf scheint in das Rot des Vorhanges eher
einzusinken als davorzustehn. Darf man diese Arbeit dem wenn auch
sehr eiligen Meister zuschreiben? Den Kopf vielleicht; das übrige kaum.
Velazquez hat in den beglaubigten Figuren auch wo er das Gesicht nur
skizzirte, gerade die Draperie sehr sorgfältig durchgearbeitet, wie eine
Studie. Man wird keine ähnlich gemalte Figur im Pradomuseum auf-
zeigen können.

Dieses Impressionistische ist was heutzutage imponirt und die
Liebhaber warm macht, während man weit bessern und ganz echten
Stücken, wie denen in Dulwich und Dorchester House kühl und zweifelnd
gegenübersteht. Besonders in England besticht der Anklang an die
eignen Porträtisten. Burnet erzählt wie, als er einst mit William Simson
die Hamiltongalerie besuchte, beide vor dieser Leinwand gleichzeitig aus-
riefen: Raeburn! -- Das Bild soll aus dem Palast zu Madrid von dem
General Desolle mitgenommen und durch ihn an den Kunsthändler
Woodburn gekommen sein. Mrs. Jamesson fand es sehr bewunderns-
würdig, in allen Stücken jedem Van Dyck ebenbürtig. "Obwohl die Züge
nicht angenehm sind, so ist doch unübertrefflich der Blick des Lebens,
der Glanz der Farbe, die Leichtigkeit und Zartheit der Pinselführung."
(Companion to the private galleries of art in London. 1844.)

Fünftes Buch.
los (denn das Licht kommt, wie die Schlagschatten zeigen, von vorn)
in zart blonden Ton, doch von bestimmter Zeichnung; seidenweiches
goldblondes Haar; das Rund der Iris die einzige kräftige Note. Diese
blonde Gesichtsfarbe wird kontrastlich betont durch das silberschim-
mernde Costüm und das dunkle Rot des Grundes. Die Hände stecken
in Lederhandschuhen; man denkt an Quevedo’s grausame Spott-
rede, dass ein König, der sich von andern regieren lässt, nur ein Hand-
schuh ist.

Alles ausser dem Kopf ist rein impressionistisch gemacht, ohne
dass doch überall die richtige Impression erreicht ist. Allerdings, die
weissen Farbenklexe (als hätte er den Pinsel abgewischt), schablonen-
haft roh ausgestreut auf dem todten Braun, geben den Eindruck von
Silberbrokat mit erstaunlich naiven Mitteln. Wenn man das Bild früher
im Dämmerlicht des Hamiltonpalastes zwischen zwei Fenstern sah, so
machte es bloss dadurch einen vielverheissenden Effekt. Aber seit es
dem Licht der Nationalgalerie erschlossen ist, kann man nicht sagen,
dass mehr als dieser Schein darin war. Denn dieser „superbe“ Velaz-
quez hat weder Rundung noch Haltung, weder Modellirung noch Ver-
kürzung. Der Monarch scheint eher zu hängen als zu stehn. Umsonst
sind die Theile die sich abheben sollen mit dicken Druckern und
dunklen Farben umschrieben; es bleibt eine ausgestopfte zusammen-
genähte Puppe. Der Kopf scheint in das Rot des Vorhanges eher
einzusinken als davorzustehn. Darf man diese Arbeit dem wenn auch
sehr eiligen Meister zuschreiben? Den Kopf vielleicht; das übrige kaum.
Velazquez hat in den beglaubigten Figuren auch wo er das Gesicht nur
skizzirte, gerade die Draperie sehr sorgfältig durchgearbeitet, wie eine
Studie. Man wird keine ähnlich gemalte Figur im Pradomuseum auf-
zeigen können.

Dieses Impressionistische ist was heutzutage imponirt und die
Liebhaber warm macht, während man weit bessern und ganz echten
Stücken, wie denen in Dulwich und Dorchester House kühl und zweifelnd
gegenübersteht. Besonders in England besticht der Anklang an die
eignen Porträtisten. Burnet erzählt wie, als er einst mit William Simson
die Hamiltongalerie besuchte, beide vor dieser Leinwand gleichzeitig aus-
riefen: Raeburn! — Das Bild soll aus dem Palast zu Madrid von dem
General Desolle mitgenommen und durch ihn an den Kunsthändler
Woodburn gekommen sein. Mrs. Jamesson fand es sehr bewunderns-
würdig, in allen Stücken jedem Van Dyck ebenbürtig. „Obwohl die Züge
nicht angenehm sind, so ist doch unübertrefflich der Blick des Lebens,
der Glanz der Farbe, die Leichtigkeit und Zartheit der Pinselführung.“
(Companion to the private galleries of art in London. 1844.)

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[106/0126] Fünftes Buch. los (denn das Licht kommt, wie die Schlagschatten zeigen, von vorn) in zart blonden Ton, doch von bestimmter Zeichnung; seidenweiches goldblondes Haar; das Rund der Iris die einzige kräftige Note. Diese blonde Gesichtsfarbe wird kontrastlich betont durch das silberschim- mernde Costüm und das dunkle Rot des Grundes. Die Hände stecken in Lederhandschuhen; man denkt an Quevedo’s grausame Spott- rede, dass ein König, der sich von andern regieren lässt, nur ein Hand- schuh ist. Alles ausser dem Kopf ist rein impressionistisch gemacht, ohne dass doch überall die richtige Impression erreicht ist. Allerdings, die weissen Farbenklexe (als hätte er den Pinsel abgewischt), schablonen- haft roh ausgestreut auf dem todten Braun, geben den Eindruck von Silberbrokat mit erstaunlich naiven Mitteln. Wenn man das Bild früher im Dämmerlicht des Hamiltonpalastes zwischen zwei Fenstern sah, so machte es bloss dadurch einen vielverheissenden Effekt. Aber seit es dem Licht der Nationalgalerie erschlossen ist, kann man nicht sagen, dass mehr als dieser Schein darin war. Denn dieser „superbe“ Velaz- quez hat weder Rundung noch Haltung, weder Modellirung noch Ver- kürzung. Der Monarch scheint eher zu hängen als zu stehn. Umsonst sind die Theile die sich abheben sollen mit dicken Druckern und dunklen Farben umschrieben; es bleibt eine ausgestopfte zusammen- genähte Puppe. Der Kopf scheint in das Rot des Vorhanges eher einzusinken als davorzustehn. Darf man diese Arbeit dem wenn auch sehr eiligen Meister zuschreiben? Den Kopf vielleicht; das übrige kaum. Velazquez hat in den beglaubigten Figuren auch wo er das Gesicht nur skizzirte, gerade die Draperie sehr sorgfältig durchgearbeitet, wie eine Studie. Man wird keine ähnlich gemalte Figur im Pradomuseum auf- zeigen können. Dieses Impressionistische ist was heutzutage imponirt und die Liebhaber warm macht, während man weit bessern und ganz echten Stücken, wie denen in Dulwich und Dorchester House kühl und zweifelnd gegenübersteht. Besonders in England besticht der Anklang an die eignen Porträtisten. Burnet erzählt wie, als er einst mit William Simson die Hamiltongalerie besuchte, beide vor dieser Leinwand gleichzeitig aus- riefen: Raeburn! — Das Bild soll aus dem Palast zu Madrid von dem General Desolle mitgenommen und durch ihn an den Kunsthändler Woodburn gekommen sein. Mrs. Jamesson fand es sehr bewunderns- würdig, in allen Stücken jedem Van Dyck ebenbürtig. „Obwohl die Züge nicht angenehm sind, so ist doch unübertrefflich der Blick des Lebens, der Glanz der Farbe, die Leichtigkeit und Zartheit der Pinselführung.“ (Companion to the private galleries of art in London. 1844.)

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/126>, abgerufen am 24.11.2024.