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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Francisco Herrera.
guren, das Gleichgewicht der Gruppen, das Erhabene und Phi-
losophische des Ausdruckes".

Colorit und Helldunkel sind die des Roelas, nur mit etwas
stärkern Accenten. Das von links einfallende Licht theilt das
gewaltige Bild und modellirt die Gestalten schärfer; die Farbe
ist pastoser, unverschmolzener, braune Striche helfen nach.

Noch mehrere bemerkenswerthe Gemälde sind in dieser
Weise gemalt, z. B. der bisher unbeachtet gebliebene h. Ignaz
vor dem Altar, in der Universidad, unten vor den Schranken die
Gemeinde, in der fast fanatischen Andacht des devoten Spaniers;
die Engelkinder, welche den Celebranten umflattern, Rauchfässer
schwingend, sind bei allem Eifer echte Kinder. Diese seine mu-
sicirenden und blumenstreuenden Engel sind die Geschwister
derjenigen des Roelas; frische rothbackige Riesenkinder, mit
runder grosser Stirn, runden hellen Augen, derber Stumpfnase,
Rosenmund und langen Semmellocken, die über der Stirn auf-
steigen und am Hals sich hinabringeln.

Diese Werke geben eine Vorstellung von der Malerei des
Herrera, durch welche er seinen Ruf begründete und sich, wie
Jusepe Martinez versichert, die "allgemeine Achtung der Sach-
verständigen erwarb". Aus ihnen hat Palomino, der älteste Bio-
graph, seine Charakteristik geschöpft (Museo III, 314). Ihm er-
schien Herrera's Art (casta) ganz italienisch und von grosser
Zeichnung und Kraft des Helldunkels, durch diese und die ge-
diegene Paste werden seine Figuren plastisch (de bulto).

Die Wahrheit scheint also, dass das, was Herrera von der
Kunst der Malerei besass, von Roelas stammte, der nach Sevilla
kam und auf seiner Höhe stand, als jener dreissig Jahre alt war
(1607)1). Freilich nennt ihn Niemand als seinen Lehrer, aber wie
weit die Uebereinstimmung beider geht, beweist die Thatsache,
dass das Pfingstfest des Roelas von so erfahrenen Kennern wie
Cean für Herrera gehalten worden ist. Das Eigene des Herrera
ist nur sein Temperament.

Als ihm aber der Erfolg Selbstgefühl verliehen, als er sein
Publicum kennen gelernt hatte, meldete sich die jeder Gebunden-
heit widerstrebende Natur, und allmählich empfand er alle For-
men als lästige Hemmung. Vielleicht war ihm die Freskotechnik
bequemer, in der er längst untergegangene Arbeiten geliefert

1) Sein ältestes Werk in S. Martin gestattet in seinem geschwärzten Zustand
kein sicheres Urtheil, jedenfalls hat es mit seiner spätern Art gar keine Aehnlichkeit.

Francisco Herrera.
guren, das Gleichgewicht der Gruppen, das Erhabene und Phi-
losophische des Ausdruckes“.

Colorit und Helldunkel sind die des Roelas, nur mit etwas
stärkern Accenten. Das von links einfallende Licht theilt das
gewaltige Bild und modellirt die Gestalten schärfer; die Farbe
ist pastoser, unverschmolzener, braune Striche helfen nach.

Noch mehrere bemerkenswerthe Gemälde sind in dieser
Weise gemalt, z. B. der bisher unbeachtet gebliebene h. Ignaz
vor dem Altar, in der Universidad, unten vor den Schranken die
Gemeinde, in der fast fanatischen Andacht des devoten Spaniers;
die Engelkinder, welche den Celebranten umflattern, Rauchfässer
schwingend, sind bei allem Eifer echte Kinder. Diese seine mu-
sicirenden und blumenstreuenden Engel sind die Geschwister
derjenigen des Roelas; frische rothbackige Riesenkinder, mit
runder grosser Stirn, runden hellen Augen, derber Stumpfnase,
Rosenmund und langen Semmellocken, die über der Stirn auf-
steigen und am Hals sich hinabringeln.

Diese Werke geben eine Vorstellung von der Malerei des
Herrera, durch welche er seinen Ruf begründete und sich, wie
Jusepe Martinez versichert, die „allgemeine Achtung der Sach-
verständigen erwarb“. Aus ihnen hat Palomino, der älteste Bio-
graph, seine Charakteristik geschöpft (Museo III, 314). Ihm er-
schien Herrera’s Art (casta) ganz italienisch und von grosser
Zeichnung und Kraft des Helldunkels, durch diese und die ge-
diegene Paste werden seine Figuren plastisch (de bulto).

Die Wahrheit scheint also, dass das, was Herrera von der
Kunst der Malerei besass, von Roelas stammte, der nach Sevilla
kam und auf seiner Höhe stand, als jener dreissig Jahre alt war
(1607)1). Freilich nennt ihn Niemand als seinen Lehrer, aber wie
weit die Uebereinstimmung beider geht, beweist die Thatsache,
dass das Pfingstfest des Roelas von so erfahrenen Kennern wie
Cean für Herrera gehalten worden ist. Das Eigene des Herrera
ist nur sein Temperament.

Als ihm aber der Erfolg Selbstgefühl verliehen, als er sein
Publicum kennen gelernt hatte, meldete sich die jeder Gebunden-
heit widerstrebende Natur, und allmählich empfand er alle For-
men als lästige Hemmung. Vielleicht war ihm die Freskotechnik
bequemer, in der er längst untergegangene Arbeiten geliefert

1) Sein ältestes Werk in S. Martin gestattet in seinem geschwärzten Zustand
kein sicheres Urtheil, jedenfalls hat es mit seiner spätern Art gar keine Aehnlichkeit.
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[59/0079] Francisco Herrera. guren, das Gleichgewicht der Gruppen, das Erhabene und Phi- losophische des Ausdruckes“. Colorit und Helldunkel sind die des Roelas, nur mit etwas stärkern Accenten. Das von links einfallende Licht theilt das gewaltige Bild und modellirt die Gestalten schärfer; die Farbe ist pastoser, unverschmolzener, braune Striche helfen nach. Noch mehrere bemerkenswerthe Gemälde sind in dieser Weise gemalt, z. B. der bisher unbeachtet gebliebene h. Ignaz vor dem Altar, in der Universidad, unten vor den Schranken die Gemeinde, in der fast fanatischen Andacht des devoten Spaniers; die Engelkinder, welche den Celebranten umflattern, Rauchfässer schwingend, sind bei allem Eifer echte Kinder. Diese seine mu- sicirenden und blumenstreuenden Engel sind die Geschwister derjenigen des Roelas; frische rothbackige Riesenkinder, mit runder grosser Stirn, runden hellen Augen, derber Stumpfnase, Rosenmund und langen Semmellocken, die über der Stirn auf- steigen und am Hals sich hinabringeln. Diese Werke geben eine Vorstellung von der Malerei des Herrera, durch welche er seinen Ruf begründete und sich, wie Jusepe Martinez versichert, die „allgemeine Achtung der Sach- verständigen erwarb“. Aus ihnen hat Palomino, der älteste Bio- graph, seine Charakteristik geschöpft (Museo III, 314). Ihm er- schien Herrera’s Art (casta) ganz italienisch und von grosser Zeichnung und Kraft des Helldunkels, durch diese und die ge- diegene Paste werden seine Figuren plastisch (de bulto). Die Wahrheit scheint also, dass das, was Herrera von der Kunst der Malerei besass, von Roelas stammte, der nach Sevilla kam und auf seiner Höhe stand, als jener dreissig Jahre alt war (1607) 1). Freilich nennt ihn Niemand als seinen Lehrer, aber wie weit die Uebereinstimmung beider geht, beweist die Thatsache, dass das Pfingstfest des Roelas von so erfahrenen Kennern wie Cean für Herrera gehalten worden ist. Das Eigene des Herrera ist nur sein Temperament. Als ihm aber der Erfolg Selbstgefühl verliehen, als er sein Publicum kennen gelernt hatte, meldete sich die jeder Gebunden- heit widerstrebende Natur, und allmählich empfand er alle For- men als lästige Hemmung. Vielleicht war ihm die Freskotechnik bequemer, in der er längst untergegangene Arbeiten geliefert 1) Sein ältestes Werk in S. Martin gestattet in seinem geschwärzten Zustand kein sicheres Urtheil, jedenfalls hat es mit seiner spätern Art gar keine Aehnlichkeit.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/79>, abgerufen am 25.11.2024.