räume: des Rathhauses, der grossen Sakristei und der könig- lichen Kapelle.
Da war es kein Wunder, wenn der bestechendste Theil der neuen Kunst, die Ornamentik bereits in die noch im flandro- hispanischen Stil gemalten Tafeln des Fernandez eindringt. Aber erst um die Mitte des Jahrhunderts erscheinen Gruppen rein italienisch geschulter Maler, und drängen die verkümmernden Nachzügler der gothischen Zeit zurück; jeder Zusammenhang mit der Vorzeit ist nun zerrissen. Es war zu derselben Zeit als die Jesuiten in Sevilla einzogen (1554).
Diess ist die glorreiche Epoche, zu der man am Schluss des Jahrhunderts bereits mit Epigonenempfindungen emporsah. In Castilien war es schon früher Tag geworden. Alonso Berru- guete, der im Jahre 1520 aus Italien zurückkam und am Hof des Kaisers sich zeigte, und Gaspar Becerra sind "die ausserordentli- chen Männer, welche die Barbarei, die dort noch immer sich be- hauptete, verbannt haben".
So schrieb im Jahre 1585 Juan de Arphe y Villafanne, als er in Sevilla an der grossen Custodia arbeitete. Seine Familie, die aus Deutschland kam, hat in drei Geschlechtern die Gold- schmiedekunst an den grossen Kathedralen Spaniens in Händen gehabt, und in jenen drei Stilformen: der spätgothischen deut- schen Art, der plateresken der Renaissance und der neuklassi- schen, ihre idealen Silbertempel im freien Flug architektonischer Phantasie gedichtet.
Der letzte der Arphe brach mit dem malerischen Stil der Diego de Siloe und Covarrubias; dieser, heisst es, war zwar an- geregt durch die Bramante und Alberti, konnte aber das Mo- derne (Gothische) nicht ganz vergessen. So wurde diesen Wer- ken, denen Einheit des Gusses gewiss nicht fehlt, die herabsetzende Bezeichnung eines Mischstils (mezcla) angehängt. Seine Worte über die Wandlungen des Geschmacks bis auf den Escorialstil blieben das Leitmotiv aller Schriftsteller bis auf unser Jahr- hundert.
Das Lehrgedicht dieses "spanischen Cellini", in drei Bü- chern, in Prosa und Octaven, Varia comensuracion, 1585, ist das Manifest des spanischen Cinquecento. Gesetzmässigkeit, Ver- bannung von Willkür und Phantastik, Sparsamkeit in der Orna- mentik. Er will die Maasse lehren, von den Menschen und Bau- werken bis auf die Kirchengeräthe, deren Krone, jene Riesen- monstranzen, der Ruhmestitel seiner Familie waren.
Die Manieristen.
räume: des Rathhauses, der grossen Sakristei und der könig- lichen Kapelle.
Da war es kein Wunder, wenn der bestechendste Theil der neuen Kunst, die Ornamentik bereits in die noch im flandro- hispanischen Stil gemalten Tafeln des Fernandez eindringt. Aber erst um die Mitte des Jahrhunderts erscheinen Gruppen rein italienisch geschulter Maler, und drängen die verkümmernden Nachzügler der gothischen Zeit zurück; jeder Zusammenhang mit der Vorzeit ist nun zerrissen. Es war zu derselben Zeit als die Jesuiten in Sevilla einzogen (1554).
Diess ist die glorreiche Epoche, zu der man am Schluss des Jahrhunderts bereits mit Epigonenempfindungen emporsah. In Castilien war es schon früher Tag geworden. Alonso Berru- guete, der im Jahre 1520 aus Italien zurückkam und am Hof des Kaisers sich zeigte, und Gaspar Becerra sind „die ausserordentli- chen Männer, welche die Barbarei, die dort noch immer sich be- hauptete, verbannt haben“.
So schrieb im Jahre 1585 Juan de Arphe y Villafañe, als er in Sevilla an der grossen Custodia arbeitete. Seine Familie, die aus Deutschland kam, hat in drei Geschlechtern die Gold- schmiedekunst an den grossen Kathedralen Spaniens in Händen gehabt, und in jenen drei Stilformen: der spätgothischen deut- schen Art, der plateresken der Renaissance und der neuklassi- schen, ihre idealen Silbertempel im freien Flug architektonischer Phantasie gedichtet.
Der letzte der Arphe brach mit dem malerischen Stil der Diego de Siloe und Covarrúbias; dieser, heisst es, war zwar an- geregt durch die Bramante und Alberti, konnte aber das Mo- derne (Gothische) nicht ganz vergessen. So wurde diesen Wer- ken, denen Einheit des Gusses gewiss nicht fehlt, die herabsetzende Bezeichnung eines Mischstils (mezcla) angehängt. Seine Worte über die Wandlungen des Geschmacks bis auf den Escorialstil blieben das Leitmotiv aller Schriftsteller bis auf unser Jahr- hundert.
Das Lehrgedicht dieses „spanischen Cellini“, in drei Bü- chern, in Prosa und Octaven, Varia comensuracion, 1585, ist das Manifest des spanischen Cinquecento. Gesetzmässigkeit, Ver- bannung von Willkür und Phantastik, Sparsamkeit in der Orna- mentik. Er will die Maasse lehren, von den Menschen und Bau- werken bis auf die Kirchengeräthe, deren Krone, jene Riesen- monstranzen, der Ruhmestitel seiner Familie waren.
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Die Manieristen.
räume: des Rathhauses, der grossen Sakristei und der könig-
lichen Kapelle.
Da war es kein Wunder, wenn der bestechendste Theil der
neuen Kunst, die Ornamentik bereits in die noch im flandro-
hispanischen Stil gemalten Tafeln des Fernandez eindringt. Aber
erst um die Mitte des Jahrhunderts erscheinen Gruppen rein
italienisch geschulter Maler, und drängen die verkümmernden
Nachzügler der gothischen Zeit zurück; jeder Zusammenhang mit
der Vorzeit ist nun zerrissen. Es war zu derselben Zeit als die
Jesuiten in Sevilla einzogen (1554).
Diess ist die glorreiche Epoche, zu der man am Schluss
des Jahrhunderts bereits mit Epigonenempfindungen emporsah.
In Castilien war es schon früher Tag geworden. Alonso Berru-
guete, der im Jahre 1520 aus Italien zurückkam und am Hof des
Kaisers sich zeigte, und Gaspar Becerra sind „die ausserordentli-
chen Männer, welche die Barbarei, die dort noch immer sich be-
hauptete, verbannt haben“.
So schrieb im Jahre 1585 Juan de Arphe y Villafañe, als
er in Sevilla an der grossen Custodia arbeitete. Seine Familie,
die aus Deutschland kam, hat in drei Geschlechtern die Gold-
schmiedekunst an den grossen Kathedralen Spaniens in Händen
gehabt, und in jenen drei Stilformen: der spätgothischen deut-
schen Art, der plateresken der Renaissance und der neuklassi-
schen, ihre idealen Silbertempel im freien Flug architektonischer
Phantasie gedichtet.
Der letzte der Arphe brach mit dem malerischen Stil der
Diego de Siloe und Covarrúbias; dieser, heisst es, war zwar an-
geregt durch die Bramante und Alberti, konnte aber das Mo-
derne (Gothische) nicht ganz vergessen. So wurde diesen Wer-
ken, denen Einheit des Gusses gewiss nicht fehlt, die herabsetzende
Bezeichnung eines Mischstils (mezcla) angehängt. Seine Worte
über die Wandlungen des Geschmacks bis auf den Escorialstil
blieben das Leitmotiv aller Schriftsteller bis auf unser Jahr-
hundert.
Das Lehrgedicht dieses „spanischen Cellini“, in drei Bü-
chern, in Prosa und Octaven, Varia comensuracion, 1585, ist
das Manifest des spanischen Cinquecento. Gesetzmässigkeit, Ver-
bannung von Willkür und Phantastik, Sparsamkeit in der Orna-
mentik. Er will die Maasse lehren, von den Menschen und Bau-
werken bis auf die Kirchengeräthe, deren Krone, jene Riesen-
monstranzen, der Ruhmestitel seiner Familie waren.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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