Triana war die Stadt der Fremden, voll schöner Gärten, hübscher Häuser und sauberer Strassen, die Stadt der Spielhäuser und der Posaden, wo immer viele und vornehme Gäste zu treffen waren, weil man da ungestört von Polizei und Nachbarn sich unterhalten konnte1). Sie waren der Lieblingsausflug der Sevilla- nerinnen, die in Barken herüberkamen, gerudert von buntge- putzten Fergen. Dort waren die Buden der Töpfer und der Glasbläser, von hier aus verbreitete sich der Schimmer dieser Keramik über Kirchen und Paläste von Spanien und Portugal.
Zuweilen kamen Zeiten, wo der Schatten des Todes über die Stadt zog, wie in den ersten Jahren und in der Mitte des Jahrhunderts, als die Pest dort wüthete. Im Jahre 1649, erzählt der modenesische Gesandte, fanden im Schrecken dieses Todes auf einmal siebentausend Eheschliessungen statt, von denen die mit amancebadas gelebt2). Als Philipp III im Jahre 1619 nach Lissabon zog mit seinem Hof, verliess ein Schiff mit vierzig Cour- tisanen die Stadt, "in reichen Kleidern und Juwelenschmuck", um zu dem Hof zu stossen; sie wurden von Corsaren nach der Berberei geschleppt3).
Aber neben der Meleket des Himmels forderte auch Moloch noch seine Opfer. Die Verbreitung mystisch krankhafter Ver- irrungen des religiösen Gefühls enthüllten die Ereignisse des Jahres 1623, als zehntausend Personen in sechs Monden wegen Ketzerei verhaftet wurden, Alumbrados, von denen die In- quisition, erschreckt durch die Zahl, "nur sieben Rädelsführer sammt einer dieser Ketzer Beata auf den Scheiterhaufen ge- legt, die übrigen aber mit verdienter Lebensstrafe verschonte"4).
Die Dichter.
Seit der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts war auch in der gebildeten Gesellschaft Sevillas italienische Cultur durchgedrun- gen. Nachdem Antonio von Lebrija (1444 + 1522) das lateinische Studium in Andalusien begründet hatte, entwickelte sich durch das Lesen italienischer Dichter und Schriftsteller eine neue Welt
1) Diego Cuelbis. Man bezahlte für ein Zimmer 1 Ducaten oder 12 Realen monatlich.
2) Modenesische Depesche vom 15. Juni 1649.
3) Venezianische Depesche vom 28. Juni 1619.
4) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 330
Die Dichter.
Triana war die Stadt der Fremden, voll schöner Gärten, hübscher Häuser und sauberer Strassen, die Stadt der Spielhäuser und der Posaden, wo immer viele und vornehme Gäste zu treffen waren, weil man da ungestört von Polizei und Nachbarn sich unterhalten konnte1). Sie waren der Lieblingsausflug der Sevilla- nerinnen, die in Barken herüberkamen, gerudert von buntge- putzten Fergen. Dort waren die Buden der Töpfer und der Glasbläser, von hier aus verbreitete sich der Schimmer dieser Keramik über Kirchen und Paläste von Spanien und Portugal.
Zuweilen kamen Zeiten, wo der Schatten des Todes über die Stadt zog, wie in den ersten Jahren und in der Mitte des Jahrhunderts, als die Pest dort wüthete. Im Jahre 1649, erzählt der modenesische Gesandte, fanden im Schrecken dieses Todes auf einmal siebentausend Eheschliessungen statt, von denen die mit amancebadas gelebt2). Als Philipp III im Jahre 1619 nach Lissabon zog mit seinem Hof, verliess ein Schiff mit vierzig Cour- tisanen die Stadt, „in reichen Kleidern und Juwelenschmuck“, um zu dem Hof zu stossen; sie wurden von Corsaren nach der Berberei geschleppt3).
Aber neben der Meleket des Himmels forderte auch Moloch noch seine Opfer. Die Verbreitung mystisch krankhafter Ver- irrungen des religiösen Gefühls enthüllten die Ereignisse des Jahres 1623, als zehntausend Personen in sechs Monden wegen Ketzerei verhaftet wurden, Alumbrados, von denen die In- quisition, erschreckt durch die Zahl, „nur sieben Rädelsführer sammt einer dieser Ketzer Beata auf den Scheiterhaufen ge- legt, die übrigen aber mit verdienter Lebensstrafe verschonte“4).
Die Dichter.
Seit der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts war auch in der gebildeten Gesellschaft Sevillas italienische Cultur durchgedrun- gen. Nachdem Antonio von Lebrija (1444 † 1522) das lateinische Studium in Andalusien begründet hatte, entwickelte sich durch das Lesen italienischer Dichter und Schriftsteller eine neue Welt
1) Diego Cuelbis. Man bezahlte für ein Zimmer 1 Ducaten oder 12 Realen monatlich.
2) Modenesische Depesche vom 15. Juni 1649.
3) Venezianische Depesche vom 28. Juni 1619.
4) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 330
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Die Dichter.
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der Posaden, wo immer viele und vornehme Gäste zu treffen
waren, weil man da ungestört von Polizei und Nachbarn sich
unterhalten konnte 1). Sie waren der Lieblingsausflug der Sevilla-
nerinnen, die in Barken herüberkamen, gerudert von buntge-
putzten Fergen. Dort waren die Buden der Töpfer und der
Glasbläser, von hier aus verbreitete sich der Schimmer dieser
Keramik über Kirchen und Paläste von Spanien und Portugal.
Zuweilen kamen Zeiten, wo der Schatten des Todes über
die Stadt zog, wie in den ersten Jahren und in der Mitte des
Jahrhunderts, als die Pest dort wüthete. Im Jahre 1649, erzählt
der modenesische Gesandte, fanden im Schrecken dieses Todes
auf einmal siebentausend Eheschliessungen statt, von denen die
mit amancebadas gelebt 2). Als Philipp III im Jahre 1619 nach
Lissabon zog mit seinem Hof, verliess ein Schiff mit vierzig Cour-
tisanen die Stadt, „in reichen Kleidern und Juwelenschmuck“,
um zu dem Hof zu stossen; sie wurden von Corsaren nach der
Berberei geschleppt 3).
Aber neben der Meleket des Himmels forderte auch Moloch
noch seine Opfer. Die Verbreitung mystisch krankhafter Ver-
irrungen des religiösen Gefühls enthüllten die Ereignisse des
Jahres 1623, als zehntausend Personen in sechs Monden wegen
Ketzerei verhaftet wurden, Alumbrados, von denen die In-
quisition, erschreckt durch die Zahl, „nur sieben Rädelsführer
sammt einer dieser Ketzer Beata auf den Scheiterhaufen ge-
legt, die übrigen aber mit verdienter Lebensstrafe verschonte“ 4).
Die Dichter.
Seit der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts war auch in der
gebildeten Gesellschaft Sevillas italienische Cultur durchgedrun-
gen. Nachdem Antonio von Lebrija (1444 † 1522) das lateinische
Studium in Andalusien begründet hatte, entwickelte sich durch
das Lesen italienischer Dichter und Schriftsteller eine neue Welt
1) Diego Cuelbis. Man bezahlte für ein Zimmer 1 Ducaten oder 12 Realen
monatlich.
2) Modenesische Depesche vom 15. Juni 1649.
3) Venezianische Depesche vom 28. Juni 1619.
4) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 330
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/49>, abgerufen am 20.02.2025.
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