vorn, und Oeffnungen an den Seiten; zwischen rothen Vorhängen erkennt man Damen, in der zweiten die Königin Isabella. Die Maulthiere sind natürlich ausgespannt und entfernt worden. Die Damen würden es gewiss sehr übel genommen haben, wenn man ihnen einen sichern Platz ausserhalb gegeben hätte. Die Sauen machten zuweilen unglaublich hohe Sprünge, deshalb bekamen die Damen selbst Gabeln, sie abzuwehren. Uebrigens hielten zwei Jäger mit Spiessen neben der Kutsche der Königin Wache.
In dem Museum des Instituto Asturiano zu Gijon ist die Zeichnung einer solchen Kutsche von Velazquez, die auch ver- öffentlicht ist.
Obwol das Gemälde bis jetzt bei Lebzeiten des Malers in den Inventaren nicht nachzuweisen ist, so kann man doch mit Sicherheit sagen, dass es in dieser Zeit, wahrscheinlich gegen Ende der dreissiger Jahre entstanden ist. Die Behauptung des Madrider Katalogs (S. 642), der es nach der zweiten italienischen Reise setzt, wird schon durch die Anwesenheit des Olivares hin- fällig. Solche Festlichkeitsbilder will man unmittelbar nach der Veranlassung; man malt nicht nach zehn Jahren eine längst ver- flossene Jagd mit längst und gern vergessenen Personen.
Malerisch betrachtet ist das Publikum eigentlich wichtiger als die Komödianten. Die Rollen sind gewissermassen vertauscht: Majestät und Granden arbeiten sich ab im Staub, der Unterthan nebst dem Tross geniesst das Schauspiel, ja achtet es zuweilen nicht einmal der Mühe werth sich umzudrehen. Man macht sich's im Gras bequem, oder kehrt, Hofchronik besorgend, den illustren Gladiatoren den Rücken. Diese Gruppen verdienten in einem grossen Stich ans Licht gezogen zu werden. Man könnte daraus einen hübschen Atlas machen: tipos de la corte, tipos castellanos del XVI. Da seht den Bauer unter dem Baume rechts, der mit Elnbogen und Thorax dem geduldigen Rücken seines lieben Grauen aufliegt: ist es nicht Sancho Panza? Zwei Racker im Gras, einer den Wasserkrug an den Mund setzend, scheinen sie nicht eine Skizze Murillo's? Der Bettelmann im braunen Mantel, mit beiden Händen auf seinen Stock gestüzt, ist gewiss ein privilegirter Kapitalist, der die Herrn mit Würde auffordert, sich ihr Guthaben beim lieben Gott durch seine Ver- mittelung zu vermehren. Dann der Reiter, der seine Gerte an den harten Flanken seines eigensinnigen Maulthiers zerschlägt, während sein escudero von hinten schiebt. Zwei Cavaliere die sich correkte Complimente machen. Die Gruppe sachkundiger
Viertes Buch.
vorn, und Oeffnungen an den Seiten; zwischen rothen Vorhängen erkennt man Damen, in der zweiten die Königin Isabella. Die Maulthiere sind natürlich ausgespannt und entfernt worden. Die Damen würden es gewiss sehr übel genommen haben, wenn man ihnen einen sichern Platz ausserhalb gegeben hätte. Die Sauen machten zuweilen unglaublich hohe Sprünge, deshalb bekamen die Damen selbst Gabeln, sie abzuwehren. Uebrigens hielten zwei Jäger mit Spiessen neben der Kutsche der Königin Wache.
In dem Museum des Instituto Asturiano zu Gijon ist die Zeichnung einer solchen Kutsche von Velazquez, die auch ver- öffentlicht ist.
Obwol das Gemälde bis jetzt bei Lebzeiten des Malers in den Inventaren nicht nachzuweisen ist, so kann man doch mit Sicherheit sagen, dass es in dieser Zeit, wahrscheinlich gegen Ende der dreissiger Jahre entstanden ist. Die Behauptung des Madrider Katalogs (S. 642), der es nach der zweiten italienischen Reise setzt, wird schon durch die Anwesenheit des Olivares hin- fällig. Solche Festlichkeitsbilder will man unmittelbar nach der Veranlassung; man malt nicht nach zehn Jahren eine längst ver- flossene Jagd mit längst und gern vergessenen Personen.
Malerisch betrachtet ist das Publikum eigentlich wichtiger als die Komödianten. Die Rollen sind gewissermassen vertauscht: Majestät und Granden arbeiten sich ab im Staub, der Unterthan nebst dem Tross geniesst das Schauspiel, ja achtet es zuweilen nicht einmal der Mühe werth sich umzudrehen. Man macht sich’s im Gras bequem, oder kehrt, Hofchronik besorgend, den illustren Gladiatoren den Rücken. Diese Gruppen verdienten in einem grossen Stich ans Licht gezogen zu werden. Man könnte daraus einen hübschen Atlas machen: tipos de la corte, tipos castellanos del XVI. Da seht den Bauer unter dem Baume rechts, der mit Elnbogen und Thorax dem geduldigen Rücken seines lieben Grauen aufliegt: ist es nicht Sancho Panza? Zwei Racker im Gras, einer den Wasserkrug an den Mund setzend, scheinen sie nicht eine Skizze Murillo’s? Der Bettelmann im braunen Mantel, mit beiden Händen auf seinen Stock gestüzt, ist gewiss ein privilegirter Kapitalist, der die Herrn mit Würde auffordert, sich ihr Guthaben beim lieben Gott durch seine Ver- mittelung zu vermehren. Dann der Reiter, der seine Gerte an den harten Flanken seines eigensinnigen Maulthiers zerschlägt, während sein escudero von hinten schiebt. Zwei Cavaliere die sich correkte Complimente machen. Die Gruppe sachkundiger
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Viertes Buch.
vorn, und Oeffnungen an den Seiten; zwischen rothen Vorhängen
erkennt man Damen, in der zweiten die Königin Isabella. Die
Maulthiere sind natürlich ausgespannt und entfernt worden. Die
Damen würden es gewiss sehr übel genommen haben, wenn man
ihnen einen sichern Platz ausserhalb gegeben hätte. Die Sauen
machten zuweilen unglaublich hohe Sprünge, deshalb bekamen
die Damen selbst Gabeln, sie abzuwehren. Uebrigens hielten
zwei Jäger mit Spiessen neben der Kutsche der Königin Wache.
In dem Museum des Instituto Asturiano zu Gijon ist die
Zeichnung einer solchen Kutsche von Velazquez, die auch ver-
öffentlicht ist.
Obwol das Gemälde bis jetzt bei Lebzeiten des Malers in
den Inventaren nicht nachzuweisen ist, so kann man doch mit
Sicherheit sagen, dass es in dieser Zeit, wahrscheinlich gegen
Ende der dreissiger Jahre entstanden ist. Die Behauptung des
Madrider Katalogs (S. 642), der es nach der zweiten italienischen
Reise setzt, wird schon durch die Anwesenheit des Olivares hin-
fällig. Solche Festlichkeitsbilder will man unmittelbar nach der
Veranlassung; man malt nicht nach zehn Jahren eine längst ver-
flossene Jagd mit längst und gern vergessenen Personen.
Malerisch betrachtet ist das Publikum eigentlich wichtiger
als die Komödianten. Die Rollen sind gewissermassen vertauscht:
Majestät und Granden arbeiten sich ab im Staub, der Unterthan
nebst dem Tross geniesst das Schauspiel, ja achtet es zuweilen
nicht einmal der Mühe werth sich umzudrehen. Man macht
sich’s im Gras bequem, oder kehrt, Hofchronik besorgend, den
illustren Gladiatoren den Rücken. Diese Gruppen verdienten
in einem grossen Stich ans Licht gezogen zu werden. Man
könnte daraus einen hübschen Atlas machen: tipos de la corte,
tipos castellanos del XVI. Da seht den Bauer unter dem Baume
rechts, der mit Elnbogen und Thorax dem geduldigen Rücken
seines lieben Grauen aufliegt: ist es nicht Sancho Panza? Zwei
Racker im Gras, einer den Wasserkrug an den Mund setzend,
scheinen sie nicht eine Skizze Murillo’s? Der Bettelmann im
braunen Mantel, mit beiden Händen auf seinen Stock gestüzt,
ist gewiss ein privilegirter Kapitalist, der die Herrn mit Würde
auffordert, sich ihr Guthaben beim lieben Gott durch seine Ver-
mittelung zu vermehren. Dann der Reiter, der seine Gerte an den
harten Flanken seines eigensinnigen Maulthiers zerschlägt,
während sein escudero von hinten schiebt. Zwei Cavaliere die
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/410>, abgerufen am 16.02.2025.
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