die helle Arena aus, wo mehrere Gruppen berittener Jäger vollen Platz haben sich zu tummeln, Staubwolken aufwirbelnd. Davor der schmale Vordergrund diesseits der Contratela, mit dem bunten Saum des wachehaltenden Trosses und vornehmer Zu- schauergruppen. Ueber allem der blaue Himmel mit blendend- weissen Wölkchen.
Zur Zeit Philipp II erschienen die Herren in der Arena mit nacktem Stossdegen (estoques), die Sau im Kampf (a batalla) ab- zufangen. In unsrer Vorstellung haben sie den Degen mit der horquilla oder media luna vertauscht, Stangen von Fichtenholz, ähnlich dem garrochon der Stierkämpfer, mit gabelförmigen kur- zen Zinken (die des Königs vergoldet). Diese Gabel wurde der Sau in das Gebräch gesetzt, um sie vom Pferde abzudrängen. Wahrscheinlich um den Sport zum Schauspiel zu verlängern Gewandtheit und Kraft zu entfalten. Die Sauen wurden aufge- trieben, verfolgt, abgedrängt, verwundet, bis sie, ermattet, auf- hörten anzugreifen. Dann erschienen Jäger zu Fuss mit der gan- zen Meute, den Rüden (alanos) und fingen sie ab: der Abend vereinte Jäger und Meute unter des Königs Fenster zum Geweide. Es ist also eine Art Plänklerjagd, ganz so wie im Stiergefecht die picadores und banderillas dem espada vorangehn, nur dass da der matador die Hauptperson ist. Der König hat die horquilla eben einem heranstürmenden Keiler in die Seite gesetzt. Wenn die Stange zerbrach, so reichte ihm der Oberjägermeister, der Condestabile von Castilien, eine neue. Bei der Jagd zu Ehren der Chevreuse verbrauchte er ein Dutzend. Die Helden des Tags sind sehr leicht skizzirt, aber man erkennt Philipp IV an den paar Punkten, die sein Gesicht vorstellen, sofort. Er hält rechts wegen der Nähe der Damen. Neben ihm Olivares als Caballerizo mayor. Unser Hofbüchsenspanner Mateos kommt hinter ihm. Wäre hier wirklich jene Jagd von 1638 dargestellt, so könnte der auf dem Schimmel hinter dem Minister nicht Ferdi- nand sein. Aber der baarhäuptige auf dem ruhigstehenden Pferde in der zweiten Gruppe links von S. M. dürfte Don Luis de Haro sein, der mit seinem Vater, dem Marques del Carpio anwesend war. Am andern Ende umringen fünf Reiter die von zwei Rüden am Ohr gepackte Sau. Die Pferde sind schmächtiger als die prachtvollen Thiere der grossen Reiterbilder, die zu kostbar waren, um hier geopfert zu werden.
Ausser den Jägern befinden sich in der Arena noch einige grosse dunkelblaue Kutschen mit breiten niedrigen Glasfenstern
Tela real.
die helle Arena aus, wo mehrere Gruppen berittener Jäger vollen Platz haben sich zu tummeln, Staubwolken aufwirbelnd. Davor der schmale Vordergrund diesseits der Contratela, mit dem bunten Saum des wachehaltenden Trosses und vornehmer Zu- schauergruppen. Ueber allem der blaue Himmel mit blendend- weissen Wölkchen.
Zur Zeit Philipp II erschienen die Herren in der Arena mit nacktem Stossdegen (estoques), die Sau im Kampf (á batalla) ab- zufangen. In unsrer Vorstellung haben sie den Degen mit der horquilla oder media luna vertauscht, Stangen von Fichtenholz, ähnlich dem garrochon der Stierkämpfer, mit gabelförmigen kur- zen Zinken (die des Königs vergoldet). Diese Gabel wurde der Sau in das Gebräch gesetzt, um sie vom Pferde abzudrängen. Wahrscheinlich um den Sport zum Schauspiel zu verlängern Gewandtheit und Kraft zu entfalten. Die Sauen wurden aufge- trieben, verfolgt, abgedrängt, verwundet, bis sie, ermattet, auf- hörten anzugreifen. Dann erschienen Jäger zu Fuss mit der gan- zen Meute, den Rüden (alanos) und fingen sie ab: der Abend vereinte Jäger und Meute unter des Königs Fenster zum Geweide. Es ist also eine Art Plänklerjagd, ganz so wie im Stiergefecht die picadores und banderillas dem espada vorangehn, nur dass da der matador die Hauptperson ist. Der König hat die horquilla eben einem heranstürmenden Keiler in die Seite gesetzt. Wenn die Stange zerbrach, so reichte ihm der Oberjägermeister, der Condestabile von Castilien, eine neue. Bei der Jagd zu Ehren der Chevreuse verbrauchte er ein Dutzend. Die Helden des Tags sind sehr leicht skizzirt, aber man erkennt Philipp IV an den paar Punkten, die sein Gesicht vorstellen, sofort. Er hält rechts wegen der Nähe der Damen. Neben ihm Olivares als Caballerizo mayor. Unser Hofbüchsenspanner Mateos kommt hinter ihm. Wäre hier wirklich jene Jagd von 1638 dargestellt, so könnte der auf dem Schimmel hinter dem Minister nicht Ferdi- nand sein. Aber der baarhäuptige auf dem ruhigstehenden Pferde in der zweiten Gruppe links von S. M. dürfte Don Luis de Haro sein, der mit seinem Vater, dem Marques del Carpio anwesend war. Am andern Ende umringen fünf Reiter die von zwei Rüden am Ohr gepackte Sau. Die Pferde sind schmächtiger als die prachtvollen Thiere der grossen Reiterbilder, die zu kostbar waren, um hier geopfert zu werden.
Ausser den Jägern befinden sich in der Arena noch einige grosse dunkelblaue Kutschen mit breiten niedrigen Glasfenstern
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die helle Arena aus, wo mehrere Gruppen berittener Jäger
vollen Platz haben sich zu tummeln, Staubwolken aufwirbelnd.
Davor der schmale Vordergrund diesseits der Contratela, mit dem
bunten Saum des wachehaltenden Trosses und vornehmer Zu-
schauergruppen. Ueber allem der blaue Himmel mit blendend-
weissen Wölkchen.
Zur Zeit Philipp II erschienen die Herren in der Arena mit
nacktem Stossdegen (estoques), die Sau im Kampf (á batalla) ab-
zufangen. In unsrer Vorstellung haben sie den Degen mit der
horquilla oder media luna vertauscht, Stangen von Fichtenholz,
ähnlich dem garrochon der Stierkämpfer, mit gabelförmigen kur-
zen Zinken (die des Königs vergoldet). Diese Gabel wurde der
Sau in das Gebräch gesetzt, um sie vom Pferde abzudrängen.
Wahrscheinlich um den Sport zum Schauspiel zu verlängern
Gewandtheit und Kraft zu entfalten. Die Sauen wurden aufge-
trieben, verfolgt, abgedrängt, verwundet, bis sie, ermattet, auf-
hörten anzugreifen. Dann erschienen Jäger zu Fuss mit der gan-
zen Meute, den Rüden (alanos) und fingen sie ab: der Abend
vereinte Jäger und Meute unter des Königs Fenster zum Geweide.
Es ist also eine Art Plänklerjagd, ganz so wie im Stiergefecht
die picadores und banderillas dem espada vorangehn, nur dass da
der matador die Hauptperson ist. Der König hat die horquilla
eben einem heranstürmenden Keiler in die Seite gesetzt. Wenn
die Stange zerbrach, so reichte ihm der Oberjägermeister, der
Condestabile von Castilien, eine neue. Bei der Jagd zu Ehren
der Chevreuse verbrauchte er ein Dutzend. Die Helden des
Tags sind sehr leicht skizzirt, aber man erkennt Philipp IV an
den paar Punkten, die sein Gesicht vorstellen, sofort. Er hält
rechts wegen der Nähe der Damen. Neben ihm Olivares als
Caballerizo mayor. Unser Hofbüchsenspanner Mateos kommt
hinter ihm. Wäre hier wirklich jene Jagd von 1638 dargestellt,
so könnte der auf dem Schimmel hinter dem Minister nicht Ferdi-
nand sein. Aber der baarhäuptige auf dem ruhigstehenden Pferde
in der zweiten Gruppe links von S. M. dürfte Don Luis de Haro
sein, der mit seinem Vater, dem Marques del Carpio anwesend
war. Am andern Ende umringen fünf Reiter die von zwei Rüden
am Ohr gepackte Sau. Die Pferde sind schmächtiger als die
prachtvollen Thiere der grossen Reiterbilder, die zu kostbar
waren, um hier geopfert zu werden.
Ausser den Jägern befinden sich in der Arena noch einige
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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