ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen der Flora, "die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut". Es ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so laut, dass man vor Horchern unbesorgt sein kann. Unbe- greiflich ist das Missverhält- niss der Staf- fage zu dem Brunnen, die Figuren vorn sind kleiner, als die kaum lebensgrossen Statuen hin- ten. Diess, so- wie der trübe Ton, lässt auf Antheil jenes in der Per- spective ganz naiven Mazo schliessen.
[Abbildung]
Der Tritonenbrunnen.
Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina (Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite, schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, "viel höher, sagt Gra- mont, als alle die ich in Niederland gesehn." Sie wölben sich zu einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen- den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im Dickicht verliert, "wo edle Ulmen und Trauerweiden über die
23
Parkansichten.
ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen der Flora, „die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut“. Es ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so laut, dass man vor Horchern unbesorgt sein kann. Unbe- greiflich ist das Missverhält- niss der Staf- fage zu dem Brunnen, die Figuren vorn sind kleiner, als die kaum lebensgrossen Statuen hin- ten. Diess, so- wie der trübe Ton, lässt auf Antheil jenes in der Per- spective ganz naiven Mazo schliessen.
[Abbildung]
Der Tritonenbrunnen.
Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina (Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite, schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, „viel höher, sagt Gra- mont, als alle die ich in Niederland gesehn.“ Sie wölben sich zu einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen- den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im Dickicht verliert, „wo edle Ulmen und Trauerweiden über die
23
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0379"n="353"/><fwplace="top"type="header">Parkansichten.</fw><lb/>
ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem<lb/>
grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen<lb/>
der Flora, „die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut“. Es<lb/>
ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden<lb/>
rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit<lb/>
Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn<lb/>
in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so<lb/>
laut, dass man<lb/>
vor Horchern<lb/>
unbesorgt sein<lb/>
kann. Unbe-<lb/>
greiflich ist das<lb/>
Missverhält-<lb/>
niss der Staf-<lb/>
fage zu dem<lb/>
Brunnen, die<lb/>
Figuren vorn<lb/>
sind kleiner,<lb/>
als die kaum<lb/>
lebensgrossen<lb/>
Statuen hin-<lb/>
ten. Diess, so-<lb/>
wie der trübe<lb/>
Ton, lässt auf<lb/>
Antheil jenes<lb/>
in der Per-<lb/>
spective ganz<lb/>
naiven Mazo<lb/>
schliessen.</p><lb/><figure><p>Der Tritonenbrunnen.</p></figure><lb/><p>Das zweite Bild führt an den Eingang der <hirendition="#i">Calle de la Reina</hi><lb/>
(Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite,<lb/>
schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, „viel höher, sagt Gra-<lb/>
mont, als alle die ich in Niederland gesehn.“ Sie wölben sich zu<lb/>
einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am<lb/>
Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen-<lb/>
den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen<lb/>
könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man<lb/>
es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor<lb/>
und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im<lb/>
Dickicht verliert, „wo edle Ulmen und Trauerweiden über die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">23</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[353/0379]
Parkansichten.
ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem
grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen
der Flora, „die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut“. Es
ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden
rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit
Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn
in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so
laut, dass man
vor Horchern
unbesorgt sein
kann. Unbe-
greiflich ist das
Missverhält-
niss der Staf-
fage zu dem
Brunnen, die
Figuren vorn
sind kleiner,
als die kaum
lebensgrossen
Statuen hin-
ten. Diess, so-
wie der trübe
Ton, lässt auf
Antheil jenes
in der Per-
spective ganz
naiven Mazo
schliessen.
[Abbildung Der Tritonenbrunnen. ]
Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina
(Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite,
schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, „viel höher, sagt Gra-
mont, als alle die ich in Niederland gesehn.“ Sie wölben sich zu
einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am
Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen-
den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen
könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man
es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor
und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im
Dickicht verliert, „wo edle Ulmen und Trauerweiden über die
23
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/379>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.