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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Parkansichten.
ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem
grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen
der Flora, "die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut". Es
ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden
rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit
Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn
in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so
laut, dass man
vor Horchern
unbesorgt sein
kann. Unbe-
greiflich ist das
Missverhält-
niss der Staf-
fage zu dem
Brunnen, die
Figuren vorn
sind kleiner,
als die kaum
lebensgrossen
Statuen hin-
ten. Diess, so-
wie der trübe
Ton, lässt auf
Antheil jenes
in der Per-
spective ganz
naiven Mazo
schliessen.

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Der Tritonenbrunnen.

Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina
(Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite,
schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, "viel höher, sagt Gra-
mont, als alle die ich in Niederland gesehn." Sie wölben sich zu
einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am
Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen-
den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen
könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man
es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor
und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im
Dickicht verliert, "wo edle Ulmen und Trauerweiden über die

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Parkansichten.
ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem
grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen
der Flora, „die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut“. Es
ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden
rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit
Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn
in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so
laut, dass man
vor Horchern
unbesorgt sein
kann. Unbe-
greiflich ist das
Missverhält-
niss der Staf-
fage zu dem
Brunnen, die
Figuren vorn
sind kleiner,
als die kaum
lebensgrossen
Statuen hin-
ten. Diess, so-
wie der trübe
Ton, lässt auf
Antheil jenes
in der Per-
spective ganz
naiven Mazo
schliessen.

[Abbildung]

Der Tritonenbrunnen.

Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina
(Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite,
schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, „viel höher, sagt Gra-
mont, als alle die ich in Niederland gesehn.“ Sie wölben sich zu
einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am
Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen-
den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen
könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man
es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor
und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im
Dickicht verliert, „wo edle Ulmen und Trauerweiden über die

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[353/0379] Parkansichten. ebenfalls ihre stolzen Schultern zeigen, sitzen im Gras mit einem grossen Blumenkorb beschäftigt, vielleicht sind es die Nymphen der Flora, „die hier regiert und alle ihre Schätze ausstreut“. Es ist also Frühling, denn vor der Sommersonnenglut verschwinden rasch die Blumen. Vom Brunnen her kommt ein Mädchen mit Rosen im Kleid. Rechts steht ein Franciscaner mit einem Herrn in schwarzem Mantel im Gespräch. Die Vögel schreien hier so laut, dass man vor Horchern unbesorgt sein kann. Unbe- greiflich ist das Missverhält- niss der Staf- fage zu dem Brunnen, die Figuren vorn sind kleiner, als die kaum lebensgrossen Statuen hin- ten. Diess, so- wie der trübe Ton, lässt auf Antheil jenes in der Per- spective ganz naiven Mazo schliessen. [Abbildung Der Tritonenbrunnen. ] Das zweite Bild führt an den Eingang der Calle de la Reina (Nr. 1110). So hiess die eine starke Meile lange, 22 Fuss breite, schnurgerade Allee von mächtigen Ulmen, „viel höher, sagt Gra- mont, als alle die ich in Niederland gesehn.“ Sie wölben sich zu einem für die Sonnenstrahlen undurchdringlichen Tunnel. Am Ende durchbohrt ein sonniges Pünktchen das Dunkel; die Reisen- den der Zeit behaupten, dass man nicht bis zum Ende sehen könne. Loisel fand beim Durchgaloppiren eine Stelle, wo man es an keiner Seite konnte. Die Allee beginnt am Palastthor und wird zweimal vom Tajo durchschnitten, bevor sie sich im Dickicht verliert, „wo edle Ulmen und Trauerweiden über die 23

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/379>, abgerufen am 24.11.2024.