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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
Bann zu brechen. Aber Lotti lieferte dem Hof auch die Monu-
mente für den Gründonnerstag und Apparate für die Quaran-
tore1).

Nach Lotti's Ableben sandte Ferdinand II (1651) den Maler
Baccio del Banco (1604 + 1656), einen Schüler Galilei's, früher
zu Prag in Wallenstein's Diensten. In Kühnheit und Sicherheit
zauberischer Verwandlungen übertraf er seinen Vorgänger. Das
ausserordentlichste wol was in dieser Art geschaffen worden ist,
war der Perseus des Calderon. Hier sah man Meere, Schiffbrüche,
Erdbeben, Verwandlungen von Weibern in Statuen und umge-
kehrt, fliegende Amoretten, die Schmiede des Vulcan mit mu-
sikalischem Hammerschlag der Cyklopen, und Glorien des Olymp.
Calderon, als er Baccio's Zurüstungen mitangesehen, war ganz
betäubt zu dem Könige geeilt, er meinte S. M. werde sich Bett
und Mahlzeit mitnehmen müssen, denn die Vorstellung werde
acht Tage dauern. Sie lief ohne eine Minute Stockung in we-
nigen Stunden ab. Sechs und dreissigmal wurde der Perseus wie-
derholt und die Gäste wallfarteten zweihundert Meilen weit her2).

Es handelte sich darum, die eilig hergestellten Räume
so auszustatten, wie es sich für einen König von Spanien und
einen so verwöhnten König gehörte. Diese zweite Hälfte der
Aufgabe schien so schwer wie die erste, aber Don Gaspar ver-
stand sie sich sehr leicht zu machen. Zunächst wurde der König
überredet, seine eigenen Häuser zu besteuern; nur aus den
Palästen seiner Hauptstadt und des Pardo hat er sich nichts
nehmen lassen. Man holte aus dem Garten und Palast von
Valladolid, aus Aranjuez, aus Lissabon selbst, was beweglich
war. Obwol Philipp II einst versprochen hatte, dass aus dem
dortigen Palast nichts fortgenommen werden dürfe, entführte man
jetzt die reichen Tapisserien, "die jenes Reich zu seinem Stolz
(ostentacion) und zur Erinnerung an die Grösse seiner alten Für-
sten bewahrte, und die das Beste waren was man dort hatte"3).

1) Zahlreiche Schilderungen seiner Werke finden sich in den Depeschen der
florentinischen Gesandten, vom 15. April und 6. August 1628, 19. November 1630,
28. Februar 1632, 25. Juni 1633, 4. und 11. März 1634, 2. Juni und 4. August 1635,
24. Mai 1636, 21. Feb. 1637.
2) Ausführlich geschildert von dem Modenesen Franc. Ottonelli in mehreren
Schreiben von 1652 im Archiv der Este zu Modena. Beider Leben bei Bal-
dinucci.
3) Novoa, Historia de Felipe IV in den Docum. ineditos 69, 283 f. Es sind
wahrscheinlich die "Sphären".

Viertes Buch.
Bann zu brechen. Aber Lotti lieferte dem Hof auch die Monu-
mente für den Gründonnerstag und Apparate für die Quaran-
tore1).

Nach Lotti’s Ableben sandte Ferdinand II (1651) den Maler
Baccio del Banco (1604 † 1656), einen Schüler Galilei’s, früher
zu Prag in Wallenstein’s Diensten. In Kühnheit und Sicherheit
zauberischer Verwandlungen übertraf er seinen Vorgänger. Das
ausserordentlichste wol was in dieser Art geschaffen worden ist,
war der Perseus des Calderon. Hier sah man Meere, Schiffbrüche,
Erdbeben, Verwandlungen von Weibern in Statuen und umge-
kehrt, fliegende Amoretten, die Schmiede des Vulcan mit mu-
sikalischem Hammerschlag der Cyklopen, und Glorien des Olymp.
Calderon, als er Baccio’s Zurüstungen mitangesehen, war ganz
betäubt zu dem Könige geeilt, er meinte S. M. werde sich Bett
und Mahlzeit mitnehmen müssen, denn die Vorstellung werde
acht Tage dauern. Sie lief ohne eine Minute Stockung in we-
nigen Stunden ab. Sechs und dreissigmal wurde der Perseus wie-
derholt und die Gäste wallfarteten zweihundert Meilen weit her2).

Es handelte sich darum, die eilig hergestellten Räume
so auszustatten, wie es sich für einen König von Spanien und
einen so verwöhnten König gehörte. Diese zweite Hälfte der
Aufgabe schien so schwer wie die erste, aber Don Gaspar ver-
stand sie sich sehr leicht zu machen. Zunächst wurde der König
überredet, seine eigenen Häuser zu besteuern; nur aus den
Palästen seiner Hauptstadt und des Pardo hat er sich nichts
nehmen lassen. Man holte aus dem Garten und Palast von
Valladolid, aus Aranjuez, aus Lissabon selbst, was beweglich
war. Obwol Philipp II einst versprochen hatte, dass aus dem
dortigen Palast nichts fortgenommen werden dürfe, entführte man
jetzt die reichen Tapisserien, „die jenes Reich zu seinem Stolz
(ostentacion) und zur Erinnerung an die Grösse seiner alten Für-
sten bewahrte, und die das Beste waren was man dort hatte“3).

1) Zahlreiche Schilderungen seiner Werke finden sich in den Depeschen der
florentinischen Gesandten, vom 15. April und 6. August 1628, 19. November 1630,
28. Februar 1632, 25. Juni 1633, 4. und 11. März 1634, 2. Juni und 4. August 1635,
24. Mai 1636, 21. Feb. 1637.
2) Ausführlich geschildert von dem Modenesen Franc. Ottonelli in mehreren
Schreiben von 1652 im Archiv der Este zu Modena. Beider Leben bei Bal-
dinucci.
3) Novoa, Historia de Felipe IV in den Docum. inéditos 69, 283 f. Es sind
wahrscheinlich die „Sphären“.
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[342/0368] Viertes Buch. Bann zu brechen. Aber Lotti lieferte dem Hof auch die Monu- mente für den Gründonnerstag und Apparate für die Quaran- tore 1). Nach Lotti’s Ableben sandte Ferdinand II (1651) den Maler Baccio del Banco (1604 † 1656), einen Schüler Galilei’s, früher zu Prag in Wallenstein’s Diensten. In Kühnheit und Sicherheit zauberischer Verwandlungen übertraf er seinen Vorgänger. Das ausserordentlichste wol was in dieser Art geschaffen worden ist, war der Perseus des Calderon. Hier sah man Meere, Schiffbrüche, Erdbeben, Verwandlungen von Weibern in Statuen und umge- kehrt, fliegende Amoretten, die Schmiede des Vulcan mit mu- sikalischem Hammerschlag der Cyklopen, und Glorien des Olymp. Calderon, als er Baccio’s Zurüstungen mitangesehen, war ganz betäubt zu dem Könige geeilt, er meinte S. M. werde sich Bett und Mahlzeit mitnehmen müssen, denn die Vorstellung werde acht Tage dauern. Sie lief ohne eine Minute Stockung in we- nigen Stunden ab. Sechs und dreissigmal wurde der Perseus wie- derholt und die Gäste wallfarteten zweihundert Meilen weit her 2). Es handelte sich darum, die eilig hergestellten Räume so auszustatten, wie es sich für einen König von Spanien und einen so verwöhnten König gehörte. Diese zweite Hälfte der Aufgabe schien so schwer wie die erste, aber Don Gaspar ver- stand sie sich sehr leicht zu machen. Zunächst wurde der König überredet, seine eigenen Häuser zu besteuern; nur aus den Palästen seiner Hauptstadt und des Pardo hat er sich nichts nehmen lassen. Man holte aus dem Garten und Palast von Valladolid, aus Aranjuez, aus Lissabon selbst, was beweglich war. Obwol Philipp II einst versprochen hatte, dass aus dem dortigen Palast nichts fortgenommen werden dürfe, entführte man jetzt die reichen Tapisserien, „die jenes Reich zu seinem Stolz (ostentacion) und zur Erinnerung an die Grösse seiner alten Für- sten bewahrte, und die das Beste waren was man dort hatte“ 3). 1) Zahlreiche Schilderungen seiner Werke finden sich in den Depeschen der florentinischen Gesandten, vom 15. April und 6. August 1628, 19. November 1630, 28. Februar 1632, 25. Juni 1633, 4. und 11. März 1634, 2. Juni und 4. August 1635, 24. Mai 1636, 21. Feb. 1637. 2) Ausführlich geschildert von dem Modenesen Franc. Ottonelli in mehreren Schreiben von 1652 im Archiv der Este zu Modena. Beider Leben bei Bal- dinucci. 3) Novoa, Historia de Felipe IV in den Docum. inéditos 69, 283 f. Es sind wahrscheinlich die „Sphären“.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/368>, abgerufen am 24.11.2024.