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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Königin Maria.
Gesicht endigt. Ein solches grünes Kleid trug sie beim thränen-
reichen Abschied von Madrid 1). Nur Gesicht und Hände bleiben
von der menschlichen Gestalt übrig; aber auch die Mühe den
Händen Ausdruck zu geben, wurde dem Maler abgenommen
durch die übliche Inbeschlagnahme der Stuhllehne und das Ein-
graben ins Taschentuch. Diess letztere war vielleicht ein Werth-
stück von vielen hundert Dukaten 2). So erscheint das Gesicht,
wie bei mittelalterlichen Heiligenbildern, als einziger lebendiger
Punkt in einer ihm fremdartigen Umgebung.

Wenn das Costüm zum Jahre 1630 passt, so verräth dagegen
der Pinsel Gewohnheiten späterer Jahre. Der Vortrag ist breit
und leicht, die Hand mit dem Tüchlein sieht den erstaunlich
skizzenhaften Händen der Infantinnen der folgenden Generation
nicht unähnlich. Das brennende Scharlachroth des Vorhangs
ist unerhört bei dem Meister, der für solche Möbel immer ein
mehr oder weniger trübes, in violett spielendes Purpurroth ge-
braucht. Ebenso selten ist das feurige Roth der Grundirung,
das zuweilen in kleinen Sprüngen, am meisten unter dem weissen
Tuch erkennbar ist. Um diess Roth gehörig zu decken (was übri-
gens gelungen ist) musste die Farbe sehr solide aufgetragen
werden, und, wie meist, ist auch hier das Verschiedenartigste
mit einer Farbe, gelbbraun mit Stich ins Grüne bestritten.
Auch der sonst roth bezogene Sessel hat einen warmen Leder-
ton. Diess Grün, erhellt durch den Brokat, auf dem grelle Reflex-
schimmer ausgesät sind, giebt mit Roth einen lebhaften Kon-
trast. Nur das Gesicht kommt dabei in Nachtheil: wenn es durch
Helligkeit hervortritt, so entbehrt es der Selbstständigkeit im Ton.
Denn da es, nicht bloss in den blonden Haaren, dem Anzug ho-
mogen ist, zum Theil auch neutral grau, so fehlt ihm die Wider-
standskraft und es verfällt, durchs Roth, dessen grünlicher Kom-
plementärfarbe. Dadurch kommt ein metallischer Ton in das
Bild, der durch die deckenden und reflectirenden Farben noch ge-
steigert wird und mit jenen starren Formen des Kostüms gegen
das warme Leben conspirirt.


1) La Reina stava vestita di verde guarnita d'oro adoloratissima. Depesche
des Bischofs Gandolfo vom 4. Januar 1630 aus Madrid.
2) Ein solches Nasentuch (pannuelo), das aber auch als Kelchtuch dienen
könne, und das von einer verstorbenen Braut herrührte, bietet dem Grossherzog
Ferdinand II sein Agent Paolo di Sera in Venedig für 200 Ducaten an (Brief vom
6. Febr. 1648, Medic. Archiv).

Die Königin Maria.
Gesicht endigt. Ein solches grünes Kleid trug sie beim thränen-
reichen Abschied von Madrid 1). Nur Gesicht und Hände bleiben
von der menschlichen Gestalt übrig; aber auch die Mühe den
Händen Ausdruck zu geben, wurde dem Maler abgenommen
durch die übliche Inbeschlagnahme der Stuhllehne und das Ein-
graben ins Taschentuch. Diess letztere war vielleicht ein Werth-
stück von vielen hundert Dukaten 2). So erscheint das Gesicht,
wie bei mittelalterlichen Heiligenbildern, als einziger lebendiger
Punkt in einer ihm fremdartigen Umgebung.

Wenn das Costüm zum Jahre 1630 passt, so verräth dagegen
der Pinsel Gewohnheiten späterer Jahre. Der Vortrag ist breit
und leicht, die Hand mit dem Tüchlein sieht den erstaunlich
skizzenhaften Händen der Infantinnen der folgenden Generation
nicht unähnlich. Das brennende Scharlachroth des Vorhangs
ist unerhört bei dem Meister, der für solche Möbel immer ein
mehr oder weniger trübes, in violett spielendes Purpurroth ge-
braucht. Ebenso selten ist das feurige Roth der Grundirung,
das zuweilen in kleinen Sprüngen, am meisten unter dem weissen
Tuch erkennbar ist. Um diess Roth gehörig zu decken (was übri-
gens gelungen ist) musste die Farbe sehr solide aufgetragen
werden, und, wie meist, ist auch hier das Verschiedenartigste
mit einer Farbe, gelbbraun mit Stich ins Grüne bestritten.
Auch der sonst roth bezogene Sessel hat einen warmen Leder-
ton. Diess Grün, erhellt durch den Brokat, auf dem grelle Reflex-
schimmer ausgesät sind, giebt mit Roth einen lebhaften Kon-
trast. Nur das Gesicht kommt dabei in Nachtheil: wenn es durch
Helligkeit hervortritt, so entbehrt es der Selbstständigkeit im Ton.
Denn da es, nicht bloss in den blonden Haaren, dem Anzug ho-
mogen ist, zum Theil auch neutral grau, so fehlt ihm die Wider-
standskraft und es verfällt, durchs Roth, dessen grünlicher Kom-
plementärfarbe. Dadurch kommt ein metallischer Ton in das
Bild, der durch die deckenden und reflectirenden Farben noch ge-
steigert wird und mit jenen starren Formen des Kostüms gegen
das warme Leben conspirirt.


1) La Reina stava vestita di verde guarnita d’oro adoloratissima. Depesche
des Bischofs Gandolfo vom 4. Januar 1630 aus Madrid.
2) Ein solches Nasentuch (pañuelo), das aber auch als Kelchtuch dienen
könne, und das von einer verstorbenen Braut herrührte, bietet dem Grossherzog
Ferdinand II sein Agent Paolo di Sera in Venedig für 200 Ducaten an (Brief vom
6. Febr. 1648, Medic. Archiv).
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[317/0343] Die Königin Maria. Gesicht endigt. Ein solches grünes Kleid trug sie beim thränen- reichen Abschied von Madrid 1). Nur Gesicht und Hände bleiben von der menschlichen Gestalt übrig; aber auch die Mühe den Händen Ausdruck zu geben, wurde dem Maler abgenommen durch die übliche Inbeschlagnahme der Stuhllehne und das Ein- graben ins Taschentuch. Diess letztere war vielleicht ein Werth- stück von vielen hundert Dukaten 2). So erscheint das Gesicht, wie bei mittelalterlichen Heiligenbildern, als einziger lebendiger Punkt in einer ihm fremdartigen Umgebung. Wenn das Costüm zum Jahre 1630 passt, so verräth dagegen der Pinsel Gewohnheiten späterer Jahre. Der Vortrag ist breit und leicht, die Hand mit dem Tüchlein sieht den erstaunlich skizzenhaften Händen der Infantinnen der folgenden Generation nicht unähnlich. Das brennende Scharlachroth des Vorhangs ist unerhört bei dem Meister, der für solche Möbel immer ein mehr oder weniger trübes, in violett spielendes Purpurroth ge- braucht. Ebenso selten ist das feurige Roth der Grundirung, das zuweilen in kleinen Sprüngen, am meisten unter dem weissen Tuch erkennbar ist. Um diess Roth gehörig zu decken (was übri- gens gelungen ist) musste die Farbe sehr solide aufgetragen werden, und, wie meist, ist auch hier das Verschiedenartigste mit einer Farbe, gelbbraun mit Stich ins Grüne bestritten. Auch der sonst roth bezogene Sessel hat einen warmen Leder- ton. Diess Grün, erhellt durch den Brokat, auf dem grelle Reflex- schimmer ausgesät sind, giebt mit Roth einen lebhaften Kon- trast. Nur das Gesicht kommt dabei in Nachtheil: wenn es durch Helligkeit hervortritt, so entbehrt es der Selbstständigkeit im Ton. Denn da es, nicht bloss in den blonden Haaren, dem Anzug ho- mogen ist, zum Theil auch neutral grau, so fehlt ihm die Wider- standskraft und es verfällt, durchs Roth, dessen grünlicher Kom- plementärfarbe. Dadurch kommt ein metallischer Ton in das Bild, der durch die deckenden und reflectirenden Farben noch ge- steigert wird und mit jenen starren Formen des Kostüms gegen das warme Leben conspirirt. 1) La Reina stava vestita di verde guarnita d’oro adoloratissima. Depesche des Bischofs Gandolfo vom 4. Januar 1630 aus Madrid. 2) Ein solches Nasentuch (pañuelo), das aber auch als Kelchtuch dienen könne, und das von einer verstorbenen Braut herrührte, bietet dem Grossherzog Ferdinand II sein Agent Paolo di Sera in Venedig für 200 Ducaten an (Brief vom 6. Febr. 1648, Medic. Archiv).

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/343>, abgerufen am 28.11.2024.