Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.Drittes Buch. traut, wie er sich die beiden Schuldigen vorstellte, die hierhinter der Scene bleiben. Diese antiken Stoffe haben ihn mehr beschäftigt als man sich denkt. Die schaffende Gegenwirkung zeigt freilich keine Spur von griechischem Formgeschmack und Stil der Sculptur. Ihn fesselte die charakterisirende Kraft der Alten und das komödienhafte Element, das ja schon in Homers leiser Ironie anklingt; aber auch einzelne künstlerische Motive antiker Bildwerke. Er empfand den unwiderstehlichen Trieb des Uebersetzens. Seine Uebersetzung war in rimas sueltas, nicht in Hexametern, zu denen wir gründlichen Deutschen unsre geduldige Sprache einexercirt zu haben stolz sind 1). Das zweite Gemälde, welches Velazquez aus Rom mit- 1) Das Bild wird in dem bei dem Tode Carl II aufgestellten Inventar von Buen Retiro zuerst erwähnt; aber da selbiges das erste dieses Orts ist, und das Gemälde in den Inventaren des königl. Schlosses bis dahin nicht vorkommt, so wird es wol gleich bei der kurz nach der Rückkehr des Velazquez erfolgten Grün- dung jenes Lustorts dorthin gebracht worden seien. "Una pinttura de tres Varas de largo y dos y media de alto con la fragua de Bulcano quando Apolo le dio quenta del Adulterio de su muger original de Velazquez con marco negro tasada en 160 doblones." Von da kam es in den neuen Palast; unter Carl III befand es sich in dem Ankleidezimmer (pieza de vestir) und wurde 1789 zu 80,000 Realen taxirt. Eine interessante Skizze mit Veränderungen, mit fettem, flottem Pinsel gemalt, sah ich bei Chevalier de Stuers, damals Gesandten des Königreichs der Niederlande in Madrid; ob eine Skizze des Meisters, darüber konnte man schwer einig werden. Grösse des Originals 2,23 x 2,50. 2) Das Gemälde wird zuerst erwähnt in der Descripcion del Escorial von
Francisco de los Santos, Madrid 1681, fol. 66 f. und auf zwei Folioseiten beschrie- ben; es befand sich im Kapitel des Vicar, aber nach Palomino (III, 330) war es anfangs mit dem Gegenstück, der Vulcanschmiede, im Schloss von Buen Retiro aufgestellt worden. Dort erwähnt es auch Ximenes (Descripcion 1769), ebenda befindet es sich noch heute (N. 341). In der von seinen Söhnen an den Bankier Salamanca verkauften Sammlung Jose Madrazo's war eine sogenannte "Wiederholung", wo das Hündchen schläft, statt bellt. In der alten Kirche S. Miguel zu Cordoba ist eine Kopie im Presbiterio zur linken des Altars. Das Pendant ist eine seltsame Darstellung der Grabtragung nach Evang. Johannis 19, 40, welcher Vers als Rechtfertigung gross darunter gesetzt ist. Der Todte ist nämlich wie eine Mumie eingewickelt vom Kopf bis zu den Füssen. Diese Kirche wurde im Jahre 1749 von dem Bischof Cebrian umgebaut. Drittes Buch. traut, wie er sich die beiden Schuldigen vorstellte, die hierhinter der Scene bleiben. Diese antiken Stoffe haben ihn mehr beschäftigt als man sich denkt. Die schaffende Gegenwirkung zeigt freilich keine Spur von griechischem Formgeschmack und Stil der Sculptur. Ihn fesselte die charakterisirende Kraft der Alten und das komödienhafte Element, das ja schon in Homers leiser Ironie anklingt; aber auch einzelne künstlerische Motive antiker Bildwerke. Er empfand den unwiderstehlichen Trieb des Uebersetzens. Seine Uebersetzung war in rimas sueltas, nicht in Hexametern, zu denen wir gründlichen Deutschen unsre geduldige Sprache einexercirt zu haben stolz sind 1). Das zweite Gemälde, welches Velazquez aus Rom mit- 1) Das Bild wird in dem bei dem Tode Carl II aufgestellten Inventar von Buen Retiro zuerst erwähnt; aber da selbiges das erste dieses Orts ist, und das Gemälde in den Inventaren des königl. Schlosses bis dahin nicht vorkommt, so wird es wol gleich bei der kurz nach der Rückkehr des Velazquez erfolgten Grün- dung jenes Lustorts dorthin gebracht worden seien. „Una pinttura de tres Varas de largo y dos y media de alto con la fragua de Bulcano quando Apolo le dio quenta del Adulterio de su muger original de Velazquez con marco negro tasada en 160 doblones.“ Von da kam es in den neuen Palast; unter Carl III befand es sich in dem Ankleidezimmer (pieza de vestir) und wurde 1789 zu 80,000 Realen taxirt. Eine interessante Skizze mit Veränderungen, mit fettem, flottem Pinsel gemalt, sah ich bei Chevalier de Stuers, damals Gesandten des Königreichs der Niederlande in Madrid; ob eine Skizze des Meisters, darüber konnte man schwer einig werden. Grösse des Originals 2,23 × 2,50. 2) Das Gemälde wird zuerst erwähnt in der Descripcion del Escorial von
Francisco de los Santos, Madrid 1681, fol. 66 f. und auf zwei Folioseiten beschrie- ben; es befand sich im Kapitel des Vicar, aber nach Palomino (III, 330) war es anfangs mit dem Gegenstück, der Vulcanschmiede, im Schloss von Buen Retiro aufgestellt worden. Dort erwähnt es auch Ximenes (Descripcion 1769), ebenda befindet es sich noch heute (N. 341). In der von seinen Söhnen an den Bankier Salamanca verkauften Sammlung José Madrazo’s war eine sogenannte „Wiederholung“, wo das Hündchen schläft, statt bellt. In der alten Kirche S. Miguel zu Cordoba ist eine Kopie im Presbiterio zur linken des Altars. Das Pendant ist eine seltsame Darstellung der Grabtragung nach Evang. Johannis 19, 40, welcher Vers als Rechtfertigung gross darunter gesetzt ist. Der Todte ist nämlich wie eine Mumie eingewickelt vom Kopf bis zu den Füssen. Diese Kirche wurde im Jahre 1749 von dem Bischof Cebrian umgebaut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0334" n="308"/><fw place="top" type="header">Drittes Buch.</fw><lb/> traut, wie er sich die beiden Schuldigen vorstellte, die hier<lb/> hinter der Scene bleiben. Diese antiken Stoffe haben ihn mehr<lb/> beschäftigt als man sich denkt. Die schaffende Gegenwirkung<lb/> zeigt freilich keine Spur von griechischem Formgeschmack und<lb/> Stil der Sculptur. Ihn fesselte die charakterisirende Kraft der<lb/> Alten und das komödienhafte Element, das ja schon in Homers<lb/> leiser Ironie anklingt; aber auch einzelne künstlerische Motive<lb/> antiker Bildwerke. Er empfand den unwiderstehlichen Trieb<lb/> des Uebersetzens. Seine Uebersetzung war in <hi rendition="#i">rimas sueltas</hi>,<lb/> nicht in Hexametern, zu denen wir gründlichen Deutschen unsre<lb/> geduldige Sprache einexercirt zu haben stolz sind <note place="foot" n="1)">Das Bild wird in dem bei dem Tode Carl II aufgestellten Inventar von<lb/> Buen Retiro zuerst erwähnt; aber da selbiges das erste dieses Orts ist, und<lb/> das Gemälde in den Inventaren des königl. Schlosses bis dahin nicht vorkommt, so<lb/> wird es wol gleich bei der kurz nach der Rückkehr des Velazquez erfolgten Grün-<lb/> dung jenes Lustorts dorthin gebracht worden seien. „Una pinttura de tres Varas de<lb/> largo y dos y media de alto con la fragua de Bulcano quando Apolo le dio quenta<lb/> del Adulterio de su muger original de Velazquez con marco negro tasada en 160<lb/> doblones.“ Von da kam es in den neuen Palast; unter Carl III befand es sich<lb/> in dem Ankleidezimmer (pieza de vestir) und wurde 1789 zu 80,000 Realen taxirt.<lb/> Eine interessante Skizze mit Veränderungen, mit fettem, flottem Pinsel gemalt,<lb/> sah ich bei Chevalier de Stuers, damals Gesandten des Königreichs der Niederlande<lb/> in Madrid; ob eine Skizze des Meisters, darüber konnte man schwer einig werden.<lb/> Grösse des Originals 2,23 × 2,50.</note>.</p><lb/> <p>Das zweite Gemälde, welches Velazquez aus Rom mit-<lb/> brachte, der <hi rendition="#i">bunte Rock des Joseph</hi> <note place="foot" n="2)">Das Gemälde wird zuerst erwähnt in der Descripcion del Escorial von<lb/> Francisco de los Santos, Madrid 1681, fol. 66 f. und auf zwei Folioseiten beschrie-<lb/> ben; es befand sich im Kapitel des Vicar, aber nach Palomino (III, 330) war es<lb/> anfangs mit dem Gegenstück, der Vulcanschmiede, im Schloss von Buen Retiro<lb/> aufgestellt worden. Dort erwähnt es auch Ximenes (Descripcion 1769), ebenda<lb/> befindet es sich noch heute (N. 341). In der von seinen Söhnen an den Bankier<lb/> Salamanca verkauften Sammlung José Madrazo’s war eine sogenannte „Wiederholung“,<lb/> wo das Hündchen schläft, statt bellt. In der alten Kirche S. Miguel zu Cordoba<lb/> ist eine Kopie im Presbiterio zur linken des Altars. Das Pendant ist eine<lb/> seltsame Darstellung der Grabtragung nach Evang. Johannis 19, 40, welcher Vers<lb/> als Rechtfertigung gross darunter gesetzt ist. Der Todte ist nämlich wie eine<lb/> Mumie eingewickelt vom Kopf bis zu den Füssen. Diese Kirche wurde im Jahre<lb/> 1749 von dem Bischof Cebrian umgebaut.</note>, hat dieselbe Grösse wie der<lb/> Vulcan, dieselbe Figurenzahl, dasselbe Kompositionsschema, und<lb/> ist grossentheils nach denselben Modellen gearbeitet. Nur zwei<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [308/0334]
Drittes Buch.
traut, wie er sich die beiden Schuldigen vorstellte, die hier
hinter der Scene bleiben. Diese antiken Stoffe haben ihn mehr
beschäftigt als man sich denkt. Die schaffende Gegenwirkung
zeigt freilich keine Spur von griechischem Formgeschmack und
Stil der Sculptur. Ihn fesselte die charakterisirende Kraft der
Alten und das komödienhafte Element, das ja schon in Homers
leiser Ironie anklingt; aber auch einzelne künstlerische Motive
antiker Bildwerke. Er empfand den unwiderstehlichen Trieb
des Uebersetzens. Seine Uebersetzung war in rimas sueltas,
nicht in Hexametern, zu denen wir gründlichen Deutschen unsre
geduldige Sprache einexercirt zu haben stolz sind 1).
Das zweite Gemälde, welches Velazquez aus Rom mit-
brachte, der bunte Rock des Joseph 2), hat dieselbe Grösse wie der
Vulcan, dieselbe Figurenzahl, dasselbe Kompositionsschema, und
ist grossentheils nach denselben Modellen gearbeitet. Nur zwei
1) Das Bild wird in dem bei dem Tode Carl II aufgestellten Inventar von
Buen Retiro zuerst erwähnt; aber da selbiges das erste dieses Orts ist, und
das Gemälde in den Inventaren des königl. Schlosses bis dahin nicht vorkommt, so
wird es wol gleich bei der kurz nach der Rückkehr des Velazquez erfolgten Grün-
dung jenes Lustorts dorthin gebracht worden seien. „Una pinttura de tres Varas de
largo y dos y media de alto con la fragua de Bulcano quando Apolo le dio quenta
del Adulterio de su muger original de Velazquez con marco negro tasada en 160
doblones.“ Von da kam es in den neuen Palast; unter Carl III befand es sich
in dem Ankleidezimmer (pieza de vestir) und wurde 1789 zu 80,000 Realen taxirt.
Eine interessante Skizze mit Veränderungen, mit fettem, flottem Pinsel gemalt,
sah ich bei Chevalier de Stuers, damals Gesandten des Königreichs der Niederlande
in Madrid; ob eine Skizze des Meisters, darüber konnte man schwer einig werden.
Grösse des Originals 2,23 × 2,50.
2) Das Gemälde wird zuerst erwähnt in der Descripcion del Escorial von
Francisco de los Santos, Madrid 1681, fol. 66 f. und auf zwei Folioseiten beschrie-
ben; es befand sich im Kapitel des Vicar, aber nach Palomino (III, 330) war es
anfangs mit dem Gegenstück, der Vulcanschmiede, im Schloss von Buen Retiro
aufgestellt worden. Dort erwähnt es auch Ximenes (Descripcion 1769), ebenda
befindet es sich noch heute (N. 341). In der von seinen Söhnen an den Bankier
Salamanca verkauften Sammlung José Madrazo’s war eine sogenannte „Wiederholung“,
wo das Hündchen schläft, statt bellt. In der alten Kirche S. Miguel zu Cordoba
ist eine Kopie im Presbiterio zur linken des Altars. Das Pendant ist eine
seltsame Darstellung der Grabtragung nach Evang. Johannis 19, 40, welcher Vers
als Rechtfertigung gross darunter gesetzt ist. Der Todte ist nämlich wie eine
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